Text und Fotos: Helga Schnehagen
Die Normandie strotzt nicht nur vor landwirtschaftlichem Reichtum. Zwischen saftigen Weiden, fruchtbaren Feldern und uralten Obstbäumen, zwischen Pferden und Kühen, zwischen buntem Fachwerk und grauem Granit bietet sie abseits der gängigen Touristenrouten zum Mont Saint Michel mannigfache landschaftliche, kulturelle und kulinarische Überraschungen. Über die fünf Départements der Region – Seine-Maritime, Eure, Orne, Calvados, Manche – verteilt, öffnen sie stolz ihre Arme, um entdeckt zu werden. Passende Unterkunft und regional-typische Küche bieten die gastfreundlichen Logis Hotels: Normandie für Fortgeschrittene.
Logis-Hotel Le Tribunal, Blutwurst-Törtchen, köstliche Vorspeise nach Art des Hauses
Rund zwei Stunden Zugfahrt trennen Paris von Rouen (Seine-Maritime), der Hauptstadt der Normandie. Bei günstiger Verkehrslage schafft man die 110 Kilometer lange Strecke ebenso schnell mit dem Auto. Angekommen, ist die Hektik der Metropole vergessen, nicht aber Frankreichs Geschichte. Seit der Eroberung Caesars zwischen 58 und 51 v. Chr., über die Landung der Wikinger, der Normannen, im 9. Jahrhundert bis zur anglo-amerikanischen Invasion 1944 im Zweiten Weltkrieg war die Normandie immer ein vielumkämpftes Gebiet.
Die krumme Gasse in der Altstadt mit vielen Fachwerkhäusern
Beim Bummel über das Kopfsteinpflaster der Altstadt erinnert nichts mehr daran, dass Rouen (115.000 Einw.) im Zweiten Weltkrieg zu 45 Prozent zerstört wurde. Die „Museumsstadt“ glänzt dagegen mit Bauten aller Epochen, darunter über 2.000 mittelalterliche Fachwerkhäuser, in der Mehrzahl aus dem 17. und 18. Jahrhundert, welche ihre trichterförmigen Gassen und Plätze säumen. Bereits seit 1345 beeindruckt das legendäre Hotel „La Couronne“ am Alten Markt. Die Krone behauptet, Frankreichs ältestes Gasthaus zu sein.
Moderne Kirche der Heiligen Jeanne d’Arc
Gegenüber erinnert ein hoch aufragendes schlichtes Kreuz daran, dass der Alte Markt einer der geschichtsträchtigsten Orte Frankeichs ist. Denn genau hier soll Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orléans, am 30. Mai 1431 als Hexe bei lebendigem Leib verbrannt worden sein. Frankreichs Nationalheldin ist auch die 1979 erbaute katholische Pfarrkirche aus Glas, Beton und Stahl geweiht. Ihre Form erinnert an ein umgedrehtes Boot, ihr eigenwilliges Dach und das der benachbarten Hallen an die Flammen des Scheiterhaufens.
Rouens Wahrzeichen dagegen ist äußerst profan, dafür aber umso fotogener. Es ist die Große Uhr, welche in einem Renaissance-Bogen die Rue du Gros-Horloge überspannt. Der angrenzende Glockenturm beherbergt seit über 600 Jahren ihr noch heute intaktes Uhrwerk aus dem Jahr 1389.
Altstadt mit der emblematischen Gros-Horloge, der großen Uhr
Das malerische Ensemble rangiert gleich neben der nur 300 Meter entfernten gewaltigen gotischen Kathedrale, die nicht so leicht fotografisch zu erfassen ist. Claude Monet gelang dies dafür meisterhaft über 30 Mal mit Farbe und Pinsel. An den Reproduktionen seiner impressionistischen Kathedral-Serie kommt man in Rouen nicht vorbei.
Gotische Kathedrale
Einst Krönungsort und Grablege der normannischen Herzöge ist sie bis heute Kathedrale des Erzbischofs von Rouen, dessen Palast seit dem Mittelalter direkt mit der Kirche verbunden ist. Im Chor befinden sich die Grabstätten von Rollo, der 911 das Herzogtum Normandie begründete, und Richard Löwenherz. Der Körper des Königs wurde nach seinem Tod dreigeteilt. Während das Herz in Rouen ruht, sind sein Körper in der Abtei Fontevraud im Anjou und seine Eingeweide in Châlus beigesetzt, wo er 1199 starb.
Raus in die Natur? In Rouen kein Problem. Kein Ballungsraum in Frankreich ist von so vielen Wäldern umgeben wie Rouen. Hier findet man auch die Eiche wieder, die den normannischen Fachwerkbau bestimmt. Breite Wege laden Wanderer und Radfahrer geradezu ein, Tierparks lassen Kinderaugen leuchten.
Zwischen Rouen und der Seine-Mündung liegen 90 Straßenkilometer. Die Stadt ist zugleich Fluss- und Seehafen und nach Marseille, Le Havre, Dunkerque und Saint-Nazaire der fünftgrößte Frankreichs. Die Seine mit ihren Mäandern braucht doppelt so viele Flusskilometer. Bei Rouen beginnt der Naturpark Seine-Schleifen. Hinter seinem sperrigen französischen Namen „Parc Naturel regional des Boucles de la Seine Normande“ verbergen sich schroffe Kreidefelsen, wässrige Auen und einige der schönsten Abteien der Normandie.
Die Abtei Saint-Georges von Boscherville gilt als Musterbeispiel normannischer Romanik
Strahlender Beweis ist die dem heiligen Georg geweihte Abteikirche in der kleinen Gemeinde Saint-Martin de Boscherville (Seine-Maritime) nur elf Kilometer westlich von Rouen. Die makellos restaurierte Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert ist ein Schulbeispiel normannischer Romanik: überwältigend in ihrer weißen Pracht und unverfälschten Architektur, kunstvoll in ihren ornamentalen und figürlichen Kapitellen. Zahlreiche Hinweisschilder enthüllen die Symbolik der kleinen Kunstwerke. So soll das Duell der Ritter für den inneren Kampf eines jeden Menschen stehen, der spirituell wachsen möchte, das Monster mit dem Doppelkörper für die Dualität des Menschen als Körper und Geist und das Mischwesen mit einem geschlossenen und einem offene Ohr für das Wort Gottes. Fernglas empfohlen.
Abtei Saint-Georges, romanisches Kapitell
Die Abbaye Saint-Georges liegt an der Normannischen Klosterstraße, welche in mehreren Strängen insgesamt 33 herausragende Abteien miteinander verbindet. Entlang der Seine führt die „Route des Abbayes Normandes“ von Rouen nach Fécamp.
Le Havre (Seine-Maritime) eine pulsierende Hafenstadt? Fehlanzeige! Dennoch lohnt der Besuch. Am besten, man beginnt ihn ganz oben. Über der größten Stadt (166.000 Einw.) der Normandie wacht die Festung Sainte-Adresse, erbaut Mitte des 19. Jahrhunderts zum Schutz vor Angriffen der Engländer. Heute steht über dem Festungstor „Les Jardins Suspendus“, übersetzt die hängenden Gärten, was so nicht stimmt. Zwar beherbergt die 17 Hektar große Fläche zwischen den vier Bastionen einen botanischen Garten mit bis zu 5000 Pflanzenarten, doch dieser „hängt“ nicht, sondern liegt nur erhöht. Sein Besuch gleicht einer botanischen Weltreise.
Les Jardins Suspendus, die hängenden Gärten
Allein die Sammlungen der zehn Gewächshäuser um Madagaskarpalme, Ficus, Katzenschwänzchen, Begonien – hiervon alleine 450 verschiedene Arten – und Passionsblume sind überwältigend. Sie entführen nicht nur in verschiedene Lebensräume wie Tropen, Feucht- und Trockengebiete oder den Vegetationszonen der Kanaren oder Makaronesiens. Sie widmen sich auch speziellen Pflanzenfamilien wie etwa Orchideen und Bromelien, Pfefferpflanzen und Gesneriengewächsen, Epiphyten, die auf anderen Pflanzen wachsen, Grünpflanzen ohne Blüten oder Fleischfressern. Dabei erinnern Schrifttafeln an berühmte französische Botaniker, die im 18. und 19. Jahrhundert von Le Havre aus die Welt bereisten.
Blühende Passionsblume
Garniert wird das Vergnügen mit dem Blick über die Seine-Mündung, das Meer, den Hafen, den Strand und die Stadt. Le Havre liegt einem zu Füßen. Mit der bunten Vielfalt aber hat es ein Ende. Selbst aus der Entfernung ist die Monotonie der Architektur unübersehbar. Le Havres historisches Stadtzentrum wurde bei der Invasion 1944 von den Alliierten komplett zerstört und bis 1954 durch eine moderne Musterstadt aus Stahlbeton, geradlinig und standardisiert, ersetzt. Frankreichs Star-Architekt Auguste Perret hatte ein Experiment gewagt und gewonnen. Seit 2005 ist Le Havres Stadtkern im Stil des „strukturellen Klassizismus“ Unesco-Weltkulturerbe.
Saint-Joseph, Blick in den Turm des Zentralbaus
Krönung von Perrets Werk ist der avantgardistische Neubau der zerstörten Josephskirche. Wie ein Wolkenkratzer in New York ragt sie 107 Meter in den Himmel, erbaut aus 700 Tonnen Stahl und 50.000 Tonnen Beton, durchbrochen von 12.768 farbigen Glasfenstern. Spektakulär ist der Blick in den völlig durchbrochenen Laternenturm von innen, wie er über dem quadratischen Kirchengrundriss steil in die Höhe strebt.
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