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Expeditionen zu Indianern und Inuit Nordamerikas
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Expeditionen zu Indianern und Inuit Nordamerikas

Die Nordamerika-Dauerausstellung gehört mit ihren berühmten Sammlungen der„ Prärie- und Plains-Indianer“ zu den beliebtesten und meistbesuchten Abteilungen des Linden-Museums Stuttgart. Mehr als drei Jahre lang war sie wegen Sonderausstellungen und Umbauten geschlossen. Die neu konzipierte Nordamerika-Abteilung des Lindenmuseums gibt den Besuchern Einblicke in Kultur und Alltag nordamerikanischer Indianer und Inuit. Sie lädt zu einer Reise ins 19. Jahrhundert ein, in jene Zeiten, als europäische Reisende als Forscher, Händler, Künstler oder Missionare den Kontakt zu Indianerstämmen aufnahmen und deren Kulturzeugnisse zu sammeln begannen.


Hundetänzer Pehriska-Ruhpa, ein Hidatsa-Krieger.
Dargestellt ist Pehriska-Ruhpa mit den typischen Insignien des „Hunde“-Bundes: Hirschhufrassel, Fersenschmuck aus Wolfsfell, Signalpfeife aus dem Flügelknochen des Schwans und Kopfschmuck aus Raben- und Eulenfedern. Karl Bodmer, Kupferstich, 1839-1841

Wer an indigene Völker Nordamerikas denkt, dessen Bild ist von Karl May und vom Apachenhäuptling Winnetou, aber auch von den zahlreichen us-amerikanischen Western geprägt. Museen wie dem Lindenmuseum kommt daher die Aufgabe zu, dieses Bild zurecht zu rücken. Dabei werden in der aktuellen Ausstellung, nicht alle indigenen Völker Nordamerikas behandelt, ob nun Taos, Cree, Sioux oder Seminolen, sondern der Besucher begibt sich auf einen Lernpfad zu insgesamt sechs indigenen Völkern. Dabei erfährt man von der Gegenwart dieser Völker ebenso wie von deren Vergangenheit. Vor allem aber wird dem Besucher nicht verschwiegen, von wem die ausgestellten Objekte stammen und wer sie dem Lindenmuseum übereignete.

Vor dem Eintreffen der Weißen lebten in Nordamerika einige Millionen Indianer, heute noch etwa 2,5 Mio. Indianer und Inuit in den USA und knapp eine Mio. in Kanada. Uns begegnen die Ureinwohner Nordamerikas beim traditionellen Pow Wow, in der Kirche beim Gottesdienst, als Planierraupenfahrer, hoch zu Ross und im Büro.

Auf unserem Museumspfad erfahren wir dank aufgestellter „Wegzeichen“ von den Lebenswelten der verschiedenen Völker, von dramatischen Einschnitten in den Alltag der indigenen Völker in der Vergangenheit und von den Forschungsreisenden, die von den Indianern Nordamerikas fasziniert waren, ob nun Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied oder Karl Graf Heinrich von Linden, ganz zu schweigen von den frommen Männern der Herrenhuter Mission wie Friedrich Nestle, die sich der Inuit annahmen.


Bisonrobe von Mató Tópe, Mandan, 1833
Bisonhaut, Schmuckband mit gefärbten Vogelkielen bestickt, Fransen aus Pferdehaar, vereinzelt mit Glasperlen verziert.
Mató Tópe war in den 1830er Jahren der Anführer der Krieger im Mandan-Dorf Mih-tutta-hangkusch. Er bemalte die Bisonrobe eigenhändig mit seinen größten Heldentaten, die ihn als herausragenden Krieger zeigen.

Machen wir uns auf den „Pfad der Gegenwart“, der uns zum Beispiel zu den Mandan führt. Diese gehören zur Sioux-Sprachfamilie und sind in North Dakota heimisch. Ihre Lebensgrundlage wurde durch die Überflutung des oberen Missouri 1954 zerstört. Bereits ein Jahrhundert zuvor hatte die Begegnung mit den Weißen ein Massensterben bedeutet, als 1837 mehr als 10% der Mandan an Pocken erkrankten und starben. Doch neben diesen historischen Fakten vermittelt die Schau auch, wie diese vom Schicksal gebeutelten Ureinwohner lebten und von was sie sich ernährten. Mais, Bohnen, Sonnenblumen und Kürbisse wurden angebaut; Erdhäuser waren ursprünglich die üblichen Behausungen. Dass die Mandan, die sich als Nachfahren des „Ersten Schöpfers“ begreifen und heute im Fort Berthold Reservat ansässig sind, es verstanden sich zu kleiden, verrät der Blick auf ein Gabelbocklederhemd mit Flechtmustern aus Stachelschweinborsten. Handwerkliches Geschick und Sinn für Gestaltung verrät der Beutel aus Bisonföten, mit Stachelschweinborsten verziert und mit Pferdehaar gefasst. Dieser diente der Aufbewahrung von Gartenfrüchten, Mais und Tabak.


Hopi-Frau beim Kämmen der Haare ihres Mannes.
Foto: John K. Hillers, 1879, Bildarchiv Linden-Museum

Welche Rollen Mann und Frau zufielen, wird in der Schau auch thematisiert. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Frauen im Alltag: Sie waren Kunsthandwerkerinnen und Gärtnerinnen, vollendeten den Hausbau, an dem sich die Männer nur mit dem Aufstellen der Pfosten beteiligten. Den Männern hingegen oblag das Jagen und die Kriegsführung. Heute geht Stammesmitglied der Mandan mehr auf den Kriegspfad, sondern lebt von den Einkünfte aus dem Four Bears Casino Hotel.


Stirnrosette als Pferdeschmuck
Crow, um 1880, Bisonrohhaut mit Glasperlenstickerei und Pferdehaardekor, Teil der Ausstattung eines Crow-Paradepferdes

Während die Mandan sesshaft waren und Gartenackerbau betrieben, waren die Crow unstet und zogen mit ihren Pferden umher. Die „Leidenschaft“ für Pferde entwickelten die Crow aus der Not heraus. Durch die Vernichtung der großen Bisonherden hatte sie ihre Jagderträge verloren und versuchten nun mit Pferdezucht und –handel ein Auskommen zu finden. Dass ihnen auch dies unmöglich gemacht werden sollte, belegt ein Blick in die Geschichte: 1923 mussten die Crow 40000 Tiere auf Geheiß weißer Viehzüchter töten, die um ihre Weidegründe fürchteten. Ungeachtet dessen ist bis heute die Liebe der Crow zu den Pferden geblieben. Besonders beliebt sind bei ihnen Rodeos und Pferderennen. Und noch einer anderen „Leidenschaft“ frönen die Crow: Es ist die Perlenstickerei, die sie mit großem Geschick betreiben, ob nun als Verzierung von Frauengürteln oder Nabelschnurbehältern, in denen die getrocknete Nabelschnur aufbewahrt wird. Selbst der Halfter und das Brustzeug von Paradepferden wurden mit dunkelblauen, gelben, grünen und roten Perlen geschmückt. Dabei entwickelten sich unterschiedliche Techniken der Stickerei wie der Gassen- und der Overlay-Stich, die für die verschiedensten Mustern genutzt wurden.


Skalptanz: Im Skalptanz rühmten Schwestern die Heldentaten ihrer Brüder, die ihre Kriegsbeute, auch einen Skalp, in das Haus der Mutter brachten. Frauen mit quer stehenden Federn zeigen die Mitgliedschaft im „ Feinde“-Bund an, der heimkehrende Krieger mit Tänzen und Gesängen feierte. Karl Bodmer, Kupferstich, 1839-1841

In eisige Regionen entführt uns der Museumsbesuch auch. Nachdem wir zuvor zu den Hopi nach Arizona und zu den Hupa in Nordkalifornien „gereist“ sind, erreichen wir den Norden Nordamerikas. Dort leben die Labrador-Inuit, denen heute das Labrador Inuit Settlement Area am Labrador-See gehört. Auch ihnen hat die Begegnung mit dem weißen Mann überwiegend Schaden zugefügt, starb doch 1919 ein Drittel der Bevölkerung an Spanischer Grippe. Die „Segnungen“ der Herrenhuter Missionare veränderten die traditionellen Lebensformen der Indigenen. Religiöse Unterweisung durch die Missionare paarte sich mit wirtschaftlicher Ausbeutung, da sich die Herren aus Europa bis 1926 das Handelsmonopol für Felle sicherten. Gewiss, die frommen Männer unterwiesen die Inuit im Lesen, Rechnen und Schreiben, doch vorrangig ging es um die Vermittlung biblischer Geschichten. Der Einfluss der Herrenhuter verlor sich aber, als die Hudson’s Bay Company Mitte der 1920er Jahre den Handel in die Hände bekam und eingeführter Tabak, Mehl und Stoffe gegen Felle, Trockenfisch, Tran und Elfenbeinschnitzereien getauscht wurden.


Teekanne und Tassen, Labrador-Inuit, Ende 19. Jahrhundert
Teekanne aus Robbenleder mit applizierter Zick-Zack-Linie
Tassen aus Robbenleder, teilweise bemalt.

Nach wie vor bestimmen die Jahreszeiten, vor allem der eisige Winter, den Alltag der Inuit, deren ursprüngliche feste Behausungen aus Holz, Walknochen und Grassoden bestehen. Nur auf der Jagd werden Iglus errichtet, die als temporäre Unterkunft dienen. Gejagt werden Robben und Walrosse. Warme Kleidung aus Fellen, ob von Robben, Vielfraß oder Eisfuchs, ist bis heute nicht ungewöhnlich, wenn auch zunehmend moderne Textilien getragen werden. Tassen und Teekannen werden aus Robbenleder gefertigt – einige dieser Gebrauchsgegenständen sind ausgestellt. Ungläubig betrachtet man Tassen und Teekanne und möchte gerne mal ausprobieren, ob sie lecken oder ob man den Tee tatsächlich aus Ledertassen trinken kann. Doch dies bleibt nur ein Wunsch des Besuchers.

text: ferdinand dupuis-panther fotos/copyrights: lindenmuseum

Linden-Museum Stuttgart
Staatliches Museum für Völkerkunde
https://www.lindenmuseum.de/

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