Bevor man nun in das pralle Leben auf dem Waterlooplein eintaucht, ist die neoklassizistische Mozes an Aäronkerk einige Betrachtungen wert. 1649 stand an dieser Stelle noch eine Geheimkirche, ein Haus also oder ein ähnliches Gebäude, hinter dessen Fassade niemand eine Kirche vermuten durfte, denn den Katholiken war die Ausübung ihrer Religion 1578 bis 1795 verboten.
Auf dem rechteckigen Waterlooplein dehnt sich, wie jeden Tag, ein riesiger Markt aus, mit Kleidung, Trödel, Büchern und dem einen oder anderen antiken Schnäppchen. Man sollte meinen, dass der Charme auch dieses Marktes nach all den Jahren seiner Existenz fahl geworden wäre. Doch nein, die stets wechselnden Sortimente der Händler und ihre unterschiedlichen Offerten halten die Szenerie bunt und lebendig.
Markt auf dem Waterlooplein
An dem legendären Lokal Engel vorbei gelangt man unwillkürlich zur „Stopera“, jener oft geschmähten und in ihrer Funktion lange nicht anerkannten Kombination von Institutionen, die sich als das Muziektheater, die Oper und das Stadhuis, die Stadtverwaltung, in diesem seltsam futuristischen Gebäude wiederfanden. Heute hat man sich mit dieser kühnen Kombination abgefunden, doch ist das Gebäude dadurch nicht schöner geworden. Ehrenrettend aber ist die brillante Reputation der beiden festen Opernensemble.
Stopera
Wie der Name sagt, gehörte auch die Jodenbreestraat zum Judenviertel. Hier wohnten wohlhabende Familien, was am Rembrandthuis, einem der wenigen Häuser aus der Zeit des 17. Jh. noch zu erkennen ist. Hier verlebten der Meister, seine Familie und seine Schüler zwischen 1639-58 eine „Zeit voller Zufriedenheit und Glück“. In den hiesigen Atelierräumen schuf der Meister auch die „Nachtwache“, sein herausragendes Werk.
Von hier aus sind es nur wenige Schritte auf der Nieuwe Uilenburgerstraat, bis man unter den Hausnummern 173-175 die Diamantslijperij Boas (www.gassandiamonds.com) erreicht hat. 73 Meter lang, 12 Meter breit und im neoklassizistischen Stil auf der künstlichen Insel Uilenburg erbaut und das allein zum Diamantenschleifen – das war 1879 eine Sensation. Und so fragten sich auch die Redakteure diverser Zeitungen, woher die Brüder Boas wohl den Mut für dieses Projekt nahmen. Doch bald waren die 357 Schleifsteine von Experten der Diamantenbearbeitung besetzt und schon im ersten Jahr wurden zwischen 8 – 10.000 Karat Rohdiamanten geschnitten und geschliffen. Diesem Wohlstand machte die Weltwirtschaftskrise in den 1930ern ein Ende, was 1944 besiegelt wurde. Der imposante Komplex, direkt am Wasser unterlag bis 1990 einer Fremdnutzung bis in dem Jahr das renommierte Unternehmen Gassan Diamonds hier einzog – zum Diamantenschleifen, versteht sich. Schauen Sie einfach herein!
Über die Antoniesbreestraat erreicht man das Pintohuis. Im 17. Jh. als Wohnhaus des reichen Bankiers Isaac De Pinto erbaut, hat das recht gediegene Gebäude die Unbilden der Zeit unbeschadet überstanden. Seit der Renovierung 1976 stellt es mit einem Repertoire von 500 000 Büchern einen repräsentablen Teil der Stadtbibliothek dar (www.oba.nl) und ist somit auch zu besichtigen.
Gegenüber, an der Zandstraat, liegt die dreischiffige Zuiderkerk von 1611. Der Turm der Kirche, der Zuidertoren, ragt mit seinen 70 Metern Höhe weit über die Umgebung hinaus. Übrigens sollte man sich nicht gruseln, unter dem mit Totenköpfen verzierten Portal hindurch auf den Friedhof zu gehen, erschließt sich hier doch während eines Spaziergangs zwischen den Gräbern ein weiterer und faszinierender Teil der hiesigen Kultur.Wie viele Kirchen der Stadt ist auch die Zuiderkerk einer anderen Bedeutung zugeführt und so kann man die Angestellten des Städtischen Planungsamtes nur beneiden um ihre Arbeitsplätze in diesem feinen Renaissancebau. Zu den Ausstellungen zur Stadtentwicklung und Architektur Amsterdams stehen die Türen aber auch Besuchern offen (www.dro.amsterdam.nl).
Und da ist es wieder – das NEMO, wo der Spaziergang am Morgen begann. Um den Blick auf die wehrhaften Montelbaanstoren daneben ausgiebig genießen zu können, laden zwei Lokalitäten mit gemütlichem Ambiente ein: Die Terrasse Café de Sluyswacht im windschiefen Häuschen des ehemaligen Schleusenwärters oder das Café Tisfris auf der Brücke des Zwanenburgwals.
Blick auf die Montelbaanstoren
Auch danach nimmt die Abwechslung kein Ende, denn an der Ecke Nieuwe Hoogstraat ist die klassizistische Pracht des Trippenhuis (Nr. 24) auszumachen. Eine Szenerie, die selbst Kenner der bauhistorischen Amsterdamer Szene verblüfft. Denn so unmissverständlich, wie die reiche Familie Trip ihren Lebensstil in der Monumentalität ihres Hauses demonstrierte, haben nur wenige Zeitgenossen dies getan. Und Trips verschwiegen auch nicht, womit sie das viele Geld verdienten: Ein Blick auf die kanonenförmig stilisierten Kamine genügt. Ob man die Winzigkeit des kleinen Trippenhuis (Nr. 26) dem schwarzen Humor des Mijnher Trip zuordnen soll, bleibt Legende, denn der Kutscher der Familie soll beim Anblick des Stadtpalastes seines Herrn gesagt haben, dass ihm ein Haus in der Größe der zweieinhalb Meter breiten Eingangstür genügen würde. Die er dann auch bekam und nicht größer!
Am Oostindisch Huis an der Ecke Oude Hoogstraat ist man zurück in der Innenstadt, denn über die Damstraat ist es nicht weit zum Damrak.