Auf wackeligen Gleisen

Mit dem Pinienzapfenzug durch den Südosten Frankreichs

Dagmar Krappe: Text und Fotos

Seit über 100 Jahren verkehrt der „Train des Pignes“, der Pinienzapfenzug, zwischen Nizza an der Côte d’Azur und Digne-les-Bains in der Haute-Provence.

Frankreich - Train des Pignes - Max Julien auf seinen Lavendelfeldern

Max Julien bearbeitet seine Lavendelfelder

Max Julien ist zufrieden. In den schnurgeraden, dunkellila leuchtenden Reihen summt und brummt es. Bienen und Hummeln suchen nach Nahrung. Ein kräftiger, fast schwülstiger Duft weht übers Feld. „Im Frühjahr gab es einige Regentage, jetzt ist es heiß und trocken. Der Lavendel hat sich prächtig entwickelt“, bemerkt der 68-Jährige und wischt sich den Schweiß von der Stirn: „Wenn das Wetter so bleibt, werden wir in drei Wochen mit der Ernte beginnen.“ Mit einer Sichel schneidet er mehrere Zweige ab und bindet sie mit einer Kordel zusammen, um sie später auf seinem Hof zu trocknen. 100 Hektar bewirtschaftet er zusammen mit seiner Frau Marie-Josée und den Söhnen Xavier und Jérome. Die beiden widmen sich hauptsächlich der Schafzucht mit 550 Mutterschafen und doppelt so vielen Lämmern. Die rund 15 Hektar Lavendel sind allein Max Juliens Passion. Er ist Präsident einer Kooperative, der 18 Lavendelbetriebe angehören.

Frankreich - Lavendelfelder in der Haute-Provence

Lavendelfelder in der Haute-Provence

„Überwiegend bauen wir die Sorte Lavandin grosso an. Sie ist kräftig lila und kann bis 80 Zentimeter hoch werden. Nach acht bis zehn Jahren brennen wir die Pflanzen ab, züchten zwei, drei Sommer Getreide oder nutzen die Fläche als Wiese, bevor wir wieder neue Lavendelsamen aussäen“, erzählt Max: „Wir destillieren den Lavendel selbst. Die gewonnene Essenz, das ätherische Öl, findet bei der Parfümherstellung in Grasse Verwendung, aber auch in der Kosmetik-, Waschmittel- und Arzneimittelindustrie.“ Plötzlich übertönt ein kurzes Rauschen das Summen der Bienen. Zwei orange Dieseltriebwagen des „Train des Pignes“ surren über den steinernen Viadukt, der sich unweit des Bauernhofs bei Saint-Jurson befindet. Seit 1911 befährt der „Pinienzapfenzug“ die 151 Kilometer lange Strecke zwischen Nizza an der Côte d’Azur und Digne-les-Bains in der Haute-Provence. Pendler, die im Hinterland wohnen, nutzen ihn ebenso wie Einheimische und Touristen, die für ein paar Tage Enge und Trubel der Großstadt entfliehen wollen.

Frankreich - Pinienzapfenzug auf dem Viadukt bei Saint Jurson

Pinienzapfenzug auf dem Viadukt bei Saint Jurson

Die Reise beginnt am modernen Bahnhof der „Chemins de Fer de Provence“ mitten in Nizza. In Sichtweite steht das über Jahre heruntergekommene Eingangsgebäude des ehemaligen „Gare du Sud“ an der Avenue Malausséna. Inzwischen ist es kostspielig saniert und wird als Bibliothek genutzt. Die breite Avenue ist die Haupteinkaufsmeile mit Ladenketten, Boutiquen, Restaurants, Bistros. Sie führt schnurgerade hinunter Richtung verwinkelte Altstadt, zum Cours Saleya mit seinem bunten Gemüse- und Blumenmarkt und zur Flaniermeile „Promenade des Anglais“ am Meer.

Frankreich - Blick auf Nizza und die Promenade des Anglais

Blick auf Nizza und die „Promenade des Anglais“

Auf den ersten Kilometern windet sich die Bahn durch die Vororte und Industriegebiete der Metropole. „Viermal am Tag startet ganzjährig ein Zug je Richtung“, sagt Yoann Bourdillon, Mitarbeiter der Bahngesellschaft in Nizza. „Seit einigen Jahren verfügen wir über drei moderne orange Zuggarnituren. Da das Passagieraufkommen zu bestimmten Tageszeiten geringer ist, kommen auch noch unsere alten blauweißen, kürzeren Triebwagen auf der meterspurigen Strecke zum Einsatz.“ Punkt 13 Uhr geht eine orangefarbene Hightech-Bahn auf die Schiene. Bequeme, rot gepolsterte Schalensitze und getönte Panoramafenster sorgen auf der knapp dreieinhalbstündigen Reise für Entspannung. Eine automatische Ansage und eine elektronische Anzeigetafel weisen auf den nächsten Stopp hin. Davon gibt es über 50. Mal sind es größere Bahnhöfe, mal Bedarfshalte mit Wartehäuschen.

Frankreich - Bahnhofsgebäude in Puget-Théniers

Bahnhofsgebäude in Puget-Théniers

Hinter Lingostière, wo sich das Depot des „Train des Pignes“ befindet, zieht sich die Strecke am Fluss Var entlang. Ein breites, steiniges Flussbett, durch das manchmal nur ein Rinnsal plätschert, verläuft bis Puget-Théniers. Auf der anderen Seite begleitet die Nationalstraße die Bahnlinie. Die verträumten Orte entlang der Trasse zeigen in ihren Namen, dass sie am Fluss liegen: Saint-Martin-du-Var, Villars-sur-Var, Touet-sur-Var.

Frankreich - Dampfzug in Puget-Théniers vor der Abfahrt nach Annot

Dampfzug in Puget-Théniers vor der Abfahrt nach Annot

In Puget-Théniers, einem knapp 2.000-Einwohner-Dorf mit einem Hotel und einigen Restaurants, ist der Sitz der GECP (Groupe d’Étude pour les Chemins de Fer de Provence). 1975 gründeten einige Bahnenthusiasten den Verein, dem heute 400 Mitglieder angehören. Sie unterhalten den „Train à Vapeur“, einen historischen Dampfzug. „Von Mai bis Oktober sind wir regelmäßig sonntags zwischen Pugét-Théniers und Annot unterwegs“, erklärt Lokführer Stéphane Faraut, während die beiden Heizer Guillaumes und Frédéric die Lager ölen und das schwarze Dampfross auf Hochglanz polieren.

Frankreich - Lokführer Stéphane Faraut ölt die Lager

Lokführer Stéphane Faraut ölt die Lager

„Die Lokomotive wurde 1923 von der Firma Henschel in Kassel gebaut und war über 60 Jahre lang in Portugal im Einsatz. Mit defektem Boiler kam sie nach Frankreich und wurde vor einigen Jahren wieder flott gemacht“, berichtet Stéphane. Eine Stunde lang zuckelt der Zug mit 30 Kilometern pro Stunde über zahlreiche Viadukte und weiter am Fluss entlang bis in die mittelalterliche Stadt Annot.

 

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