Tour 3

Abwege

Spaziert man von Richtung Süden, so zeigt sich bald, dass die Straßen ihre komfortable Breite behalten, die Bebauung der Gegend sich aber drastisch verändert. „Plan Zuid“ wird dieser Stadtteil genannt, doch so technisch sich dieser Begriff anhört, so spannend ist die Geschichte dieser Umgebung, die von kühnen, backsteinernen Häuserblöcken geprägt ist, aber auch von Spielplätzen, Höfen und Gärten. Diese vierstöckigen Häuser, die sich unendlich lang ziehen, ohne dass in der Außenmauer Brüche zu erkennen wären, die auf die Aufteilung der Wohnungseinheiten deuten. Stattdessen schwingen die Mauern wellenförmig, spitzen sich an anderer Stelle zu, um sich dann in Falten zu legen oder in Erker zu verwandeln. Bei den Kaminen, Türmchen und überkragenden Vorsprüngen fühlt man sich an Skulpturen erinnert – das war die Auffassung vom sozialen Wohnungsbau Anfang des 20. Jahrhundert in Amsterdam. Wie 1917 sind die Wohnungen und Häuser noch heute für wenig Geld zu mieten, noch heute leben Arbeiter hier, junge Leute, Ausländer, Künstler – Menschen, die gute Nachbarschaft dem Flair einer schicken Wohngegend vorziehen. Keinesfalls sollte man sich den Anblick des De Dageraad mit seinem gewellten Turm am Eckhaus entgehen lassen, denn hier lässt sich die Philosophie der Amsterdamer Schule deutlich erkennen.

Den müden Füßen gegen Ende eines solch aktiven Tagesgeschehens, kommen die Bänke im Vondelpark wie gerufen. Oder die weiten Grasflächen oder die Pavillone. Hier wird Ausruhen zum Amusement, bei den täglich wechselnden Theater-, Musik- und Kinderveranstaltungen im Openluchttheater und wenn man sich im Café Vondeltuin ein Picknick zubereiten lässt oder ein Lunchpaket, um die Leckereien dann mit baumelnder Seele mitten auf dem Rasen zu verspeisen. Weniger kapriziös geht es im Ronde Blauwe Theehuis zu mit seinem Selbstbedienungsrestaurant, dem Biergarten und herzhaften broodjes. Wer mit Kindern unterwegs ist, lernt das Groot Melkhuis ausgiebig zu schätzen. Denn während man die Gemütlichkeit am Kamin oder im Restaurant genießt, können sich die Kleinen ungefährdet auf dem Spielplatz in Sichtweite tummeln. Während eines kleinen Spaziergangs durch den Park dringt man zum Nederlands Filmmuseum vor. Im Sommer gibt’s hier seltene Filme von der Großleinwand.
Bleibt noch das Café Vertigo zur Auswahl zu stellen, das in dem überwältigenden Ambiente eines aus Eisen und Glas gebauten Pavillons residiert und seine Besucher auf eine der schönsten Terrassen der Stadt einlädt. Hier lässt sich schlemmen, noch mehr genießen und den Tag in wohlverdienter Ruhe beschließen. Es sei denn, es ist Samstag, denn dann wird ab 23 Uhr getanzt!

Amsterdam - Albert Cuypmarket

Auf dem Albert Cuypmarkt

Der Weg von den schönen Künsten hin zum Amsterdamer Alltag führt den Besucher über den Albert Cuypmarket, dessen einstige Faszination einem wenig anregenden Gleichmaß gewichen ist, an der Vijzelgracht vorbei und in die Vijzelstraat. Da liegt zunächst das Van Loon Museum, Nr. 672/674 (www.museumvanloon.nl) zur Rechten und nur wenige Schritte weiter Richtung Rembrandtplein, präsentiert sich ein weiterer prächtiger Gebäudekomplex, das Fodor Haus. In ihm ist das Foam Fotografiemuseum (www.foam.nl) untergebracht, doch zu dem Haus gibt es noch eine kleine Geschichte zu erzählen: Einst dienten diese drei Villen dem Kohlehändler Fodor als Wohnstatt. Dass diese im höchsten Maße komfortabel war – wer will das bezweifeln? Dennoch schien sie nicht so attraktiv, dass Fodor eine Ehefrau gefunden hätte, um eine Familie zu gründen. Es liegt im Dunkeln, was die Beweggründe der Amsterdamer Fräuleinschaft waren, diesem Fodor nicht ein hingebungsvolles Weib sein – Tatsache war, dass Fodor seine ganze Leidenschaft der Kunst widmen konnte, was einer wunderbaren Kunstsammlung zugute kam. Diese ging, testamentarisch vermacht, mitsamt der drei Häuser in den Besitz der Stadt über, nachdem der einsame Fodor 1860 seinem Leben ein tragisches Ende setzte.
Heute ist die Sammlung Teil des Amsterdam Historisch Museum, während das Foam Museum anspruchsvollen Fotografie- und Videoausstellungen zur Verfügung steht.

Amsterdam - Rembrandtplein

Zeitgeschehen von Anno Dazumal am Rembrandtplein

Ein wenig anders als über einige Stunden nun gewöhnt, geht es auf dem sich anschließenden Rembrandtplein zu, dem Treffpunkt so ziemlich aller Touristen, die sich in Amsterdam aufhalten. Das ist schon seit vielen Jahren so, doch ist dies kein Grund, den Platz, der früher als Pferdeparkplatz und Buttermarkt diente, zu meiden. 1875 wurde hier die Rembrandtstatue errichtet, doch auch die 22 in Bronze gegossenen Statuen lassen den Besucher die Szenerie nicht einfach passieren. Es ist dies eine Version von Rembrandts „Nachtwache“, das in dieser Impressionen von den beiden russischen Künstler Alexander Taratynov und Mikhail Dronov geschaffen wurde.

Amsterdam - Rembrandtplein

Es geht schon reichlich bunt zu auf dem Rembrandtplein, denn hier hat man sich verabredet, man trifft sich, sieht sich und wird gesehen – ganz bestimmt. We das alles zu viel lautes Durcheinander ist, der kann Nische in der Brasserie Schiller im gleichnamigen Hotel finden und das wilde Treiben als Zaungast betrachten.

Wobei dies nicht den Abschluss des Tages bilden kann, denn dieses Privileg obliegt dem Pathé Tuschinski, einem Kinopalast mit den baulichen Attributen der „golden twenties“: Schmiedeeiserne Lampen, dicke rote Teppiche, glasierte Ziegel, überproportionierte Skulpturen. Abraham Icek Tuschinski, ein polnischer Jude, hatte das Filmtheater 1921 als Teil seiner Kinokette in Auftrag gegeben, doch bevor so manche internationale Leinwandproduktion dort Premiere feiern konnte, wurde Tuschinski 1941 in Auschwitz ermordet – als einer der mehr als 100 000 Juden aus Amsterdam, denen unter dem Nazi Regime das gleiche grausame Schicksal beschieden war.
Erinnerungen an diese Zeit sind in Amsterdam ebenso zahlreich wie Stätten des Vergnügens. Das Pathé Tuschinski ist beides, eben das ist Amsterdam.

Tour 3
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Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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