Mdina

Maltas (fast) stille Stadt

Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab

Maltas frühere Hauptstadt thront erhaben und still auf einem Hügel und gemahnt eher an ein Freilichtmuseum als eine alte Kapitale.

Malta - Mdina - altes Stadttor

Stünde an dem prächtigen Stadttor aus dem 17. Jahrhundert ein Kassenhäuschen, wären alle sicher, dass es sich bei Mdina um ein Freilichtmuseum mit völlig intakten historischen Gemäuern handele. Tatsächlich jedoch ist Maltas ehemalige Hauptstadt die Heimat von knapp 250 Einwohnern. Waren es in früheren Zeiten die Römer, Araber oder Briten, die in nicht ganz friedlicher Absicht hierher kamen, so sind es heute Heerscharen von Touristen, die hier einfallen. Doch mit Einbruch der Dämmerung verfällt das Städtchen allabendlich wieder in eine Art Dornröschenschlaf. Die engen, gepflasterten Gassen sind dann völlig menschenleer. Nur hinter einigen Häusermauern dringt aus den komplett von meterhohen Wänden umgebenen Gärten das Gemurmel der Anwohner. Vielleicht ist es auch ein lautstarkes Durchatmen, weil nun bis zum nächsten Morgen Ruhe herrscht, ehe von zehn bis etwa 18 Uhr wieder die touristischen Besatzer die Stadt okkupieren.

Malta - Mdina - enge leere Gasse

Die einstige Kapitale thront malerisch in einer weiten Ebene auf einem 185 Meter hohen Ausläufer des Dingli-Plateaus, dessen Hänge steil aus der Landschaft aufragen. Überragt wird die von einer Stadtmauer umgebene, mittelalterliche Kulisse von den Türmen der weithin sichtbaren St. Pauls Kathedrale. Das äußerlich eher schlichte Gotteshaus war 1693 bei einem Erdbeben zerstört worden, wurde dann aber zwischen 1697 und 1702 nach Plänen des berühmter Kirchenbauers Lorenzo Gafà wieder aufgebaut. Die Decken des dreischiffigen Innenraums zieren Malereien mit Szenen aus dem Leben der Apostel Petrus und Paulus, während in die Böden wertvolle Marmorgrabplatten eingelassen sind.

Gegenüber der Kirche befindet sich das Kathedralmuseum, dessen größten Schatz neben Funden aus der Römerzeit eine Sammlung von Kupferstichen und Holzschnitten Albrecht Dürers bildet. Auf dem Platz vor der Kathedrale stehen neben ausrangierten Kanonen eine Handvoll Autos, die ausnahmslos den Bewohnern Mdinas gehören. Denn nur ihnen ist es gestattet, die Stadt zu befahren.

In der drangvollen Enge der verwinkelten Straßen sind immer wieder Ahs und Ohs der Besucher zu vernehmen, die sich der Faszination der uralten, überaus gepflegten Kalksteinhäuser nicht entziehen können. Der Wechsel von Licht und Schatten unter wolkenlosen Himmel trägt ein Übriges zu der besonderen Atmosphäre bei. Viele der 80, vielleicht 90 Häuser des Städtchens sind mit Stuck verziert. Schwere Holztüren mit dicken Metallschlössern und schmiedeeiserne Gitter vor Fenstern schützen die Privatsphäre der wenigen Einwohner.

Malta - Mdina - Malterser-Ritter

Dass sich in den Gärten und Innenhöfen der Häuser häufig Brunnen und Zitronenbäume finden, ist kein Zufall. Denn in längst vergangenen Tagen war Mdina immer wieder auch eine umkämpfte Stadt. Mal war es Römer oder Araber, dann wieder Piraten, die versuchten, hier einzufallen und reiche Beute zu machen. Die dicken Stadtmauern boten dabei einen verlässlichen Schutz. Um etwaigen Belagerungen trotzen zu können, wurden früh Trinkbrunnen angelegt und Zitronenbäume gegen Skorbut gepflanzt.

Malta - Mdina - perfekt restaurierte Fassaden und kleine Paläste

Die perfekt restaurierten Fassaden der Häuser und kleinen Paläste wie dem Palazzo Gatto Murina, dem Palazzo Falson oder dem Xara Palace, das heute das einzige Hotel der Stadt beherbergt, täuschen darüber hinweg, dass die Stadt Ende des 17. Jahrhundert durch ein Erdbeben weitgehend in Schutt und Asche gelegt wurde. Doch weder die Naturgewalt noch die Tatsache, dass Mdina den Status als Hauptstadt Maltas verlor, konnten der Pracht dieses charmanten Ortes etwas anhaben.

Malta - Mdina - Wappen des Großmeisters VilhenaNur ein Teil der historischen Stadtmauer am Bastion Square war nicht zusammengebrochen. Von hier lässt sich heute in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem beliebten Restaurant mit Terrasse halb Malta überblicken. Einziger Zugang zur Stadt ist nach wie vor das historische Stadttor mit dem Wappen des Großmeisters Vilhena.

Allabendlich um Mitternacht, wenn die wenigen Lokale geschlossen sind und sich keine Fremden mehr innerhalb der Stadtmauern befinden, wird der Durchlass bis in die Morgenstunden geschlossen. Dann kann Mdina für ein paar Stunden durch- und den Hauch der Geschichte einatmen. Dann wird die Cittá Notabile, die Erhabene, wie Mdina auch genannt wird, für ein paar Stunden wieder zur stillen Stadt.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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