Streifzug entlang Bulgariens Schwarzmeerküste (4/5)

 

Nessebar – Eine Insel voller Kirchen

 

In Sichtweite zu Bulgariens bekannter Touristen-Hochburg Sonnenstrand liegt Nessebar. Seine Altstadt ist seit 1983 Unesco-Weltkulturerbe. Gleich am Eingang der Stadt erzählen die Festungsmauern ihre lange Geschichte. Die Thraker, die den Ort gründeten, errichteten die ersten Mauern im 8. Jahrhundert v. Chr. Die auf sie folgenden griechischen Kolonisten bauten das Bollwerk Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. aus. Unter den Römern, die Nessebar 72 v. Chr. einnahmen, wurden die Mauern vermutlich teilweise zerstört. Als Byzanz im 4. Jahrhundert die Herrschaft übernahm, hat man sie wieder erweitert und bis auf vier Meter verstärkt.

Bulgarien - Nessebar - Westfestungsmauer mit Tor

Erhaltener Rest der Westfestungsmauer mit Tor

Wie im Schwesterstädtchen Sozopol liegt auch Nessebars Altstadt auf einer Halbinsel. Einzig ein 400 Meter langer Damm verbindet sie mit der Neustadt und dem Festland. Die frühe Blüte der Hafenstadt spiegelt sich auch hier in den Bleiankern aus dem 7. bis 3. Jahrhundert v. Chr. wider, die das Archäologische Museum präsentiert.Heute wacht über dem vom Handels- zum Kreuzfahrthafen mutierten Ankerplatz die Statue des Hl. Nikolaus.

Bulgarien - Nessebar - Anker im Archäologischen Museum

Anker im Archäologischen Museum

Seine Glanzzeit hatte Nessebar im 13. und 14. Jahrhundert während des 2. Bulgarischen Reichs. Als Handels-, Handwerks- und religiöses Zentrum war die Stadt wirtschaftlich und kulturell eng mit den Hauptstädten von Byzanz und Bulgarien verbunden. In dieser Zeit entstand eine Ikonenmalschule, die trotz Osmanen-Herrschaft (1453 bis 1878) im 16. und 17. Jahrhundert ihre Blütezeit erreichte, aus der das Archäologische Museum eine kleine Sammlung besitzt.

Bulgarien - Nessebar - Archäologisches Museum, Ikonenmalerei

Ikonenmalerei

Zum Welterbe wurde Nessebar jedoch wegen der Fülle und Vielfalt an Kirchen und Kirchlein, die hier im Laufe von tausend Jahren entstanden. Die Nähe zu Konstantinopel und gleichzeitig abgeschiedene Lage machten den Ort zum idealen Zufluchtsort der von Byzanz verfolgten Politiker. Aus Dankbarkeit – und vielleicht auch einem Überfluss an Zeit – ließen sie die meisten der einst rund 40 Kirchen auf der nur knapp 850 Meter langen und 350 Meter breiten Halbinsel bauen: Stiftungen privater Frömmigkeit und keine Gemeindekirchen im üblichen Sinne. Bisher konnten Archäologen 30 Kirchen nachweisen. 16 von ihnen sind noch zu sehen. Acht davon sind vollständig erhalten oder restauriert.

Bulgarien - Nessebar - Alte Metropolitenkirche

Alte Metropolitenkirche

Es lohnt sich also, in die malerischen Kopfsteinpflaster-Gassen einzutauchen. Die beiden ältesten Kirchen stammen aus dem 5./6. Jahrhundert. Obwohl die Basiliken nur noch in Resten erhalten sind, gehören sie zu den emblematischen Objekten an Bulgariens Schwarzmeerküste: die Basilika am Meer, die der Barmherzigen Jungfraugewidmet ist, und die Alte Metropolitenkirche, die zu einem der ältesten Erzbischofssitze Europas gehörte. Der auch Sofienkirche genannte Bau wurde durch die Awaren schon im 9. Jahrhundert zerstört.

Später übernahm die Neue Metropolitenkirche St. Stephan ihre Rolle. Das Besondere dieser ebenfalls dreischiffigen Basilika ist die vollständige Ausmalung mit über1000 Figuren in mehr als 250 Szenen. Die meisten Fresken entstanden 1599. Die Kirche selber geht auf das 11. Jahrhundert zurück, wurde später jedoch des Öfteren restauriert und erweitert.

Bulgarien - Nessebar - Neue Metropolitenkirche St. Stephan, Fresken

Fresken in der Neuen Metropolitenkirche St. Stephan

Zu den am besten erhaltenen Kirchen gehört die nur zwölf Meter lange und zehn Meter breite Johanneskirche. Sie wurde im 10. Jahrhundert als typisch byzantinische Kreuzkuppel-Kirche erbaut mit hohem turmartigem Tambour, drei halbrunden Altarnischen und vier Innen-Pfeilern, die die Decke stützen.

Bulgarien - Nessebar - Johanneskirche

Johanneskirche

Die Johannes-Kirche ist noch ein schlichter Bruchstein-Bau. Die späteren Gotteshäuser aus dem 13. und 14. Jahrhundert besitzen bunte Fassaden. Wie bei einer Schichttorte ziehen sich im Wechsel Streifen aus weißen und braunen Natursteinen sowie roten Backsteinen um die Bauten. Eingebaute Ziernischen, Blendbögen und grafische Ziegel-Muster bereichern den Dekor, dem als i-Tüpfelchen grüne Keramik-Scheiben und -Rosetten zum ultimativen Glanz verhelfen. Besonders schön saniert sind die Pantokratorkirche an der Hauptstraße und die einschiffige Paraskevakirche weiter nördlich.

Bulgarien - Nessebar - Pantokratorkirche

Pantokratorkirche

Die kleine Kirche St. Spas, die Christi Himmelfahrt gewidmet ist, sieht aus wie eine der ältesten und gehört doch zu den jüngsten. 1609 ließ ein reicher Bürger von Nessebar das schlichte einschiffige Gotteshaus erbauen und ausmalen. Die Wandmalereien mit Szenen aus dem Leben Jesu und der Mutter Maria sind wie bei St. Stephan heute museal zu bewundern. Im Boden lag lange Zeit der Grabstein der 1441 verstorbenen byzantinischen Prinzessin Mataisa Cantacuzina Palaiologina. Jetzt ist er im Archäologischen Museum zu sehen.

 

Varna – Vom Meer ins Herz der Stadt

 

Zentrum der nördlichen Schwarzmeerküste ist Varna, mit 300.000-Einwohnern Bulgariens drittgrößte Stadt. Nicht nur der Hafen erinnert an Burgas, dem Zentrum der südlichen Schwarzmeerküste. Nur erscheint hier alles eine Nummer größer und großstädtischer. Die Bucht von Varna säumt wie in Burgas ein kilometerlanger Küstenpark. Zu seinen meistbesuchten Attraktionen gehören das Delfinarium mit seinen Delfin-Shows im Norden sowie das Aquarium und das Museum des Schwarzen Meeres im Süden, die tieferen Einblick in die Pflanzen-, und Tierwelt des Schwarzen Meeres geben und dessen Bodenschätze, wie Seesalz und Erdöl, beleuchten.

Bulgarien - Varna, Fußgängerzone, Bronzeplastik

Dabko Dabkov in Bronze in der Fußgängerzone

Den Meeresgarten verbindet über den Knyaz Boris I Boulevard bis zum Nezavisimost Platz auch in Varna eine attraktive geschäftige Fußgängerzone. Einen Besuch lohnt die vollständig ausgemalte und vorbildlich restaurierte Kirche St. Nikolaus der Wundertäter. Im Jahr 1859 begonnen und 1870 fertiggestellt, ist sie eines der ältesten orthodoxen Gotteshäuser der Stadt. Weiter westlich zieht vor dem ehemaligen Grand Hotel Musala eine sitzende Bronzeskulptur den Blick auf sich.

Bulgarien - Varna - Opernhaus

Blick auf das neobarocke Opernhaus

Sie gilt dem bulgarischen Architeken Dabko Dabkov (1875-1945), der an der Technischen Universität München Architektur studierte und danach Varna ab 1910 in den Bauweisen von Jugendstil und Historismus seinen Stempel aufdrückte. Neben dem Musala, heute ein schickes Hostel, gehört das unverändert luxuriöse Grand Hotel London zu seinen emblematischen Werken. Von Dabkov zwar nicht entworfen, aber fertiggestellt wurde das gegenüber liegende strahlend rote neobarocke Opernhaus, ein weiteres Symbol der Stadt. Auf seinem Spielplan steht, was Rang und Namen hat unter Oper, Ballett, Musical, Konzerten.

Bulgarien - Varna, Maria Himmelfahrt-Kathedrale

Muttergottes-Kathedrale Mariä Himmelfahrt

Nur wenige Schritte nördlich glänzen die erst in jüngerer Zeit neu vergoldeten Kuppeln der monumentalen Muttergottes-Kathedrale Mariä Himmelfahrt. Den Grundstein zu dem bulgarisch-orthodoxen Kirchenbau legte Alexander I. von Battenberg, der als deutscher Adliger das Fürstentum Bulgarien von 1879 bis 1886, dem Jahr der Kirchweihe, regierte. Ihre beachtliche Ausmalung begann man 1949, die bunten Glasfenster folgten in den 1960er Jahren.

 

Varna – Ältester Goldschatz der Welt

 

Bulgarien - Varna - Archäologisches Museum

Archäologisches Museum

Das Archäologische Museum von Varna birgt eine Sensation: Das erste Gold der Menschheit. Bei Bauarbeiten in der Nähe von Varna war man 1972 zufällig auf eine kupferzeitliche Nekropole aus der Zeit zwischen 4400 und 4200 v. Chr. gestoßen. In den über 308 bisher geöffneten Gräbern kamen über 2000 Preziosen aus fast reinem 23,5-karätigem Gold von insgesamt 5,5 Kilo Gewicht ans Tageslicht, darunter Halsketten, Armreifen, Brustschmuck und unterschiedlich Gefäße. Älteres bearbeitetes Gold hat man nirgendwo gefunden.

Bulgarien - Varna - Archäologisches Museum, Grab Nr. 43

Grab Nummer 43

Im Mittelpunkt steht das Grab Nummer 43 mit dem Skelett eines etwa 45-jährigen Mannes, dem man über hundert fein gearbeitete Schmuckstücke mit auf die letzte Reise gab. Eine Büste zeigt die Rekonstruktion seines Kopfes. Als Herrschergräber gelten die Nr. 4 und Nr. 36. Allein sie bargen Goldartefakte, deren Gewicht über ein Drittel der gesamten Goldfunde der Nekropole ausmacht. Die Axt mit goldenem Schaft und das goldene Zepter sind eindeutige Machtsymbole und Zeugnisse der Adelsgesellschaft vor rund 6500 Jahren.

Bulgarien - Varna - Archäologisches Museum

Funde

Das Museum ist ein Spiegel der Geschichte. Die ältesten Funde reichen in die Altsteinzeit von 100.000 bis 10.000 v. Chr. zurück, die jüngsten datieren aus der osmanischen Zeit von 1396 bis 1878. Einen guten Überblick über die Sammlungen des Museums gibt die bis zur Decke reichende Epochentafel kurz hinter dem Eingang.

Bulgarien - Varna - Sensationsfund aus dem Jahr 1972 einer kupferzeitlichen Nekropole aus der Zeit zwischen 4600 bis 4200 v. Chr.

Grabbeigaben aus Knochen und Geweihen

Auch in Varna hatten griechische Siedler an der Stelle einer alten thrakischen Siedlung um 580 v. chr. eine Handelskolonie gegründet. Sie nannten sie Odessos, Stadt am Meer. Als die Römer die Balkaninsel eroberten, wurde auch Odessos dem Reich einverleibt. Die Ruinen der Römischen Thermen im Süden der Altstadt erinnern an diese Zeit. Die 7000 m2 große Anlage entstand im 2. Jahrhundert n. Chr..

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Kurzportrait Bulgarien

Bei Bulgarien stellt sich rasch die Assoziation "Balkan" ein. Ganz so falsch ist das nicht, zieht sich doch die gleichnamige, langgestreckte Gebirgskette, Namensgeberin des gesamten südosteuropäischen Raumes, auf einer Länge von 420 km von Ost nach West mitten durch das kleine Land. Überhaupt sind es die Gebirge und Hügellandschaften, die den Charakter Bulgariens prägen: Zu eindrucksvollen Gebirgstouren laden die kargen alpinen Regionen des Rila- und des Pirin-Gebirges im Südwesten des Landes ein.

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Plovdiv. Imperiale Größe auf dem Balkan

Uralt und quicklebendig, elegant und hipp. Urgeschichtlich, thrakisch, griechisch, römisch, byzantinisch, osmanisch: Auf sein kulturelles Erbe kann Plovdiv bauen. 2019 glänzte es damit als europäische Kulturhauptstadt.

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