Ökourlaub – aber nicht ohne mein Auto

Beobachtungen aus der Hochprovence zwischen Lubéron-Massiv und Lure-Gebirge

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Chambres d'Hôtes, Gîte de France, Gîte Panda, Ecogîte – sie sind die „Verheißungen“ für einen umweltverträglichen Urlaub im Süden Frankreichs. Außerhalb der auf den Anhöhen gelegenen Ortschaften beleben sie den ländlichen Raum der Hochprovence, verweisen auf umweltverträgliche Energieerzeugung, Mülltrennung und gesundes Raumklima dank Kalk-Hanf-Putz auf den Wänden. Sie werben mit gesunder Kost und Abgeschiedenheit um den stressgeplagten Städter. Natur pur soll erlebbar werden, in einer im Wesentlichen von Gemüse-, Kräuter- und Lavendelanbau geprägten hügeligen Kulturlandschaft. Lassen wir also Marseille, Aix-en-Provence und andere Städte hinter uns. Die Hochprovence ruft!

Frankreich - Hochprovence

Felder mit Lavendin sind charakteristisch für die Hochprovence

Vachères, Aubenas les Alpes, Saint-Michel l'Observatoire, Niozelles und Limans sind Orte, die nur auf wenigen Landkarten zu finden sind. Zu klein und unbedeutend erscheinen diese Flecken, in denen einige Dutzend Menschen leben, zumeist Zugereiste, Aussteiger, die nach der Pensionierung Paris den Rücken gekehrt haben. Hierher zu kommen, ohne ein Auto zu fahren, verlangt mehr als nur Abenteuerlust. Es ist die ultimative Herausforderung. Ja, einen Schulbus für die Schüler aus kleinen Orten gibt es, doch darin besteht auch schon die gesamte Verkehrsinfrastruktur für das platte Land. Während hierzulande wenigsten ein Rufbus dafür sorgt, dass selbst entlegene Siedlungen noch ohne Auto erreichbar sind, ist dies in Frankreich nicht der Fall. Kein Wunder, konzentriert sich doch der öffentliche Verkehr auf schnelle Verbindungen von und nach Paris.

Frankreich - Hochprovence - Gehöft

Sorgsam restaurierte Gehöfte laden Feriengäste ein: Les Basses Combes in Vachères

Beschaulichkeit, Kuckucksrufe und Klatschmohn

Verstreut liegen einzelne Gehöfte, aus sandfarbenem Kalkstein Lage um Lage erbaut, in der mit wenigen Pappelreihen, lanzenförmig wachsendem Wacholder sowie knorrigen Eichen durchzogenen Landschaft. Violette Streifen von Lavendin – zur Verwendung in der Kosmetikindustrie angebaut – und wilder, rot blühender Klatschmohn lockern das allgegenwärtige Grün auf. Schmale Streifen von Gemüse- und Kornfeldern erstrecken sich links und rechts der Landstraßen, die nur selten befahren werden. Hier und da sieht man Wein über die unregelmäßig gemauerten Fassaden der Häuser ranken. Feigenbäume, ob nun mit essbaren oder nicht essbaren Früchten, zieren die Vorgärten. Üppig ist die Blütenpracht des Kräutergartens vor dem Haus: Thymian, Salbei, Rosmarin und Minze gedeihen prächtig.

Frankreich - Provence - Ginster

Ginster, im Frühjahr ein gelber Farbtupfer in der Hügellandschaft

Verschlafen, verträumt und von der Welt abgeschieden - so erscheinen die oben genannten Ortschaften. Beschaulichkeit und Stille dominieren, nur unterbrochen vom Zwitschern der Piepmätze: Den Kuckuck hört man in der Ferne; nicht nur nachts, sondern auch tagsüber erklingt der Gesang der Nachtigall. Farbenprächtige Bienenfresser sind auf der Suche nach Bienen und Wespen, die sie gekonnt mit ihrem dolchähnlichen Schnabel erlegen. Ja, die Kirche, meist romanisch und bodenständig , steht noch in jedem Ort und überragt die übrigen Gebäude. In Aubenas les Alpes wird die Kirche allerdings von einer mittelalterlichen Burganlage dominiert, aber das ist eine Ausnahme, sonst überragen die Gotteshäuser die Ortschaften zu ihren Füßen . Einen Laden für den täglichen Bedarf gibt es in Aubenas längst nicht mehr. Man lebt hier halt die Langsamkeit des Seins. Einige Orte wie Niozelles verfügen wenigstens noch über ein Bristrot, in dem provencalische Menüs zu annehmbaren Preisen serviert werden. Wie wäre es denn mit Fleischbällchen mit Kräutern gewürzt, Ente in Honig und Kartoffelgratin sowie Erdbeeren mit Spekulatiusmousse?

Frankreich - Hochprovence - wilde Orchideen

Wilde Orchideen gedeihen in Aubenas les Alpes und anderswo in der Hochprovence

Die Welt zu Gast

Wer im beschaulichen Winkel zwischen Lubéron-Massiv und Lure-Gebirge seinen Urlaub verbringt, der sucht die Einsamkeit. Wer sich hier niedergelassen hat und in jahrelanger mühevoller Aufbauarbeit verlassene Gehöfte wieder in Schuss gebracht hat, der war stadtmüde. Besucher werden verdutzt feststellen, dass ihre Gastgeber aus dem quicklebendigen Paris stammen und dem Wahlspruch „Landluft macht frei!“ gefolgt sind. War es nicht die Stadtluft, die einst frei machte? Doch die Zeiten haben sich geändert.

Frankreich - Hochprovence - Les Escoffiers

Einst der Schafstall, nun der Frühstücks- und Aufenthaltsraum von Les Escoffiers

Sorgsam renoviert und ausgestattet mit Terracotta-Fußböden und bunten Fliesen in Küche und Bad sind viele der Unterkünfte. Bunte Kachelrahmen zieren auch die Taubentürme, die zu einigen umgebauten Gehöften gehören. Bisweilen kann man in den Räumen noch Spuren der Nutzung als Hühner- und Schafstall erkennen. Für den Anstrich der mit Kalk und Hanf isolierten Wände werden nur Erdfarben verwendet, vor allem Ocker, das in Wischtechnik aufgetragen ist.

Frankreich - Hochprovence - Les Escoffiers

Hier schläft man im Les Escoffiers den Schlaf der Gerechten

Pierre Pasteau, Betreiber des Les Escoffiers (Aubenas Les Alpes), war schon als Kind von der Landschaft der Hochprovence fasziniert. Jahre dauerte es, ehe aus dem verfallenen Gehöft mit eingestürzten Gewölben und Mauern ein stattliches Anwesen mit einem farbenprächtigen Bauerngarten wurde. Doch so ganz auf das soziale Leben jenseits dörflicher Strukturen möchte keiner der „Aussteiger“ verzichten. So bietet sich die Zimmervermietung an, um die „große weite Welt“ nach Aubenas oder Saint Michel l'Observatoire zu holen.

Bisweilen hat man beim Frühstück Mühe, einen Bissen mit selbst gemachter Aprikosenmarmelade zu genießen, will man auf die  neugierigen Fragen des Gastgebers nicht nur mit „Hm, hm“ antworten. Doch wenn sich die erste Neugier gelegt hat, kehrt wieder kontemplativer Alltag ein; Stille umgibt den zum Aufenthaltsraum umgestalteten Schafstall mit Tonnengewölbe. Stolz zeigt Pierre Pasteau, bei dem ich zu Gast war, das Fotoalbum mit Aufnahmen der einzelnen Bauphasen. Zwei Häuser habe er schon saniert, das Dritte, so betont er, sei ein Scheidungsgrund. Ein verschmitztes Lächeln kann sich der ehemalige Pariser dabei nicht verkneifen.

Frankreich - Hochprovence - Aubenas les Alpes

Kulturelles Erbe von Aubenas les Alpes: die romanische Kapelle und der Friedhof

Nicht nur auf ein Schwätzchen beim Frühstück oder beim gemeinsamen Abend am Kaminfeuer muss sich derjenige einlassen, der seine Ferien auf dem platten Land der Provence verbringt, sondern auch darauf, dass es weit und breit keine der üblichen Zerstreuungen gibt, kein Kino, kein Theater, keine Disko. Auch ein Fernseher auf dem Zimmer ist eher die Ausnahme. Die Welt da draußen scheint vollständig entrückt. Wer Glück hat, den bekocht der Vermieter gelegentlich: Dann kommt Deftiges auf den Tisch des Hauses, wird Orangen-, Pfirsich- und Nusswein (Noix de la Saint Jean) oder Pastis der Region als Aperitif gereicht, kitzeln verschiedene Schafs- und Ziegenkäse, darunter der in Kastanienblättern gereifte Banon, den Gaumen, lässt man sich Lammeintopf mit Gemüse oder Salat mit grünem Spargel und dicken Bohnen schmecken.

Frankreich - Hochprovence - Ziegenkäse

In Aubenas les Alpes: Leckeren Banon-Ziegenkäse gibt es beim gemeinsamen Abendessen mit der Familie Pascal

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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