Reiseführer Oldenburg
Landesmuseum für Natur und Mensch
Der Darstellung der Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur widmet sich das Landesmuseum, das es in dieser Form erst seit 2001 gibt.
Hervorgegangen ist dieses Museum mit der naturkundlichen, archäologischen und völkerkundlichen Sammlung aus den bescheidenen Anfängen einer Insekten- und Vogelsammlung, die Großherzog Paul Friedrich August 1835 ankaufen ließ. Aufgrund des Erwerbs von archäologischen Funden und völkerkundlichen Artefakten wurde die Sammlung nachfolgend erweitert.
Heute präsentiert man im Haus nicht einfach Naturgeschichte, sondern eine Kombination von Natur- und Kulturgeschichte. Besucher durchstreifen beim Besuch Lebensräume wie Fluss, Meer, Watt, Geest und Moor. Was man bei einem Tauchgang in der Hunte sehen kann, das wird dem Besucher im Aquarium nähergebracht.
Ein Fluss verbindet
Zur Einstimmung des Besuchs empfiehlt sich die audiovisuelle Präsentation zu den einzelnen Lebensräumen. So erfahren Besucher, dass die Hunte das Bindeglied zwischen Moor, Geest und Marsch sowie Watt bildet und von der Quelle bis zur Mündung 100 Kilometer zurücklegt. Wenige wissen, dass die Hunte dabei auch unter dem Mittellandkanal hindurchfließt. In Oldenburg ist die Hunte in ein steinernes Korsett gezwängt. Küstenkanal und Hafen sind in diesem Kontext die Stichworte. Bei Elsfleth verschwindet die Hunte in der Weser.
Ab ins Moor
Eingestimmt werden Besucher auf diesen Landschaftstyp mit einer Bildcollage, die aus Gemälden, Fotografien, Grafiken und Literaturfragmenten besteht. Zu sehen ist unter anderem die vergrößerte Handschriftkopie eines Verses von Annette von Droste-Hülshoffs „Der Knabe im Moor“. Teilweise romantisiert wird das Moor in den Gemälden von Otto Modersohn und Gerhard Bakenhus. In Schwarz-Weiß-Fotografien hingegen wird das harte Leben der einfachen Leute eingefangen, die mit dem und vom Moor leben mussten. Zu sehen ist die Aufnahme eines Landarbeiterhauses ebenso wie die eingesetzte Maschinerie, so der Tiefpflug „Mammut“. Diese dokumentarischen Aufnahmen stehen im Kontrast zu den goldgerahmten Gemälden wie „Torfspitt“ und „Morgenstern“ von Gerhard Bakenhus.
Der Knabe im Moor
Oh schaurig ists übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ists übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche! ...
(Annette von Droste-Hülshoff)
Spurensuche im Moor
So eingestimmt machen sich Besucher auf Spurensuche im Moor, betrachten Bundschuhe aus Leder, die aus dem Lengener oder Ipweger Moor stammen. Es werden auch Fibeln gezeigt, die zum Beispiel dazu dienten, den Vehner Moormantel zusammenzuhalten. Bronzeringe mit Bernsteinperlen sind ebenso ausgestellt. Sie waren der angesagte Halsschmuck um 700 vor unserer Zeitrechnung. Im Boden eingelassene Vitrinen mit Fundstücken vermitteln ein wenig den Alltag von Archäologen. Dabei wird schnell deutlich, dass archäologische Grabungen nicht stets spektakuläre Funde zutage fördern.
Sehr oft waren es Torfstecher, die bedeutsame Funde bargen, so auch einen Geweberest, in den eine kleine Bronzeschale eingeschlagen war. Dieser Geweberest diente einer Textildesignerin als Vorlage dafür, in 1500 Arbeitsstunden einen germanischen „Prachtmantel“ für die Museumspräsentation nachzuweben.
Der sogenannte Vehner Moormantel, eine Nachwebung
Leichen im Moor
Zur Fundpräsentation wurde ein übermannsgroßer Moorabschnitt inszeniert, in den man Vitrinen mit Moorleichen eingelassen hat. Zu den Leichen gehört auch die eines 20-Jährigen, der 1936 in Husbake entdeckt wurde, fünf Jahre nach der Bergung einer anderen Leiche an gleicher Stelle. Reste von Fischgräten, Hirse- und Gerstenspelzen fand man bei der Präparierung im Magen des 1,75 Meter großen Mannes. Ans Tageslicht konnte 1922 auch der Pelzumhang eines Jungen gebracht werden. Der Umhang und die Leiche stammen aus dem Kayhauser Moor. Der Umhang bestand auf vier Stücken Kalbsfell, die auf das 4.Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zu datieren sind. Zu sehen ist aber auch eine Männerleiche, die bei Entwässerungsarbeiten gefunden wurde. „Bestattet“ war der Tote unter einer Lage einseitig angespitzter Holzpfähle.
Flora und Fauna des Moores
Nicht nur die Funde, sondern auch die Pflanzen des Moores kann man im Museum in Augenschein nehmen, so auch Sphagnum-Arten, die Hochmoore beherrschen. Jeder hat schon einmal von Wollgräsern gehört, deren weiße Fruchtstände im Mai im Wind flattern. Glocken- und Besenheide, beides Zwergsträucher, besiedeln gleichfalls das Moor. Bekanntschaft machen Besucher außerdem mit Pflanzen wie Moorbirke, Gagelstrauch und Beinbrech-Lilie. Im und am Rande des Moores kommen Goldregenpfeifer, Brachvogel und Sumpfohreule vor, wie man im weiteren Ausstellungsverlauf erfährt.
Torf ist wichtig
Wie man im Moor lebte, kann man dem Album „Aus Moor und Heide“ entnehmen, das der Lehrer Johann Duis von 1911 bis 1916 zusammenstellte. Es sind insgesamt 55 Fotos und Beschreibungen, die einen sehr guten Eindruck von der harten Lebenswirklichkeit vermitteln. Zu sehen sind nicht nur ein alter Schafstall aus dem Vehnemoor, sondern auch ein Bienenstand aus dem Kortmoor.
Erläutert werden auch die Anfänge der Moornutzung durch die Menschen, die Torf stachen, um Heizmaterial zu gewinnen. Dargelegt wird obendrein, dass ohne Brenntorf die Oldenburgische Eisenbahn die Bahnstrecke zwischen Oldenburg und Osnabrück von 1867 bis 1875 nicht hätte befahren können.
Die Erschließung des Moores in den späten 1930er Jahren durch KZ-Häftlinge – im Emsland allein gab es 15 Konzentrationslager – wird als Thema nicht ausgespart. Gleiches gilt für die Mechanisierung der Torfgewinnung. Dazu gehört der Pflug „Mammut“, von dem ein riesiges Pflugblatt zu sehen ist.
Frühe einfache Unterkunft im Moor
Die Hunte
Der Fluss und seine Niederungen sind Lebensraum für Seefrosch, Grüne Mosaikjungfer und Krebsschere, einer Wasserpflanze, in deren Blätter die Mosaikjungfer ihre Eier ablegt. Bisamratten bewohnen gleichfalls den Flusslauf. Gern gesehen ist dieser aus Nordamerika eingeführte Huntebewohner nicht, untergräbt er doch mit seinen Bauten Böschungen und Deiche.
Wer im Untergeschoss des Museums das Aquarium besucht, wird dort Grasfrosch und Salamander entdecken können – allerdings muss man bei der Beobachtung Geduld aufbringen. Obendrein ist dank eines Saaltextes nachzulesen, dass in der Hunte etwa 70 Fischarten leben und in deren Einzugsgebiet etwa 600 Vogelarten vorkommen, von den 17 Reptilien- und Amphibienarten mal ganz zu schweigen. Ausgestellt ist u. a. eine präparierte Trauerseeschwalbe, die am Dümmer noch anzutreffen ist.
Unterwasserwelt der Hunte
Die Groppe tummelt sich im Wasser der Hunte und dank des ganzjährigen Fangverbots in Niedersachsen ist ihr Bestand bestens geschützt. Aland, Gründling, Rotauge und Ukelei sind weitere Fische, die die Hunte bevölkern. Rotfeder – die roten Flossen sind nicht zu übersehen –, Karpfen und Karausche finden Besucher im Aquarium außerdem.
In der Nordsee
Scholle, Kliesche, Aalmutter und Flunder sind zwar keine Huntebewohner, sondern Nordseefische. Dennoch hält man sie im Aquarium. In einem Tank schwimmt sogar ein Kleingefleckter Katzenhai, der eigentlich algenbewachsene Sandbänke in 10 bis 85 Meter Tiefe als Lebensraum bevorzugt.
Knochenpfeife und ...
Tauchen wir aus den „Fluten der Hunte“ auf, dann werden wir an die norddeutsche Küste gespült, an der Watt, Marsch und Geest liegen. Beim weiteren Rundgang erfahren die Besucher, welche Rolle die Eiszeit bei der Ausformung der genannten Landschaftstypen gespielt hat und welche geologischen Profile sich in Norddeutschland herausgebildet haben.
Funde aus der Jungsteinzeit begleiten uns beim weiteren Besuch. Darunter befinden sich eine Bronzepinzette aus Einswarden und eine Knochenpfeife aus Neuende sowie ein Knochenkamm von der Nienser Wurt. Zu bestaunen sind aber auch mittelalterliche Funde aus einem Sodenwattbrunnen auf der Insel Arngast.
Gestatten, ein Wattbewohner
Das Watt
In einer gelungenen Inszenierung taucht man in das Watt und die Salzwiesen der Nordseeküste ein. Eikapseln des Sternrochens, Pelikanfuß und Gemeine Turmschnecken zeigt man neben dem Laichballen der Wellhornschnecke. Austernfischer und Säbelschnäbler durchstreifen das Watt, das man in Teilen im Museum nachgebildet hat.
Hünengrab und Hallenhaus
Die frühe Geschichte der Besiedlung Norddeutschlands wird dem Besucher am Schluss des Rundgangs nahegebracht: Man erfährt Wissenswertes über das Hallenhaus zur römischen Kaiserzeit, betritt das inszenierte Hünengrab von Kleinkneten und schaut sich die zahlreichen Keramikfunde an. Diese waren Grabbeigaben, die aus der Zeit der Brandbestattung fehlen. Wer wissen möchte, was ein Hemmorer Eimer ist, der sollte das Museum unbedingt besuchen, ganz zu schweigen von denjenigen, die sich für die Natur- und Kulturgeschichte des Weser-Ems-Raums interessieren.
Weitere Informationen
Landesmuseum für Natur und Mensch
Damm 38-44
26135 Oldenburg
http://www.naturundmensch.de/
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