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Buchtipps

Alle Texte: ferdinand dupuis-panther

Heinrich M. Davringhausen: Vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit, hg. Verein August Macke Haus e. V., 112 Seiten mit 71 farbigen und 46 s/w Abb., Köln 2013, ISBN 978-3-86832-149-4, Preis: EUR 29,80 (SFr 38,90)

Public Art Ruhr - Die Metropole Ruhr und die Kunst im öffentlichen Raum, Hg. Walter Smerling und Ferdinand Ullrich i. A. der RuhrKunstMuseen, 232 Seiten mit 102 farbigen Abb., Köln 2013, ISBN 978-3-86832-134-0, Preis: EUR 29,80 (SFr 38,90)

Das Auge der Welt - Otto Dix und die Neue Sachlichkeit, Hrsg. Kunstmuseum Stuttgart in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Mittlere u. Neuere Kunstgeschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Vorwort von Ulrike Groos, Nils Büttner, Texte von Julia Bulk, Nils Büttner, James van Dyke, Olaf Peters, Birgit Schwarz, Daniel Spanke, Änne Söll, Ilka Voermann, Gestaltung von stapelberg&fritz mit Barbara Stehle, 256 Seiten, 165 Abb., Ostfildern 2012, ISBN 978-3-7757-3439-4, Preis: 39,80 €

Michael Peppiatt: In Giacomettis Atelier, 208 Seiten mit 92 Duplex- und Schwarz-Weiß-Abbildungen, Berlin/München 2012, ISBN: 978-3-422-07181-0, Preis 48,00 € (D)

Gerhard-Marcks-Haus (Hrsg.): Eveline van Duyl: … es darf gedacht werden, 72 Seiten, zahlreiche farbige Abb., Bremen 2013, ISBN 978-3-924412-76-0

Klaus Kösters (Hg.): Anpassung | Überleben | Widerstand - Künstler im Nationalsozialismus, 272 Seiten, mit Abbildungen, Klappenbroschur, 21 x 25 cm, Münster 2012, ISBN 978-3-402-12924-1, Preis 19,80 EUR

Axel Hinrich Murken: Phantastische Welten vom Surrealismus zum Neosymbolismus; drei Malergenerationen des 20. Jahrhunderts, 126 Seiten mit überwiegend farbigen Abb., Herzogenrath 2009, ISBN 978-3-926538-72-7, Preis 14 Euro

Paul Klee: Die Engel, Hrsg. Zentrum Paul Klee, Bern, Texte von Michael Baumgartner, Jürg Halter, Christine Hopfengart, Osama Okuda, Reto Sorg, Konrad Tobler, Gregor Wedekind, Gestaltung von Johannes Sternstein, Maren Witthoeft, Ostfildern 2012, 152 Seiten, 138 Abb., ISBN 978-3-7757-3418-9, Preis 29,80 €

• Claus Deimel (Hg.), Chistine Seige (Hg.): Minkisi - Skulpturen vom unteren Kongo, 234 S., mit 168 meist farbigen Abbildungen, Berlin/München 2012, ISBN: 978-3-422-07169-8, Preis 29,80 € (D)

Mythos Atelier: Von Spitzweg bis Picasso, von Giacometti bis Nauman, Hrsg. Staatsgalerie Stuttgart und Ina Conzen mit Beiträgen von Julia Behrens, Ina Conzen, Uwe Fleckner, Michael Glasmeier, Anna Himmelsbach, Eberhard W. Kornfeld, Brigitte Léal, Dagmar Schmengler, Barbara Six, Hanna Strzoda, Véronique Wiesinger, 280 Seiten, 235 Abbildungen in Farbe, München, 2012, ISBN: 978-3-7774-5871-7, Preis 45,00 € [D] | 59,90 SFR [CH]

Heinrich Kley: (1863 - 1945) Meister der Zeichenfeder im Kontext seiner Zeit; [anlässlich der Ausstellung Heinrich Kley (1863 - 1945). Meister der Zeichenfeder im Kontext seiner Zeit, Alexander Kunkel, Hrsg. von Michael Buhrs. Villa Stuck, 127 S., überw. Ill.; 27 cm kart., ISBN978-3-923244-27-0, € 19.50

• Walter Grasskamp Gespräche mit Ben Willikens, von Walter Grasskamp, Gestaltung von Gabriele Sabolewski, Hatje Cantz Verlag 2011, 216 Seiten, 114 Abb., davon 52 farbig, ISBN 978-3-7757-2829-4, Preis 29,80 €

• Isabel Schulz (Hg.): Anna Blume und ich Zeichnungen von Kurt Schwitters, Hatje Cantz Stuttgart 2011, 111 Seiten, zahlreiche Abb., ISBN 978-3-7757-2753-2

• Uwe Fleckner (Hg.): Kunst in der Stadt Hamburg - 40 Werke im öffentlichen Raum, 192 Seiten, 90 farbige Abb., ISBN 13: 978-3-89479-370-8

Karin Schick /Karsten Müller: Walter Gramatté (1897-1929), Verlag Dumont Köln 2008, ISBN 978-3-8321-9131-3, 175 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen

Deutsches Hygiene-Museum Dresden (hg.): Mythos Dresden – eine kulturhistorische Revue, Böhlau-Verlag Köln, Weimar, Wien 2006, ISBN 3-412-34005-7


• Ernst-Barlach-Haus (Hg.): Franz Radziwill: Vom Expressionismus zum Magischen Realismus, Wienand-Verlag Köln, 2006, ISBN 3-87909-889-1

• Landesmuseum für Natur und Mensch (Hg,): Saladin und die Kreuzfahrer - Ausstellungsführer, Oldenburg 2006, ISBN 3-89995-285-5


• Karen Ermete: Balduin und das rätselhafte Erbe, Oldenburg 2006, ISBN 3-89995-287-1

Stephan Berg et al. (Hg.): Jonathan Monk: Yesterday Today Tomorrow etc. revolver-verlag, Frankfurt a/M. 2006 ISBN 3-86588-233-1

Ernst-Barlach-Haus (Hg): Der Zauber des Banalen - Christian Rohlfs: Die frühen Landschaften

Heinz Spielmann/Alice Strobl: Oskar Kokoschka – Erlebnis des Augen-Blicks – Aquarelle und Zeichnungen

Rainer Stamm (Hg.): Ewald Mataré und das Haus Atlantis, Bremen 2005

Stadt Karlsruhe – Städtische Galerie (Hg.): Die 20er Jahre in Karlsruhe, Künzelsau 2005

• Die Brücke - Die Geburt des deutschen Expressionismus (Hirmer, München)

Otto Dix: Hommage à Martha (Hatje Cantz, Ostfildern)

Max Bill (Hatje Cantz, Ostfildern)

Exil und Moderne (Edition Braus, Wachter-Verlag; Bönningheim)

Henry Moore: Epoche und Echo - Englische Bildhauerei im 20. Jahrhundert (Swiridoff, Schwäbisch-Hall)

Willi Baumeister: Figuren und Zeichen (Hatje Cantz, Ostfildern)

Picasso: Badende (Hatje Cantz Ostfilden)

Franz Marc (Prestel, München)

Ernst Schwitters (Hatje Cantz, Ostfildern)

Niki & Jean - L'Art et l'Amour (Prestel, München)

Manfred Lehmbruck: Architektur um 1960 (Spurbuchverlag, Baunach)

Lehmbruck, Rodin und Maillol (Wienand, Köln)

Wilhelm Lehmbruck: Das plastische und malerische Werk, Gedichte und Gedanken (Wienand, Köln)

Die obere Hälfte - Die Büste seit Auguste Rodin (Edition Braus, Wachter-Verlag; Bönningheim)

Gegen die Zeit gezeichnet - Blumen und andere Stillleben von Horst Janssen (Isensee-Verlag Oldenburg)

• Karl Schmidt-Rottluff: Die Berliner Jahre 1946-1976 (Hirmer-Verlag München)


• Péter Nádas: Seelenverwandt – Ungarische Fotografen 1914 – 2004 (Nicolai-Verlag Berlin)


• Ewald Gäßler (Hg.): 100 Jahre Willi Oltmanns – 100 Werke: Gemälde und Aquarelle (Isensee-Verlag, Oldenburg)

Robert Longo: Kaiserringpreisträger 2005 (Mönchehaus-Museum Goslar) (Isensee-Verlag Oldenburg)

• Sebastian Giesen (Hg.): Zauber des Banalen – Christian Rohlfs. Die frühen Landschaften (Eigenverlag des Ernst Barlach Hauses, Hamburg)

• Kunsthalle Hamburg (hg.): Die Schlumper – Kunst in Hamburg ( Verlag H.M. Hauschild GmbH, Bremen)

Helga Gutbrod (Hg.): In den stärksten Farben höchst unakademisch und ganz modern – Adolf Hölzel, Hermann Stenner und der Hölzel-Kreis (Vier-Türme Gmbh; Benedict Press, Münsterschwarzach Abtei)

• Pakesch et al. (Hg.): Michel Majerus installation 92-02 (Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln)

Kunsthalle Würth (Hg.): Fernando Botero (Swiridoff Verlag, Künzelsau)

neues museum (Hg.): Tony Cragg familiae, Verlag für moderne Kunst Nürnberg 2005, ISBN 3-936711-87-9

Berliner Volksbank e.G. (Hg.): Berlin im Bild – Malerei seit 1945, Berlin, S.66

Heinrich M. Davringhausen:
Vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit

Vorgestellt wird ein rheinischer Expressionist, der in seinem Spätwerk surreal-abstrakt arbeitete. Doch dieser Aspekt wird angesichts der Betrachtung des Frühwerks und des Wandels zur neusachlichen Malerei Davringhausens in dieser Publikation außer acht gelassen. Gesa Bartholomeyczik zeigt die Biografie des Künstlers auf, der im Frühsommer 1912 vor dem Eintritt in die Düsseldorfer Akademie als 17-Jähriger in den Bann der auf Sonderbundausstellung gezeigten modernen Kunst gezogen wurde. In welcher Weise sich die Faszination für den Expressionismus im Werk Davringhausens niedergeschlagen hat, sieht man zum Beispiel in dem Ölgemälde „Landschaft mit Bäumen“ (1912). In Bezug auf zahlreiche angeführte Werke stellt die Autorin heraus, dass es eine explizite Verbindungslinie zu Arbeiten van Goghs gibt, der auf der oben genannten Schau mit Gemälden präsent war. Auch Ferdinand Hodler scheint den Künstler beeinflusst zu haben, so Bartholomeyczik bezüglich des Werks „Die Sehnsucht“. Davringhausen entdeckte für sich aber auch die skizzenhaften, teilweise offenen Farbflächen als kompositorisches Mittel. Matisse, Derain und de Friesz nennt die Autorin diesbezüglich als Bezugsgrößen für den noch am Anfang seiner Karriere stehenden Davringhausen. Die Reise nach Ascona gemeinsam mit Carlo Mense war sicherlich auch ein Meilenstein in der Laufbahn des Künstlers. Ähnliches gilt für den Ausbruch des I. Weltkriegs, den der Künstler in „Der Krieg“ zu verarbeiten sucht. Die Berliner Jahre von 1915 bis 1918 blättert die Autorin ebenso vor dem Leser auf wie die Zeit, als sich Davringhausen mit kubistisch-futuristischer Formensprache befasste. In diese Jahre fällt auch die Begegnung mit Georg Grosz und Wieland Herzfelde, deren Biografien in grau unterlegten Marginalspalten skizziert werden. Schließlich wird auch der Übergang zur neusachlichen Malerei behandelt, wie er sich in dem Porträt eines Schiebers zeigt. Eisenbahn-, Industrie- und Stadtmotive findet man im Werk Davringhausens sehr häufig, sodass eine Beschäftigung mit diesen Motiven nahe lag. Joachim Heusinger von Waldegg untersucht in seinem Beitrag sehr akribisch Davringhausens Gespür für das Neue und das Neusachliche. Und auch dieser Autor zieht einen Vergleich z. B. zwischen van Goghs „Eisenbahnbrücke“ und Motiven von Davringhausen. Das meint in diesem Falle auch den Malduktus mit linearer Pinselführung und tiefenräumlich wirkenden Pinselstrichen. Typisch für den Künstler, so der Autor des Beitrags, ist die Reduktion industrieller Bauwerke auf kürzelhafte Zeichen. Andeutungen reichen aus, Details wirken störend. Anhand einiger Werkbeispiele erläutert von Waldegg, was er meint, so auch anhand von „Fabrikanlage in Landschaft“, deren Hügel einen Rahmen für den Industriekomplex bilden. Die Umformung der Natur durch den Menschen findet Davringhausen in der Vorstadt, die er mehrfach in Bildwerken verewigte. Mit der Freundschaft zwischen Mense und Davringhausen setzt sich Klara Drenker Nagels auseinander, während Bartholomeyczik sich zum Abschluss des Begleitbandes mit dem Selbstbildnis und Porträt bei Davringhausen beschäftigt. Verständlich geschrieben sind die Texte alle. Zudem beziehen sie sich auch immer auf Werkbeispiele, die zwischen den Fließtext gesetzt wurden, sodass ein umständliches Blättern zwischen Essays und eigentlichem Katalogteil mit Abbildungen entfällt. © fdp

Public Art Ruhr

Was verbindet Bottrop, Duisburg, Gelsenkirchen, Recklinghausen, Herne, Dortmund, Bochum und Essen miteinander? Ja, alle diese Städte liegen im Ruhrgebiet. Doch es verbindet sie auch die Kunst im öffentlichen Raum, die im vorliegenden „Reiseführer“ vorgestellt wird. Doch ein klassischer Reiseführer liegt mit der aktuellen Veröffentlichung nicht vor. Zu unhandlich ist das Format, als dass man sich mit dem Buch auf die Spurensuche begeben könnte. Doch Appetit macht das Buch schon. Von Robert Adams bis Günther Zins reicht die Namensliste der Künstler, die mit ihren Arbeiten vorgestellt werden. Hans Arp mit seiner organisch-abstrakten Kunst ist Teil des Skulpturenmuseums Glaskasten in Marl. Vor dem Saalbau in Witten stehen Stahlstelen und rot gefärbte „Bandauslagerungen“ aus Beton, die sich Gerlinde Beck ausgedacht hat. Einen Bunker auf dem Gelände des Cranger Kirmes hat Helmut Bettenhausen mit einem Eisenkreuz und einem Eisenhalbmond versehen, Hinweis auf die Migration, die das Ruhrgebiet damals wie heute prägt; damals, als die Polen kamen, dann als Türken und Kurden für Stahlproduktion und Kohleförderung gebraucht wurden. Max Bill, ein Schüler des Bauhauses, schuf seine „Unendliche Schleife“, die nunmehr eine Grünanlage in der Hohenzollernstraße in Essen ergänzt. Schwergewichtig ist die „Gespaltene Erde“, die vor dem Hammer Oberlandesgericht steht und ein Werk von Paul Dierkes ist. Wo, so fragt sich der Betrachter der von Bogomir Ecker gestalteten Arbeit „Reemrenreh (kaum Gesang)", ist bloß der Sockel? Wahrscheinlich unter der Wasseroberfläche, bespielt die turmähnliche Skulptur doch die Schleuse Herne. Auf dem Alten Marler Friedhof werden Besucher mit vier Gerüsten mit Fallbeilen konfrontiert – eine Idee des Autodidakten Ian Hamilton Finlay. Eine weithin sichtbare Landmarke markiert den Zusammenfluss von Ruhr und Rhein. Bei Hochwasser versinkt sie scheinbar in den Fluten der Flüsse, doch sonst strahlt sie in grellem Orange – dank sei Lutz Fritsch. Dass auch ein Kugelgasbehälter künstlerisch veredelt werden kann, zeigt uns Rolf Glasmeier, während Friedrich Gänsel mit seiner Edelstahlskulptur „Hannover Tor“ an die geschlossene Zeche Hannover (Bochum) erinnert, doch nicht in Bochum, sondern auf dem Essener Moltkeplatz. Hajek und Haring findet man mit ihrer Kunst im Ruhrgebiet, dazu noch Donald Judd vor dem Josef-Albers-Museum in Bottrop. Architektur-Torsi vereinte Dani Karavan am alten Duisburger Hafen zu einer Archiskulptur im Grünen. Nachts funkelt in Neonblau die Fibonacci-Reihe vom Turm der alten Lindenbrauerei in Unna, Nachlass des Arte-Povera-Künstlers Mario Maerz. Ein Riese namens Herkules thront oben auf dem alten Förderturm der Zeche Nordstern und schaut hinab auf das ehemalige Gartenschaugelände. Was er, den Markus Lüpertz konzipierte, wohl sieht? Was von Weiten wie eine tiefblaue Stele erscheint und in Hagen vor dem Sparkassen-Karree steht, ist, wie man beim Nähertreten feststellen kann, eine von Heinz Mack entworfene Brunnenanlage.

Der Überblick über die Kunst im öffentlichen Raum links und rechts der Ruhr ist in der vorliegenden Publikation gelungen. Nun darf man gespannt sein, ob es eine Fortsetzung geben wird, bei der einzelne Skulpturenparks wie der Kant-Park in Duisburg oder die Parkanlage Haus Weitmar in Bochum mit allen dort vorhandenen Skulpturen vorgestellt werden. © fdp

Das Auge der Welt - Otto Dix und die Neue Sachlichkeit

Auch unabhängig von der im Kunstmuseum Stuttgart präsentierten Schau ist der vorliegende Begleitband zu „Das Auge der Welt“ als wesentlicher Beitrag zur Debatte um neusachliche Kunst anzusehen. Insbesondere die zahlreichen Essays zum Thema, auch zu den Karrieren von Dix und Schad, erschließen eine „Kunstströmung“, die nach dem I. Weltkrieg von Bedeutung war, jedoch nie – auch nicht während des III. Reichs – verschwand. Daniel Spanke räumt dabei in seinem Beitrag mit der Legende auf, Otto Dix habe den Begriff Neue Sachlichkeit erfunden. Das ist umso erstaunlicher, als der Autor Dix mit folgenden Worten zitiert: „...Wir wollen die Dinge ganz nackt, klar sehen, beinahe ohne Kunst. Die Neue Sachlichkeit, das habe ich erfunden.“ Otto Dix wird zwar als zentrale Persönlichkeit der Neuen Sachlichkeit angesehen, so Spanke, doch der Begriff eines Stilphänomens der 1920er und folgenden Jahrzehnte entstammt der Feder von Kunsthistorikern. Diese unterscheiden dabei zwischen linken und rechten Positionen, zwischen Verismus und Neuem Naturalismus, wie Gustav Friedrich Hartlaub formulierte, der in Olaf Peters Beitrag zur Ästhetik der Neuen Sachlichkeit ausgiebig gewürdigt wird. Im Übrigen verweist der Autor darauf, dass sich der Begriff „Neue Sachlichkeit“ erst nach der 1925 in der Kunsthalle Mannheim präsentierten Ausstellung durchgesetzt hat.

Peters und Spanke stellen jeder auf seine Weise ganz besonders heraus, dass Dix aus den eigenen Kriegserlebnissen heraus die ganze Härte des Stellungskrieges als „neue Wirklichkeit“ präsentiert. Dix kennt keine Helden, sondern nur Opfer, auch wenn er anfänglich selbst aus der Kriegseuphorie heraus freiwillig an die Front ging. In seinen Selbstbildnissen als Kriegsgott Mars und als martialisch wirkender Soldat spiegelt sich Dix' frühe Einstellung zum Krieg. Zurück von der Front sind es die Kriegskrüppel, die sich im Dixschen Schaffen finden lassen. Heldische Soldatenbilder finden sich nicht. Zu den kriegsversehrten Bettlern – siehe das Großstadttriptychon – gesellen sich aufreizend gekleidete Frauen, Prostituierte als Außenseiterinnen der Gesellschaft.

Besonders interessant ist Ilka Voermanns Artikel „Der Künstler als Zeuge – Otto Dix und Christian Schad“. Beide Künstler repräsentieren die jeweils „linke“ und „rechte Position“ der Neuen Sachlichkeit. Ihre Biografien könnten nicht unterschiedlicher sein. Dix, aus kleinen Verhältnissen stammend, und nur dank seiner Heirat mit Martha und als Akademieprofessor in Dresden aufgestiegen. Schad hingegen, von der eigenen Familie unterstützt, ein Leben als Bohemien führend. Dix drängte es zum Erfolg – Zitat „Entweder werde ich berühmt oder berüchtigt.“ Daher bevorzugte er die Kunstmetropolen als Lebensorte, während Schad mit dem Provinziellen zufrieden war. Dix malte das „soziale Elend“. Schad hingegen porträtierte angesehene Persönlichkeiten aus höheren Gesellschaftskreisen, so auch Pius IX., den damaligen Papst. Welch Gegensatz zu Dix' Porträt der Nackttänzerin Anita Berber, wahrhaft ein „Rotlichtmilieu“, betrachtet man den roten Hintergrund und das rote „Lackkleid“ der vom Tode gezeichneten Kokainsüchtigen, die Abend für Abend die Hüllen fallen ließ. Dix schuf ein soziales Sittengemälde der Weimarer Republik. Schad wagte sich mit „Triglion“ ein wenig ins Fahrwasser der Veristen, wenn auch die sexuelle Konnotation des Gemäldes eher versteckt ist: eine Feder auf dem Schoß der Dame und eine rankende Lilie im Hintergrund sind sexuelle Symbole und kennzeichnen eine Dame, die zu Salons einlud, wo sie schlüpfrige Geschichten zum Besten gab.

Neben den Huren waren es auch die Matrosen, die Dix vielfach malte. In ihnen sah er eine „Neue Männlichkeit“, wie Änne Söll in ihrem Essay bemerkt. Matrosen, immer potent und in jedem Hafen eine andere – diesem Klischee nahm sich Dix an, so in seinem Werk „Abschied“ von Hamburg, aber auch in „Exotischer Puff“. Bei Dix scheint es aber auch so, dass die Huren selbstbewusste Frauen sind und die Matrosen die eher schüchternen Männer, die von den Frauen dominiert werden. Das Stereotyp der ungezügelten männlichen Lust und Potenz versetzt Dix also mit der Vision einer weiblichen Sexualität fernab der Opferrolle.

Bis heute ist augenscheinlich das Thema „Krieg“ und Neue Sachlichkeit bei Dix von solcher Bedeutung, das im vorliegenden Ausstellungsbegleitband Nils Büttner einen mit „Vom Schützengraben in die Neue Sachlichkeit“ betitelten Beitrag veröffentlichte. Dabei stellt der Autor heraus, dass das heute verschollene Gemälde „Schützengraben“ aus der Erinnerung entstanden ist. Ausgiebige Anatomiestudien und Studien in der Kapuzinergruft von Palermo erlaubten es Dix, einen schonungslosen Realismus alla prima auf die Leinwand zu bannen. Angefeindet wurde diese Arbeit schon früh, dazu bedurfte es der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ nicht, in der Dix mit „Kriegskrüppel“ vertreten war. Das ist umso verwunderlicher, als der Erste Weltkrieg vielfach in Fotos dokumentiert wurde, die allerdings je nach Präsentation der Aufnahmen mal als Mahnung zum Frieden, mal als Hymne auf die soldatische Tapferkeit zu verstehen sind. Der ausführliche Essayteil der Veröffentlichung endet mit der Untersuchung der Rezeption der Neuen Sachlichkeit in den 1960er und 1970er Jahren.

Der Katalogteil ist thematisch strukturiert, so wie auch die Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart gegliedert war. Begonnen wird mit der Frage „Was ist Neue Sachlichkeit“ und dem Dix-Zitat „Es gilt die Dinge zu sehen, wie sie sind.“ und endet mit dem Thema „Neue Sachlichkeit nach 1933“. Die Familienporträts von Dix – so „Selbstbildnis mit Jan“ - sind ebenso abgebildet wie Dix' Bildnis des Schauspielers Heinrich George. Neben dem Dix-Gemälde „Grabenkrieg“ findet man Radziwills „Stahlhelm im Niemandsland“ unter den Abbildungen. Dazu gesellt sich das Dix-Zitat: „Der Krieg war eine scheußliche Sache, aber trotzdem etwas Gewaltiges.“ Die Schattenseiten der angeblich so goldenen 20-er Jahre spiegeln sich in „Salon I“ und „Drei Weiber“ von Dix, aber auch im Triptychon „Großstadt“, Meisterwerke von Dix im Bestand des Kunstmuseums und daher auch bei anderer Gelegenheit im Museum zu sehen. Und wenn man sie denn nicht vor Ort im Original sehen kann, dann bleibt ja der hervorragend gemachte Begleitband zum Blättern im Opus der Neuen Sachlichkeit. © fdp

Michael Peppiatt: In Giacomettis Atelier

Was den beiden Hamburger Ausstellungen nur unzureichend gelang, Giacomettis Alltag und seine Arbeit im Atelier einzufangen, das gelingt der vorliegenden Publikation. Auch wenn der Autor zwar ein von Francis Bacon formuliertes Empfehlungsschreiben für eine Begegnung mit Giacometti einst in den Händen hielt, erfüllte sich die Begegnung in Paris nicht. Dabei gesteht der Autor im Vorwort sogleich, dass Giacometti wie kein anderer Künstler jener Zeit einen besonderen Nimbus besaß. Peppiatt faszinierte der unbekannte, anonyme Giacometti, der Menschen berührte, die durch seine Ausstellungen gingen, ebenso wie der Giacometti des Kunstmarkts, auf dem für eine in einem schäbigen Schuppen geschaffene Skulptur mehr als 104 Mio. Dollar erzielt wurde.

Peppiatt macht sich in der vorliegenden Veröffentlichung daran, das Atelier Giacomettis als Archiv, Bühne und Schauplatz moderner Kunst zu erkunden. Dabei beschreibt er auch, wie aus Diego und Annette als Modelle Männer und Frauen wurden, überlängt, ausgezehrt, eigentlich ohne Volumina. Warum die „Reise zu Giacometti“ überhaupt stattfand, enthüllt Peppiatt in seinen einleitenden autobiografischen Erinnerungen, die er vor uns ausbreitet. Bekanntschaften zu Freud, Hockney, Bacon und Kitaj spielten eine nicht unwesentliche Rolle. Giacometti und Bacon waren miteinander bekannt, trafen sich in Soho, unternahmen Kneipen- und Klubbesuche. Nach der Rückkehr aus London, so Peppiatt, resümierte Giacometti: "Wenn ich in London bin, fühle ich mich homosexuell.“ Doch schwul war Giacometti keineswegs, eher auf den schnellen Sex mit käuflichen Damen bedacht. Unzählig waren seine Affären, auch nachdem er Annette geheiratet hatte. Huren, und darauf geht der Autor auch nachdrücklich ein, waren stets Giacomettis Begleiterinnen.

Peppiatt schaffte es zwar bis zur Tür von Giacomettis Atelier, aber über die Schwelle trat er nicht. Peppiatt, ein törichter junger Mann, wie er sich in seinen Erinnerungen beschreibt, ließ sich die Gelegenheit einer Begegnung entgehen. Doch Autoren, die das Werk des aus der Schweiz stammenden, schlecht Französisch sprechenden Künstlers interpretierten, lernte Peppiatt sehr wohl kennen, so Michel Leiris und Jacques Dupin, beide sicherlich eine wichtige Quelle für die Annäherung an Giacometti. Einen Giacometti lernte Peppiatt doch noch kennen, Albertos Bruder Diego, den er in dessen Werkstatt in der Rue du Moulin-Vent inmitten von geschwärzten Schmiedeeisen traf. Diego war mit einem Arbeitsoverall und italienischem Filzhut bekleidet und wühlte in einem Haufen winziger Tierformen, so die Erinnerung des Autors.

Sehr detailgenau beschreibt Peppiatt die Lebensumstände von Diego und Alberto sowie Annette, schreibt vom düsteren und trostlosen Quartier, in dem sie lebten, von dem Gipsstaub und Dreck sowie dem undichten Dach, vom Mangel an Koch- und Waschmöglichkeiten im Atelier. Annette schien dies zu ertragen, auch das stundenlange Modellsitzen für den Geliebten. Doch diesen musste sie teilen, auch mit der „Männerfresserin“ Isabel, die sexuell unersättlich war und selbst vor dem schwulen Bacon nicht haltmachte. Beschrieben wird aber nicht nur das libertäre Leben von Künstlern in Paris, sondern auch, dass Giacometti ein ständig Suchender war. Nie schien er zufrieden zu sein. Regelmäßig zerstörte er seine Sachen, schabte Gemälde ab, zerknüllte Zeichnungen und begann dann von vorne. Reichtum bedeutete für Giacometti nichts. Hatte er Geld, gab er es in den Freudenhäusern der Stadt aus. Ein luxuriöses Leben, wie Picasso es führte, war ihm fremd. Er vertiefte sich in seine Arbeit und schuf schreitende oder stocksteife Bronzegestalten wie die in Freiheit entlassenen Gerippe eines Friedhofs, wie Peppiatt es formuliert. Allein diese Erinnerungen des Autors aus seinen Pariser Jahren lassen den Künstler vor dem Auge des Lesers lebendig erscheinen, umso mehr, wenn Peppiatt sich mit dem Atelier des Künstlers vor dem Krieg beschäftigt. Dass es dort feucht und zumeist dunkel war, schien Alberto nicht zu stören, denn die Dunkelheit kannte er aus Kindertagen, war er doch in einem von Bergen umgebenen dunklen Tal aufgewachsen. Aus diesem Tal kommend, ließ sich Giacometti in Paris nieder, unvollkommen Französisch sprechend. Paris war nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieg die wohl unbestrittene Hauptstadt der Kunst, so der Autor der vorliegenden lesenswerten Publikation. Giacomettis Pariser Atelier war kein Salonatelier in einer grandiosen Wohnung, sondern eher eine Absteige. Armut statt Prunk war es, was Giacometti bevorzugte. Das unterstreichen auch die wenigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen in der von Peppiatt packend geschriebenen „Künstlerbiografie“, in der auch der Bruch zwischen Giacometti und den französischen Surrealisten thematisiert wird. Lesenswert, lesenswert, lesenswert ist die vorgelegte Veröffentlichung – ja, das muss man unterstreichen. Viel näher als beim Lesen des Buches kann man Giacometti auch nicht durch die beiden Hamburger Ausstellungen kommen, die eh nur temporärer Natur sind, während Peppiatts Abhandlung dauerhaft besteht. © fdp

Gerhard-Marcks-Haus (Hrsg.): Eveline van Duyl: … es darf gedacht werden

Jenseits der visuellen Präsentation der „Denkinseln“ von Evelyn van Duyl, die Porträtbüsten bekannter Philosophen ob Heidegger, Kant oder Maimonides auf Bügelbretter sockelt, setzt sich der Katalog in Essays und kurzen Statements mit dem Philosophieren und der Funktion der Philosophie auseinander. Zugleich aber, so Arie Hartog in seinem Vorwort, dient die Ausstellung moderner, zeitgenössischer Bildhauerei auch dazu, dass die Besucher über Ideenwelten, mithin über Philosophie, reden. Dazu überschreitet das Marcks-Haus die eigene Haustür und kooperiert mit dem Verein Kultur vor Ort in Bremen-Gröpelingen. Das ist auch der Versuch, aus dem Schatten eines Minderheitenangebots herauszutreten und Menschen mit Hochkultur zu konfrontieren, die sonst museumsabstinent sind. Neben den klassischen Essays zum Werkkomplex von van Duyl finden sich aber auch Antworten zur Frage „Was bieten uns die alten Philosophen heute?“ Stellung dazu nehmen u. a. der Vater der Künstlerin, René van der Vlist, ehemaliger Professor an der Uni Leiden, Gerhard de Kleijn, Direktor des Museums Gouda, die Buchhändlerin Doris Wiechert und Christian Weber, Präsident der Bremischen Bürgerschaft. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft der Hansestadt Bremen, Eva Quante-Brandt, äußert sich zur Frage wie folgt: „Herrlich! Knallbunte Philosophenköpfe auf Bügelbrettern. Fragen, meint die Künstlerin Eveline van Duyl, ist wie Bügeln - man muss es immer wieder tun!“

Mit der Tradition der Porträts berühmter Persönlichkeiten der Zeitgeschichte – vor allem in Bronze und Marmor ausgeführt – befasst sich Arie Hartog in seinem Beitrag dahingehend, dass er van Duyls Philosophenporträts historisch einordnet und zudem darauf verweist, dass sich van Duyls Philosophen als Gesprächsstoff und nicht wie traditionell üblich als Vorbilder präsentieren. Einen besonderen Fokus setzt Hartog auf Belle van Zuylen, eine eher unbekannte Autorin und Philosophin, die man bei van Duyl in der Phalanx der männlichen Philosophen findet. Auch Hartog formuliert bezüglich der gezeigten Kopfbüsten ähnlich wie Qante-Brandt: „Wer sich für Bildhauerei und/oder Philosophie interessiert, findet … in diesen bunten Büsten einen visuellen Anlass zum Denken, Reden, Schmunzeln und Wahrnehmen. Das vielseitige visuelle Angebot bedeutet aber auch, dass die Wahrnehmung von diesen Figuren kein hermetisch abgeschlossenes System ist, das nur einem exklusiven gebildeten Publikum zugänglich ist.“ Schließlich wird das Denken selbst in den Mittelpunkt einer Betrachtung gerückt, die Yvette Deseyve über die Arbeiten van Duyls anstellt. © fdp

Klaus Kösters (Hg.): Anpassung | Überleben | Widerstand - Künstler im Nationalsozialismus

Der Herausgeber dieser Veröffentlichung zu einer nahezu vergessenen Generation westfälischer Maler stellt uns in seinem einleitenden Beitrag die einzelnen Künstler und ihre Lebenswege vor. Dabei setzt er sich auch mit der Vorstellung auseinander, dass der Expressionismus ein Aufbruch in der Krise und ein Aufbruch aus der Mitte des konservativen, wilhelmischen Deutschlands war und welchen Einfluss der Expressionismus auf die Künstler Westfalens hatte. Dass mancher dieser Künstler wie der Grafiker Walter Steinecke den Schritt aus der "Kriegsgemeinschaft" zur nationalsozialistischen Karriere vollzog, verdeutlicht Kösters in seinen Ausführungen ebenso wie die Tatsache, dass die in Farbexplosionen versinkende Moderne die Kunst einer Minderheit war, während sich die Mehrheit der bildenden Künstler in Besinnung auf den Begriff der Heimat in nostalgischer Verherrlichung von Romanik und Gotik gefiel. Ja, es gab in Westfalen auch fortschrittliche Künstler, die sich in Arbeiter- und Soldatenräten engagierten, so Magnus Zeller, oder aber wie Aloys Röhr und Eberhard Viegener ein Bekenntnis zum Expressionismus abgaben. Daneben existierte eine völkisch orientierte Heimatschutzbewegung, Boten eines Trends, der in der Kampagne der Nazis gegen sogenannte entartete Kunst endete. Zur entarteten Kunst – und darauf weist Kösters hin – zählten zum Beispiel Werke des Hagener Bildhauers Karel Niestrath. Dass es unter westfälischen Künstlern stramme Parteianhänger der NSDAP gab, "enthüllt" Kösters in dem einleitenden Katalogbeitrag gleichfalls. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang Carl Busch. Es gab zudem "Maler in Uniform" wie Wilhelm Renfordt. Das genaue Gegenteil stellte Karl Schwesig dar, der trotz Folter und Lagerhaft stets seiner "linken" Überzeugung treu blieb, auch in seinem künstlerischen Schaffen. Den überwiegenden Teil des Katalogs nehmen Monografiebeiträge zum Schaffen westfälischer Künstler ein, angefangen bei Ernst Bahn bis zu Magnus Zeller. Dabei schauen die Autoren der Abhandlungen genau auf die wechselvolle Biografie einiger und beleuchten auch das Nachkriegsschaffen der jeweiligen Künstler. Carl Baumann, ein Künstler mit Kontakten zur Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" wird ebenso vorgestellt wie der Bauhausschüler Fritz Levedag. Geschildert wird der Gesinnungswandel des ertaubten Malers Reinhard Alexander Hilker, der sich zu einem "Kämpfer für Adolf Hitler" entwickelte, getreu der Devise des Reichsbundes der Gehörlosen Deutschland. Der Leser erfährt außerdem von einem der besten Industriemaler des Ruhrgebiets, Friedrich F. Einhoff, und dessen Lebensweg als beamteter Lehrer, der selbstverständlich im Nationalsozialistischen Lehrerbund und in der NSDAP Mitglied war. Erstaunlich ist das Frühwerk des Künstlers, zu dem Frankfurter Stadtansichten und Industrielandschaften rund um die Zeche Auguste Victoria zählen. Wie gespalten das Leben im NS-Staat war, unterstreicht die Tatsache, dass Einhoff seine expressionistischen und sozialrealistischen Arbeiten hinter der Abtrennung im Schlafzimmer versteckte, wie Klaus Kösters in seinem Beitrag darlegt. Unabhängig von den jeweiligen Ausstellungen unter dem Titel "Anpassung, Überleben, Widerstand" besticht die Publikation durch die ungeschminkten "Enthüllungen" der Biografie und durch die zumeist farbigen Abbildungen der Arbeiten, die so ganz und gar nicht an Künstler im zweiten Glied denken lassen. © fdp

Axel Hinrich Murken: Phantastische Welten vom Surrealismus zum Neosymbolismus; drei Malergenerationen
des 20. Jahrhunderts

„Der Surrealismus beruht auf dem Glauben an die höhere Wirklichkeit gewisser, bis dahin vernachlässigter Assoziationsformen ...“. So wird André Breton, der Schöpfer des Ersten Manifests des Surrealismus gleich zu Beginn der vorliegenden Veröffentlichung zitiert. Dem Surrealismus auf die Spur zu kommen, versuchen die Autoren Axel Hinrich Murken, Ursula Blanchebarbe und Christa Murken. Im Vorwort der lesenwerten Publikation verweist Axel Hinrich Murken darauf, dass dank Bretons „Manifesten“ in den 1920er Jahren sowie dank Freuds „Traumdeutung“ der Humus bereitet wurde, den Künstler wie Max Ernst, Salvador Dalí und René Magritte brauchten, um mit Träumen und Halluzinationen zu experimentieren. Surrealismus, das ist, so der Autor, eine Kunstströmung, die sich gegen versagende gesellschaftliche Konventionen stellt – und dies war nach beiden Weltkriegen der Fall. Insbesondere die jüngere Generation der Surrealisten bediente sich der Collagetechniken des Films und des Fernsehens, sodass eine eigene Bildsprache geriert werden konnte. Alogisches, Magisches, Übernatürliches – das ist es, was den Surrealismus bis in unsere Tage ausmacht. Kein Wunder also, dass sich Murken in einem ausführlichen Artikel dieser Kunstrichtung widmet, die persönliche Empfindungen und imaginative Vorstellungen des Künstlers thematisiert. In dem Artikel „Phantastische Kunst – ein Definitionsversuch“ wird der Leser auf eine kunsthistorische Reise mitgenommen, die beim Manierismus um 1600 beginnt, mit den alogischen Räumen der romantischen Malerei eine Fortsetzung findet und schließlich beim Fantastischen des Symbolismus des 19. Jahrhunderts endet. Die Seelenlandschaft von Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus beschreibt Murken in diesem lesenswerten Beitrag ebenso wie die unbelebten, metaphysischen Bilder von de Chirico. Dass eine derartige „Seelenkunst“ auch der analytischen Kunstströmung des Kubismus begegnete, stellt der Autor ebenso klar und deutlich heraus. Einen besonderen Abschnitt der Abhandlung ist dem Surrealismus der Nachkriegszeit gewidmet, der sich mit dem Aufkommen eines neuen Surrealismus im Angesicht von Pop-Art, Tachismus und Konzeptkunst befasst. Georges Spiro und Roland Delcol werden in diesem Zusammenhang eines neuen Symbolismus und Surrealismus vom Autor besonders genannt. Sie stehen, so der Autor der Abhandlung, teilweise Seite an Seite mit Magritte, Delvaux und de Chirico. Ursula Blanchebarbe hingegen setzt sich mit der Entwicklung des Menschenbildes auseinander, die ganz wesentlich vom Figurativen geprägt ist. Insbesondere den Künstlern des 20. Jahrhunderts kam, so die Autorin, die Aufgabe zu, „das Gebrochene, Zwiespältige und Zerstörte unserer Existenz sichtbar zu machen“. Obszönitäten entdeckt die Autorin in den Arbeiten von Uwe Lausen, Metaphysisches in denen von Edgar Ende, der seine Figuren in eine apokalyptische Szenerie eingebunden hat. Gesichtslose Figuren, die wie Puppen erscheinen, sind nach Auffassung von Blanchebarbe für Christine Weber charakteristisch, während George Spiro biomorph verzerrte Gestalten bevorzugt. Zitate und Motive aus der Kunstgeschichte collagiert Delcol in hyperrealistischen Arbeiten mit seinen „Pin-up-Girls“. Hinzuweisen ist auf Murkens Beitrag „Vom Surrealismus zum Neo-Symbolismus“, der sich ausführlich mit der jüngeren Künstlergeneration der Symbolisten und Surrealisten beschäftigt. Deren einziges Merkmal scheint zu sein, dass das Imaginäre die Oberhand über dem Wirklichen behält - aber das galt auch schon für Magritte, Böcklin, Delvaux und andere Surrealisten. Murken stellt uns bei seiner Abhandlung Künstlerpaare wie Edgar Ende und George Spiro ebenso ausführlich vor wie Einzelkünstler, darunter den belgischen „Neo-Surrealisten“ Roland Delcol. Mit der vorliegenden Publikation erschließt sich dem Leser eine neue fantastische Welt, ganz jenseits abgehoben geführter fachlicher Diskurse – und das ist gut so. © fdp

Paul Klee: Die Engel

In Teilen bildet der Katalog die Ausstellung ab, insoweit die einzelnen Kapitel wie "Frühe Engel", "Trunkene Engel und Schutzengel" oder "Engel im Werden" in Abbildungen und prägnanten Kurztexten behandelt werden. Überdies jedoch werfen einzelne ausführliche Beiträge einen genauen Blick auf dieses Spätwerk eines wichtigen Vertreters der Moderne. Vorschnelle Deutungen des Werkskomplexes sind nicht Christine Hopfengarts Sache, auch wenn sie biografische Bezüge zum Thema nicht vollständig von der Hand weist. So zitiert sie Klee: "Bei den Engeln ist alles wie bei uns, nur englisch." Zudem aber schreibt die Autorin: "Die Engelsbilder sind Zustandsprotokolle, die manchmal von Hoffnungslosigkeit, manchmal aber auch von Zuversicht, vor allem aber von einem Bewusstsein des Übergangs und einer allmählichen Ablösung vom Leben sprechen." Ein eigenständiger Artikel ist in der vorliegenden Publikation Klees Angelus novus gewidmet, auch wenn diese Arbeit nicht zu den bedeutendsten des Künstlers zählt, wie Reto Sorg in seinem Beitrag bemerkt. Bedeutsam ist dies kleine Werk insoweit, als der Schriftsteller Walter Benjamin den Angelus novus zum "Engel der Geschichte" erhob. Das war eine folgenreiche Interpretation, die zum geflügelten Wort wurde. Besonders ist m. E. auf die kunsthistorische Betrachtung zum Thema "Engel" hinzuweisen, die mit den Engeln in Santa Maria Maggiore in Rom beginnt und mit Nikis "Blauem Engel" endet. Wer sich mit dem Spätwerk Klees intensiver beschäftigen möchte, kommt um die vorliegende Veröffentlichung nicht herum. Sie öffnet die Augen für das Schaffen Klees in seinen letzten Lebensjahren, die von Krankheit geprägt waren. © fdp

Minkisi - Skulpturen vom unteren Kongo

Entstanden ist die vorliegende Publikation im Kontext der Vorbereitung einer Ausstellung bezüglich der Loango-Sammlung des Grassi-Museums für Völkerkunde, die gegenwärtig 300 Objekte umfasst und zuletzt vor 60 Jahren öffentlich zu sehen war. In ihrem einführenden Beitrag befasst sich Christine Seige mit der Entstehung der Sammlung, deren Ursprung auf die Loango-Expedition der Afrikanischen Gesellschaft (1873-76) zurückgeht. 350 Objekte kamen um 1900 zur Sammlung dazu, dank sei Robert Visser. Unter diesen Sammlungsobjekten waren rituelle Funktionsgegenstände (minkisi), die bis heute den Kern der Loango-Sammlung bilden, wenn auch zahlreiche Objekte im Laufe der Zeit an andere Museen abgegeben wurden. Es handelt sich bei den Skulpturen um teilweise farbig bemalte und mit Spiegeln sowie Metallscherben versehene Figuren. Diese Figuren repräsentieren die Welt der Toten und spielen eine wichtige Rolle in festgelegten Ritualen. Unter den Figuren gibt es auch nkisi, an die man sich wendet, um im Unglück Beistand zu bekommen. Welche gesellschaftliche und politische Ordnung hinter den minkisi steht, wird von der Autorin selbstverständlich nur angerissen. Vertiefende Beiträge folgen der Einleitung und lassen erahnen, wie es einst im Reich Loango bis ins 19. Jahrhundert hinein zugegangen ist. Genau dieses Reich betrachtet Seige in ihrem Beitrag „Das Reich Loango“ und lenkt den Fokus auf ein frühes zentralisiertes Staatsgebilde in einem Küstenstreifen der heutigen Republik Kongo. Es ist eine Region, in der mit den Vili eine Migration stattfand, die ebenso zu einer gesellschaftlichen Veränderung beitrug wie der Sklavenhandel zwischen 1670 und 1790. Ausgeprägt war in dem als sakral zu bezeichnenden Königreich Loango die Stellung des Herrscher Maloango, der wegen seiner Verwandtschaft zum Schöpfergott als Halbgott verehrt wurde. Die Autorin erläutert im weiteren Beitrag die besondere Rolle der Tributzahlung als Teil der gesellschaftlichen Kohäsion und zudem der religiösen Würdenträger, die in der Lage waren, mit der Welt der Toten und mit Naturgeistern zu kommunizieren. Leider ist ein ganz entscheidender Beitrag zum Wesen der Minkisi nicht übersetzt worden, sondern man hat sich entschieden, Wyatt MacGaffeys Beitrag im englischen Original zu belassen. Noch nicht einmal eine deutsche Zusammenfassung wird dem Leser angeboten – und das ist sehr zu bedauern. Da der Sammler Robert Visser für die Leipziger Sammlung von großer Bedeutung ist, befasst man sich mit den Minkisi, konzentriert sich Anne-Katherine Hein in ihrem Beitrag ganz auf die Biografie Vissers, der ursprünglich wie sein Vater Kapitän zur See werden wollte. Beinahe Schiffbrüche, die er erlebte, ließen ihn dann doch davon Abstand nehmen, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Stattdessen wurde er in Afrika Plantagenleiter und zugleich leidenschaftlicher Sammler von Ethnographica. Erfolglos war seine Bewerbung um die Stelle eines Zoodirektors des Düsseldorfer Zoos. Seine Sammelleidenschaft jedoch brachte ihn in Kontakt mit dem Leipziger Museum für Völkerkunde, dessen Direktor er anbot, auf Beutezug zu gehen, wie aus einer Korrespondenz ersichtlich ist. Dass es bei diesen Beutezügen nicht immer mit legalen Mittel zugegangen ist, kann man Vissers Briefwechsel entnehmen: „ … und das zuweilen der Zweck die Mittel heiligt, um in den Besitz einzelner Sachen zu kommen, werden Sie begreifen müssen. Die einzelnen Götzen (…) werden mit Argusaugen bewacht und sind schwer zu erlangen.“ Lesenswert ist schließlich in der überreich mit farbigen Abbildungen ausgestatteten Publikation auch der Beitrag zur deutschen Expedition an die Küste Loangos, ohne die wir heute wohl kaum in einer Ausstellung einer derartigen Fülle an Kultfiguren gegenüberstehen könnten. Im Katalogteil werden die Skulpturen aus der Sammlung vorgestellt, mal mehr und mal weniger ausführlich. Aus diesen Beschreibung kann man nur den Schluss ziehen, dass Kultobjekte, die ihrem Ursprungskontext entrissen wurden, nur wenig Aussagekraft haben, weiß man doch einfach zu wenig über deren Funktion. Oral History als Methodik der Ethnologie war eben zu Zeiten Vissers überhaupt nicht ausgeprägt. So bleibt beim Anblick derartiger Ritualobjekte stets ein schaler Beigeschmack, zumal die Art der Herkunft nicht immer mit Gewissheit geklärt ist. Beutekunst oder nicht ist oftmals eine aufkommende Frage, die allerdings in der Veröffentlichung weitgehend ausgeblendet wird. © fdp

Mythos Atelier: Von Spitzweg bis Picasso,
von Giacometti bis Nauman

Die Ausstellung "Mythos Atelier" war sicherlich eine der opulentesten und erfolgreichsten in der Geschichte der Staatsgalerie. Doch Ausstellungen enden, auch wenn sie verlängert wurden. Das ist auch bei dieser herausragenden Schau der Fall, die sich mit dem Künstler und seinem Atelier befasst. Dabei umfasst das Ausstellungsthema sowohl das Atelier Giacomettis wie auch der französischen Fauves, konfrontiert mit dem armen Poeten in der Dachkammer und mit den Wohnateliers der Brücke-Maler und stellt schließlich auch das avantgardistische Atelier Mondrian vor. Die Ausstellung ist nicht mehr zu sehen, aber die Publikation zur Ausstellung lässt den Leser in die Welt der Künstlerateliers eintauchen. Das Atelier, so die Autorin Ina Conzen, ist der Ort, an dem der Künstler mit seinen Visionen Zwiesprache hält, ein Ort, an dem Kunst entsteht, bevor sie die Öffentlichkeit entdeckt. Das Atelierbild ist jedoch auch ein Sujet, mittels dessen der Künstler die Interpretation und Rezeption zu steuern trachtet, so jedenfalls die Autorin in ihrem einleitenden Beitrag der vorliegenden Publikation. Selbstbildnisse im Atelier, das klassische Atelierbild schlechthin, haben zumeist den Sinn, die Auftraggeber vom Können des Künstlers zu überzeugen. Es gibt Atelierbilder wie von Carus, die nur das leere Atelier zeigen und so den "romantischen Verfremdungseffekt" beschwören und es gibt wie beim "Armen Poeten" den Fingerzeig auf den wirtschaftlichen Misserfolg bei gleichzeitigem inneren Reichtum. Conzen überzieht vielleicht ein wenig in ihrer Aussage, dass sich die künstlerische Existenz im magisch-kultischen Atelier spiegelt; doch ein Faszinosum ist das Atelier, gleichsam ein Ort der Eingeweihten, ein geschützter Raum, der nur dem Künstler vorbehalten ist. In Conzens Beitrag werden alle Facetten des Themas "Mythos Atelier" behandelt, auch die Inszenierung des Ateliers als Kunstwerk wie bei Schwitters und Mondrian. Bisweilen, so Conzen, wurde das staubige, schäbige Atelier wie im Fall Giacomettis auch ein Wallfahrtsort für Kunstliebhaber. Ungeheuerlich spannend liest sich Julia Behrens Abhandlung zum musealisierten Mythos des Ateliers. In diesem Kontext erwähnt die Autorin nicht allein den Schuppen, in dem Pollocks Drip-Painting-Aktionen stattfanden, sondern auch das rekonstruierte Brancusi-Atelier in Paris. Teilweise mutierten, so Behrens, Ateliers zu Erinnerungsorten wie im Falle der Tiermalerin Rosa Bonheur. Ausführlich behandelt Uwe Fleckner das Atelierbild des 19. Jahrhunderts, das auch in der Ausstellung einen besonderen Raum einnahm. Dabei charakterisiert der Autor das Atelier als Refugium des Künstlers, als Ort der Rebellion, als Ort kunstpraktischer Verrichtungen. Das Atelier wurde aber auch zu einer Art mönchischer Klause, insbesondere bei den Romantikern, wie Fleckner anmerkt. Das Atelier war aber auch, man denke an die Villa Stuck von Franz von Stuck, ein Ort der Repräsentation. Was im Übrigen auch für den Wiener Malerfürsten Heinz Makart und sein Künstlerhaus zutrifft. Maler, Modell, Atelier und Abbild – das bestimmte Maler wie Matisse ebenso wie Beckmann in ihrem künstlerischen Tun, wie dies in dem Beitrag "Innere Landschaften – Atelierbilder von Henri Matisse bis Max Beckmann" von Isa Conzen ausgeführt wird. Dabei wird man beim Lesen des Beitrags erstaunt erfahren, dass auch Picassos berühmtes Gemälde "Guernica" ursprünglich als Atelierbild konzipiert wurde. Das Atelier von Gleichgesinnten, als Lebens- und Wohnort und zugleich eine Gegenwelt findet sich bei den Brückemalern wie Ernst Ludwig Kirchner. In die Gegenwelten von "Brücke" und "Blauer Reiter" entführt uns Hanna Strzoda mit ihren Ausführungen. Ausführlich geht die Autorin u. a. auf die sieben Ateliers ein, die Kirchner in Dresden und Berlin und schließlich in Davos unterhielt. Darunter war auch ein Atelier in der proletarischen Dresdner Friedrichstadt. Bekannt ist das Haus "Zum Bieber" in Berlin-Wilmersdorf, das Kirchner in seinen Berliner Jahren bewohnte. Was Haus "Zum Bieber" für Kirchner war, war das Münter-Haus in Murnau für die Künstler der Gruppe "Blauer Reiter": eine Synthese aus Kunst und Leben, so die Kurzformel im genannten Beitrag! Zu den Künstlerhäusern Kirchners in Davos findet sich im vorliegenden Begleitband zu "Mythos Atelier" ein eigener Beitrag. Abschließend sei noch auf die Ausführungen von Véronique Wiesinger hingewiesen, die sich unter dem Stichwort "Laboratorium und Mythos" dem Pariser Atelier Giacomettis widmet. Fazit: eine überaus detaillierte Beschäftigung mit dem Thema, das dem Leser in einer kunsthistorischen Exkursion vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart nähergebracht wird. © fdp


Isabel Schulz (Hg.): Anna Blume und ich
Zeichnungen von Kurt Schwitters

Gleich in der „Einleitung“ der vorliegenden Veröffentlichung weisen die Autoren Isabel Schulz und Matthias Frehner darauf hin, dass zwar Zeichnungen die persönliche Handschrift des Künstlers offenbaren, jedoch bei Schwitters davon nicht die Rede sein kann, obgleich ein Fünftel seines Werks aus Zeichnungen besteht. Da diese für die sogenannte Merz-Kunst, also der Kunst, die mit Schwitters' Namen verbunden ist, als nicht relevant angesehen wurde, wurden die zeichnerischen Arbeiten aus dem Nachlass des Künstlers der Öffentlichkeit weitgehend vorenthalten. Das verwundert, da die beiden oben genannten Autoren gerade den Facettenreichtum der Arbeiten hervorheben, darauf verweisen, dass rhythmisch organisierte Abstraktionen ebenso zu finden sind wie kubistisch geprägte. In einem gesonderten Beitrag wird auf die erwähnten abstrakten Zeichnungen besonders eingegangen, darunter die Blätter Z 30 und Z 11, in denen schematisierte Figuren und Häuser wesentliche Motive sind. Dass nicht erst mit Merz-Kunst der Dadaist Schwitters im Blick der Öffentlichkeit stand und sich als Dadaist zu erkennen gab, unterstreicht Isabel Schulz in ihren Ausführungen unter der Überschrift „Dadaistische Experimente“. Gemeint sind damit u.a. die sogenannten Stempelzeichnungen, die durch den Einsatz gedruckter Elemente das Medium der Zeichnung erweiterten. Auch auf Schwitters gezeichnete Porträts, vor allem entstanden während seiner Internierung in England, geht man in dem Begleitband zur in Hannover und Bern organisierten Schau zu den Zeichnungen Schwitters ein. Schließlich widmet sich ein knapper Beitrag auch den Landschaftszeichnungen, die Schwitters in seinem Exil in Norwegen und England anfertigte. Ergänzt werden die Beiträge immer durch entsprechende Abbildungen. Eine Liste der abgebildeten Werke, eine Literaturauswahl und die Künstlerbiografie runden die vorliegende „Monografie“ ab. © fdp


Heinrich Kley: (1863 - 1945) Meister der Zeichenfeder im Kontext seiner Zeit

Der "Beleitband" zu der zuerst in der Villa Stuck und dann im Museum für Karikatur und Zeichenkunst - Wilhelm Busch gezeigten Retrospektive folgt der thematischen Strukturierung der Werkpräsentation mit Arbeiten von Heinrich Kley. In seinem Vorwort weist Michael Buhrs, der Direktor der Villa Stuck, mit einem Zitat auf die positive Kritik zu Kleys Schaffen hin. Doch das war 1910, als gerade sein zweites Skizzenbuch erschienen war. Die anfängliche "Begeisterung" verblasste jedoch rasch und erst mit den Walt-Disney-Filmen wie "Dumbo" kann von einer Renaissance Kleys gesprochen werden, bezogen doch die Zeichner Disneys ihre Inspirationen von Kleys tanzenden Elefanten und Krokodilen. Ansonsten, so Buhrs, ist der Zeichner Kley eigentlich in der Versenkung verschwunden.

Leben und Werk Kleys werden in einem prägnant formulierten Beitrag gewürdigt – dabei geht man auf dessen Karriere als Industriemaler genauso ein wie auf die Mitarbeit am Simplicissimus. Erwähnt wird dabei auch, dass Kleys Sammelalbum 1939 auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" gesetzt wurde. Die letzten Lebensjahre bis zu seinem Tod am 8.Februar 1945 waren von langen Krankenhausaufenthalten bestimmt. Dass Kley als Zeichner überaus talentiert war, unterstreicht der Artikel "Max Klinger, Alfred Kubin und Heinrich Kley". Erwähnt wird dabei auch, dass Kley bereits 50 Jahre alt war, als ihm eine seiner besten Zeichnungen mit dem Titel "Inspiration" gelang. Zu sehen sind antike, mittelalterliche und moderne Figuren, die aus dem Kopf des Zeichners über dessen Hände den Weg auf die Leinwand finden – ein skurriles Motiv, das im o.g. Beitrag Kubins "Mein Dämon" gegenüber gestellt wird. Herausgestellt wird in dem erwähnten Beitrag auch die Federzeichnung "Der Traum des Ingenieurs"nebst einigen erotischen Zeichnungen von Kubin, Klinger und Kley ("Gesellschaftsspiel, 1910). Ein wichtiges Kapitel im Kontext der Rezeption Kleys ist die "Entdeckung" der vermenschlichten Tierzeichnungen, die für die Zeichner der Walt Disney Studios als Vorlagen für abendfüllende Zeichentrickfilme genutzt wurden. In dem Beitrag "Heinrich Kleys Rezeption durch Walt Disney" heißt es in einem 1964 geführten Fernsehinterview mit Disney: "Without the wonderful drawings of Heinrich Kley I could not conduct my art school classes with my animators." Neben den oben genannten "einführenden Beiträgen" umfasst die vorliegende Publikation alle Themenblöcke der inszenierten Ausstellung, angefangen von "Karlsruher Kunstleben", über "Naturstudien" und "Antike" bis "Tanz und Bewegung". "Saaltexten" gleich gibt es jeweils kurze Einführungen zu den Themen und zahlreiche Abbildungen zu den jeweiligen Kapiteln. Auf diese Weise erhält der Leser einen umfassenden visuellen Überblick über das Schaffen Kleys, der aus heutiger Sicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Mit der aktuellen Veröffentlichung wird er gewiss wieder mehr Aufmerksamkeit als in der Vergangenheit erhalten. © fdp


Walter Grasskamp Gespräche mit Ben Willikens

Rechtzeitig zu Willikens' Leipziger Einzelausstellung Im Sommer 2011 erschien nicht etwa ein Werkkatalog, sondern eine Sammlung von Gesprächen zwischen dem Kunstkritiker und Kunsthistoriker Grasskamp und dem Künstler Willikens. Diese Gespräche fanden in den letzten beiden Jahren über mehrere Monate statt. Beinahe zwangsläufig beginnt Grasskamp, Willikens – in Leipzig und Hannoversch Münden aufgewachsen und die Bombennächte in Leipzig miterlebt – nach seinen frühen Erinnerungen zu befragen. Bereits hier scheinen Wurzeln dessen aufspürbar, was sich in den gemalten Raumansichten bündelt: die Erfahrung mit tristen Räumen, die der Künstler bei der Flucht aus dem Osten in den Westen erlebte. Es sind Räume mit schmucklosen Wänden und grauen Türen. Diese finden sich auch in ähnlicher Weise im Werk des in Stuttgart und in der Region Hohenlohe arbeitenden Ben Willikens.

Dass bei Willikens von einer ungebrochenen Künstlerkarriere gesprochen werden kann, ist nicht der Fall. Straßenpflastern musste er ebenso wie für einen Kiezbruder eine Bar ausgestalten, ohne dass es anfänglich eine müde Mark dafür gab. Unterhaltsam und kurzweilig, nicht getragen und schwer, sich in Debatten über Kunststile verlierend, verlaufen die Gespräche zwischen Grasskamp und Willikens. So erfährt der Leser, dass auch ein wenig Glück und Chuzpe dazu gehörte, um ein Studium bei einem Bauhausschüler und Kunstprofessor in Stuttgart aufnehmen zu können: Ohne eine Porträtzeichnung eines Polizeipräsidenten hätte Willikens nie studieren können. Das ist eine der zahlreichen, beinahe anekdotisch anmutenden Erinnerungen, die nun publiziert vorliegen. Das Verdrängen der Kriegserfahrungen durch die Generation der Lehrer an deutschen Kunstakademien wird ebenso thematisiert wie die Vorliebe des Künstlers für Jazz von Ellington bis Davis.

Abenteuerlich scheint die Londoner Zeit Willikens' und sein Leben in einem Bordell gewesen zu sein. Dabei stellte sich Willikens, der sich noch als suchender Künstler begriff, die Frage: „Wie kriege ich die Welt, die ich erlebt habe in eine Form, ohne sie einfach abzumalen?“ Die aufkommende Pop Art faszinierte, wurde aber auch von Willikens abgelehnt: „Mich störte an der Pop-Entwicklung … diese Naivität – die Welt ist schön, … , wir machen sie sogar noch genießbar.“

Willikens „plaudert“ im Weiteren über seine Begegnung mit Sonderborg, von dem er lernte, „dass man Kunst machen kann, ohne sie gedanklich zu überfrachten.“ Ungeschminkt äußert sich der Künstler auch zu seinen „Dämonenbesuchen“, über Drogenkonsum und seine Zeit in der Psychiatrie wegen einer manisch-depressiven Anlage. Es waren Zeiten, in denen Elektroschocks und Fixierungen hinter Gittern zur Praxis der psychiatrischen Therapie gehörten, wie Willikens bestätigt. Nie wirkt in diesen Passagen der Rückblick aufgesetzt oder durch den Interviewer erzwungen. Statt dessen spürt man auch in diesem Abschnitt der Biografie des Künstler einen gewissen Aufbruch: „Da fing ich an, auf Zeitungsrändern zu zeichnen – leere Räume. Oder ich skizzierte die Türe, die mir verschlossen war, auf einem Zeitungsrand.“ In der Anstaltszeit, so scheint es, liegt wohl neben den Nachkriegserfahrungen ein weiterer Schlüssel für die Wahl von Raumansichten als dominante Bildmotive.

Der Bogen des Gespräch spannt sich weiter von dem „Sprung aus der Anstalt“ in die Villa Massimo. Gestreift wird die Frage nach dem Verhältnis Willikens' zur Politik, gerade im Kontext der 1968er-Revolte. Angesprochen wird seine unfreiwillige Begegnung mit der „Quartiermacherin“ der RAF und einstigen Freundin aus Zeiten in Hannoversch Münden, Marianne Herzog, und auch von „Gegenräumen“ ist die Rede. Schließlich münden die monatelangen und nun aufgezeichneten Gespräche in das Thema „Orte“. Dabei geht es um die Monumentalität der nationalsozialistisch unterfütterten Herrschaftsarchitektur, aber nicht nur der. Mehr als in jeder möglichen Biographie oder Künstlermonographie kommt man in der vorliegenden Veröffentlichung dem Künstler Ben Willikens sehr nahe. Auch dem nicht so sehr kunsthistorisch versierten Leser wird außerdem die Chance gegeben, jenseits eines kunsthistorischen Diskurses den Künstler und seine Intentionen beim Malen von „Raumbildern“ wirklich zu begreifen. © fdp


Deutsches Hygiene-Museum Dresden (hg.): Mythos Dresden – eine kulturhistorische Revue

Dass Sigrid Walthers Beitrag »Mythos Dresden. Eine kulturhistorische Revue« am Ende der vorliegenden Veröffentlichung platziert wurde, obgleich dieser Artikel als Einleitung die Ausstellungskomposition und die Themenschwerpunkte erläutert, bleibt unverständlich. Es wäre als Einstimmung auf die Ausstellung so wichtig gewesen, sich zu Beginn des Ausstellungsbegleitbuches mit Thesen der Autorin auseinander zu setzen, so auch mit ihrer Aussage: »Und was nicht Barock ist, wird bis heute als ein vielfach gebrochenes, überformtes und rezipiertes Bild unter Barock subsumiert.« In ihren Ausführungen erläutert die Autorin das Ausstellungskonzept und geht auf die einzelnen Schwerpunkte der Ausstellung wie »Luftschlösser« oder »Dionysisches Dresden« ein.
Als Einführung zum Thema Mythos Dresden haben die Herausgeber einen Beitrag von Klaus Vogel und Gisela Staupe schreiben lassen. Dabei widmen beide unter dem Stichwort Mythos auch dem Deutschen Hygiene-Museum, diesem legendären Tempel der Gesundheit, wie sie schreiben, entsprechende Beachtung. In diesem Museum, so die beiden Autoren, schlagen sich wie in der Geschichte der Stadt Erneuerung, Zerstörung, Wiederaufbau, Fremdbestimmung und Neuorientierung nieder. Die Herausgeber lassen aber auch geborene Dresdner wie den Dramaturgen Ingo Schulze sowie den Lyriker und Essayisten Durs Grünberg zu Wort kommen, die sich ihre Gedanken zur Mythenbildung machen. Für Schulze bündelt sich der Mythos Dresden, wenn es denn einen solchen gibt, in der Ruine der Frauenkirche. Der Autor macht sich aber auch Gedanken zum Bau-Surrogat um den Neubau der Frauenkirche, ruft dem Leser die Melange aus Stalinismus und Barock am Dresdner Altmarkt ins Gedächtnis. Im Übrigen widmet sich der vorliegende Band den Ausstellungsthemen »Dionysisches Dresden«, »Musenort« und »Apokalypse«. Schließlich setzt sich Olaf B. Rader mit der Bombardierung Dresdens im kulturellen Gedächtnis auseinander. (fdp 10/06)


Ernst-Barlach-Haus (Hg.): Franz Radziwill: Vom Expressionismus zum Magischen Realismus, Wienand-Verlag Köln, 2006, ISBN 3-87909-889-1

Neben dem Verzeichnis der ausgestellten Werke und biografischen Daten überzeugt der vorliegende Band durch seine Bildstrecke. Insbesondere Arbeiten aus dem Zyklus »Zehn Radierungen« werden entsprechend der Ausstellungshängung präsentiert. Neben dem Beitrag von Gerd Presler zum Verhältnis Radziwills zu seinen Hamburger Förderern und zur »Brücke« ist es der Beitrag von Karin Schick, der den Künstler Radziwill in seinen Brüchen dem Leser eindrücklich nahe bringt. Schick bemüht sich in ihrem Beitrag darum, Radziwill selbst zu Wort kommen zu lassen, wenn sie gleich zu Beginn ihres Beitrags aus einem Brief Radziwills vom März 1923 an den Hamburger Kunsthistoriker und Radziwill-Förderer Wilhelm Niemeyer zitiert. Schick hinterfragt dabei diese Äußerung weniger, sondern überlässt es dem Leser, Schlüsse zu ziehen. Man mag Radziwill nicht glauben, wenn er 1963 rückblickend meint: »Eigentlich kann jedes meiner Bilder als Illustration meines Lebens gelten. Seit meiner Jugend hat sich mein Verhalten zur Welt, haben sich die Motive meines Erlebens kaum geändert.« Und die Betonung muss, betrachtet man das Werk Radziwills und dessen brüchige Biografie, auf dem kleinen Wörtchen kaum liegen. Das Spiel mit Fläche und Raum, so Schick, zeigt Radziwills Nähe zu den Malern der »Brücke« - und es sei aus meiner Sicht hinzugefügt insbesondere zu Erich Heckel und Schmidt-Rottluff.
Wie stark Radziwill durch das Licht an der Nordsee, die Gezeiten und oft seltsame Wolkenbildungen, die er erlebte, in seiner malerischen Schöpfung beeinflusst wurde, reißt Schick im Abschnitt »Außen und Innen« an. Das Phänomen des »weißen Schattens« in Radziwills Arbeiten wird von Schick ebenso behandelt wie das Thema »Grenze und Entgrenzung.« (© fdp Juni 2006)


• Karen Ermete: Balduin und das rätselhafte Erbe, Oldenburg 2006, ISBN 3-89995-287-1

Der Autorin Karen Ermete ist es zu verdanken, dass es zur Ausstellung »Saladin und die Kreuzfahrer« ein Begleitheft für Kinder gibt, das von Mesut Aydin illustriert wurde. Die Freundschaft zwischen dem Knappen Balduin und Salim, dem Sohn eines Instrumentenbauers aus Akkon und deren Abenteuer auf der Suche nach dem wahren Kreuz bilden den Kern der Erzählung, die durch historische Themenblöcke wie »Wem gehört Jerusalem«, »Kreuzfahrerstaaten im heiligen Land«, »Der zweite Kreuzzug«, »Christentum und Islam« oder »Warum zogen so viele Ritter in den Orient« ergänzt wird. Leider ist die grafische Gestaltung mangelhaft, so dass der Erzählfluss durch die teilweise mehrseitigen, historischen Einschübe unterbrochen wird. Es hätte der Publikation gut getan, hätte man sich grafisch auf eine Seitenhälftung eingelassen, so dass jeweils auf dem oberen Teil der Seiten die Erzählhandlung fortlaufend zu lesen ist und auf der unteren die historischen Fakten. Man hätte dafür auf die eine oder andere Abbildung verzichten müssen. Dies hätte aber zur Komprimierung und besseren Lesbarkeit der vorliegenden Publikation beigetragen. Auch auf das Rezept für »Arme Ritter« und die Ausmalvorlage auf Seite 30 hätte man m. E. in dem Begleitbuch verzichten können.


• Landesmuseum für Natur und Mensch (Hg,): Saladin und die Kreuzfahrer - Ausstellungsführer, Oldenburg 2006, ISBN 3-89995-285-5

Angesichts der Themenvielfalt ist der vorliegende Ausstellungsführer ein notwendiger Begleiter. Im Vorwort erläutert Mamoun Fansa, der Direktor des Oldenburger Museums für Natur und Mensch, warum Saladin als Person eine Zentralrolle in der aktuellen Schau einnimmt, die in veränderter Form und ohne die Schätze aus dem Syrischen Nationalmuseum in Damaskus auch in Mannheim gezeigt werden wird: »Sultan Saladin ist wohl eine der facettenreichsten, interessantesten und faszinierendsten Persönlichkeiten der arabisch-islamischen Geschichte. Er hat Autoren aus Ost und West immer wieder inspiriert.«, so Fansa. Als ebenbürtiger Gegenspieler und edler Ritter des Mittelalters muss wohl Richard Löwenherz genannt werden, der allerdings nicht im Ausstellungstitel und auch nicht in Fansas Vorwort gewürdigt wird.

Die Rede von Papst Urban II, mit dem auf dem Konzil von Clermont der Beginn der Kreuzzüge zu datieren ist, ist in einer historischen Überlieferung in den Ausstellungsführer aufgenommen worden. Mit dem Thema »Gott will es« und Papst Urban II. macht nicht nur die Ausstellung, sondern auch die vorliegende Publikation auf. Reich illustrierte kurze Texte behandeln Themen wie »Krieg im Zeichen des Kreuzes«, »Jerusalem – der Nabel der Welt« und »Das heilige Grab«. Vielfach sind die Exponate in den fotografischen Reproduktionen bezüglich ihrer Details besser zu sehen als in der Ausstellungspräsentation. Das gilt zum Beispiel für die Pilgerampulle mit Verzierungen in Gestalt einer Kreuzstandarte und eines Wehrturms. Dass es im Islam sehr wohl bildliche Darstellungen gab, wenn auch das Gesicht des Propheten geweißt ist, zeigt »Die Himmelfahrt des Propheten Mohammeds» (1577). In der Ausstellung wurder wie auch im Kapitel »Der Koran – Das Heilige Buch der Muslims« auf die Übersetzung von wenigstens einer der 114 Suren verzichtet. Was also fängt man, mit einem aufgeschlagenem Koran an, wenn man des Arabischen nicht mächtig ist?

Das Thema Judenpogrome im Kontext der Kreuzzüge wird kurz angeschnitten; gleiches gilt für die Spaltung im Islam. Ausführlich befasst man sich im Ausstellungsführer mit der Architektur der Kreuzfahrer und orientalischer Baumeister, denen zum Beispiel die Zitadelle von Aleppo zu verdanken ist. Themen wie Medizin und Naturwissenschaften im Orient oder Waffentechnik vervollständigen die lesenswerte Veröffentlichung. Recht ausführlich – insbesondere in den Abbildungen – wird das Inselspringen der Kreuzritter von Zypern über Rhodos nach Malta behandelt, wo sich die Johanniterritter – heute als Malteserritter bekannt – dank der Entscheidung Karls V. niederlassen konnten. Mit einem Auszug aus der Biografie von Baha ad-Din Ibn Schaddad zum Charakterbild Saladins schließt der Ausstellungsführer, der sich auch mit dem Orientbild, das Karl May in seinen Abenteuerbüchern vermittelte, befasst.


• Stephan Berg et al. (Hg.): Jonathan Monk: Yesterday Today Tomorrow etc. revolver-verlag, Frankfurt a/M. 2006 ISBN 3-86588-233-1

Der Katalog ist aufgrund seiner Typografie und sonstigen grafischen Aufmachung und Gestaltung schon selbst ein Kunstwerk zwischen Buchdeckeln. Angesichts der Ausstellungsorte Hannover, St. Gallen und Nürnberg ist die Zweisprachigkeit (Deutsch/Englisch) wenig nachzuvollziehen, es sei denn, man zielt mit dem Katalog jenseits der Ausstellungen auch auf die Vermarktung im englischsprachigen Ausland ab.
Neben den Arbeiten von Jonathan Monk wie »Just what happens between these two drawings« oder »One in One Hundred in One (fisherman)« findet man Beiträge von Konrad Bitterli zu den Textstrukturen in Jonathan Monks Werken und von Stephan Berg zur Frage von Re-Produktion als Wesensmerkmal für das Schaffen des aus Leicester stammenden und momentan in Berlin lebenden Monk sowie ein Interview mit Monk, das Douglas Fogle geführt hat.
Mir scheint dieses Interview der wesentliche Text in der vorliegenden Veröffentlichung, da sich darin der Künstler selbst zu seinem Umgang mit Kunst und Kunstgeschichte äußert. »Ich bin an den Möglichkeiten der Reproduktion und Replikation von Fotografien sehr viel mehr interessiert als an ihrer Produktion. Ich vermeide es, selbst Aufnahmen zu machen und herzustellen.«, ist eine zentrale Position, die sich im Schaffen Monks niederschlägt. Er ist ein Sammler, der aber anders als Christian Boltanski das Gesammelte wiederverwertet und zugleich verändert. Zum Beispiel erhalten wahrscheinlich auf Flohmärkten erstandene Porträts in Schwarz-Weiß wie in »Black Eyes« zur Betonung der Augen jeweils zwei Stecknadeln mit schwarzen Köpfen, so dass dadurch das Original verfremdet wird. Eine Fotoserie, so sagt Monk im Interview, habe er dadurch geschaffen, dass er eine Aufnahme von Manhattan in allen verfügbaren Formaten durch ein Labor hatte herstellen lassen. Es war eine Entscheidung aus dem Moment heraus, wie Monk erläutert. Und zugleich stellt sich mit einer derartigen Arbeit die Frage nach Original und Re-Produktion. Dass Monk auch Konzeptkunst für sich als Form entdeckte, geht wohl auf eine Reise im Jahr 1989 zurück, die ihn ins Stedelijk Museum Amsterdam und zur 1. Generation der Konzeptkünstler führte, so berichtet er gegenüber Fogle im Interview. »Für mich ist fast jede Kunst im Grunde konzeptionell«, fasst Monks Position wohl am besten zusammen.


Berliner Volksbank e.G. (Hg.): Berlin im Bild – Malerei seit 1945, Berlin, S.66

Zur Ausstellung gleichen Titels im Kunstforum der Berliner Volksbank erschien die vorliegende Veröffentlichung, die neben dem Werkverzeichnis 49 farbige Abbildung zeigt. Darüber hinaus sind Teile derjenigen Zitate verschiedener Künstler veröffentlicht worden, die auch in der Ausstellung zu finden sind und die die Intentionen der Künstler erläutern. Außer einem Einleitungstext mit dem Titel »Berlin im Bild«, der die Struktur der thematisch-chronologischen Ausstellung – von der Ruinenstadt bis zum Fall der Mauer – vorstellt und von den Ausstellungsmachern stammt, hat man auf weitere Texte verzichtet. Bedauerlicher Weise muss man zur Kenntnis nehmen, dass man einige der O-Töne der Künstler nicht zu Interviews ausgebaut hat, hätte man doch so beispielsweise von Rainer Fettig mehr über die Motivation erfahren können, die Mauer zum Hauptgegenstand seiner Werke zu machen.


neues museum (Hg.): Tony Cragg familiae

Wer mehr über Craggs Intentionen für seine plastischen Arbeiten erfahren will, dem sei der Katalog empfohlen, der sowohl einen Essay des Künstlers als auch ein sehr lesenswertes Interview mit Cragg enthält. Die zahlreichen Abbildungen zeigen die Objekte in der aktuellen Ausstellungssituation und nur wenige Exponate als isolierte Kunstwerke. Das unterstreicht das Konzept der Schau, »Familien von Objekten« zu präsentieren. Und »familiae« ist auch der Titel der sehenswerten Sonderausstellung, für die der zweisprachige (dt./engl.) Katalog herausgegeben wurde.


• Ernst-Barlach-Haus (Hg): Der Zauber des Banalen - Christian Rohlfs: Die frühen Landschaften (ISBN 3-9809809-1-X, Eigenverlag Ernst-Barlach-Haus, Hamburg 2005)

Denkt man an Christian Rohlfs, den man als den Nestor der modernen Malerei in Deutschland ansehen kann, so fallen einem zunächst nicht die frühen, impressionistisch geprägten Landschaften ein, sondern die expressionistischen Arbeiten, die bisweilen an Vincent van Goghs Arbeiten erinnern. Die vorliegende Veröffentlichung spürt nun den einzelnen Stationen im frühen Schaffen Rohlfs’ auf, beleuchtet seine Weimarer Zeit und seine Begegnung mit den Gemälden Claude Monets. Intensiv beschäftigt sich Jens Christian Jensen in seinem Beitrag mit dem malerischen Werk von 1880 bis 1901 und weist darauf hin, dass Rohlfs in seinen künstlerischen Anfängen vom Realismus geprägt war. Auffallend ist bei Rohlfs, so Jensen, die Beschränkung der Bildthemen auf Ausschnitte der Wirklichkeit, die im 19. Jahrhundert nach akademischer Auffassung als bildunwürdig galten. Themen in Rohlfs frühen Landschaften sind ein Waldweg, die Weide am Graben, eine Allee, ein alter Steinbruch. Kein Mensch belebt die Natur, kein Hirsch röhrt am Waldesrand, wie der Autor analysiert. Der Bildraum ist überschaubar und schlicht und zugleich wird der Blick des Betrachters auf das Detail gerichtet, auf das, was vielfach übersehen wird. Anhand einiger Werke betrachtet der Autor das Bildwerk von Rohlfs auch im Kontext der aktuellen Kunstströmungen in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts und weist auf Rohlfs »patzigen Farbauftrag« hin, um das jeweilige Licht und die Witterung einzufangen. Ausschließlich mit den Weimarer Jahren befasst sich Horst Dauer in seinem Beitrag und weist in diesem auf die Lehrer von Rohlfs, Lenbach und Böcklin hin. Zugleich zeichnet Dauer die Lehrjahre von Rohlfs nach, erwähnt die Rücknahme der lockeren Pinselarbeit zugunsten eines kräftigeren Duktus und die impressive Malweise in den 1880er Jahren. Gebrochene Töne, so Dauer, finden sich neben reinen Farbwerten. Vitales Farbempfinden ist bei Rohlfs zu entdecken, ohne dass dieser die so genannten unbunten Farben wie Schwarz, Grau und Umbra von seiner Palette verbannte. In der durch zahlreiche farbige Abbildungen gut aufgelockerten Publikation zum frühen Christian Rohlfs findet sich auch eine Abhandlung zur Maltechnik von Rohlfs, die von Katja de Grussa-Bernard stammt. Eine tabellarische Biografie und ein Werkverzeichnis von 50 frühen Arbeiten runden die lesenswerte Veröffentlichung ab. (fdp)


Heinz Spielmann/Alice Strobl: Oskar Kokoschka – Erlebnis des Augen-Blicks – Aquarelle und Zeichnungen, ISBN 3-7774-2915-5, Hirmer Verlag München, 192 Seiten, € 19,90

Wenn auch Heinz Spielmann im Vorwort darauf verweist, dass die Blätter des Künstlers oft in Folge entstanden, so wird dies zwar in der vorliegenden Veröffentlichung – man denke nur an die vier Porträts von Spielmann – unterstrichen, geht jedoch als Ansatz der künstlerischen Arbeit in der Ausstellung leider verloren. Die thematische Gliederung – darin stimme ich Spielmann zu – vermittelt, wie im Vorwort ausgeführt, die Geschlossenheit eines Lebenswerks, erkennt man doch, dass Kokoschka sich während seines Lebens, wenn auch von Pausen unterbrochen, stets mit gleichen Themen beschäftigte: dem Porträt, dem Akt, der Landschaft. Wer dem Zeichner Kokoschka näher kommen möchte, muss unbedingt Spielmanns Beitrag »Kokoschka zeichnet« aufmerksam lesen. Insbesondere durch das Einbinden von Äußerungen Kokoschkas (»...Während ich zeichne oder male, mit meinem Gegenstand oder vor der Landschaft oder mit dem Modell, am liebsten einem Mädchen allein gelassen ... wird ... das Kindermärchen war: es war einmal.«) kommt man dem Schaffen des Künstlers sehr nahe, begreift mehr über den einsamen Prozess des Zeichnens. Und Spielmann verrät dem Leser auch, dass Kokoschka zwar niemals beim Zeichnen rauchte, aber auf das Glas Whiskey nicht verzichten wollte. Auch über das bisweilen nicht unproblematische Verhältnis zu seinen Modellen, zumeist seine Gespielinnen, weiß Spielmann zu berichten und zitiert dazu die dänische Schauspielerin Karin Michaelis, eines der ersten Modelle Kokoschkas. Und auch Spielmanns Begegnungen mit Kokoschka werden in dem Beitrag verarbeitet. Vier Blätter hat Kokoschka von Spielmann 1976 angefertigt. Diese sind in dem oben genannten Beitrag auch abgedruckt.

Der Katalog nimmt als Begleitung zur Ausstellung auch deren thematische Gliederung auf und veröffentlicht die entsprechenden Zwischentexte und gezeigten Werke. (fdp)


Rainer Stamm (Hg.): Ewald Mataré und das Haus Atlantis – Eine Kunstgeschichte zwischen Hoetger und Beuys, ISBN 3-9810296-0-7, Kunstsammlung Böttcherstraße.

Bereits im Vorwort verweist Rainer Stamm darauf, dass sich in der ursprünglichen Architektur des Hauses Atlantis, in dem sich heute das Paula-Modersohn-Becker-Museum befindet, Traditionalismus, Heimatschutzbewegung und völkische Ideologie niedergeschlagen haben. Dieses Gemenge an rückwärts gewandten Auffassungen verschwindet heute hinter der von Ewald Mataré gestalteten ornamentalen Backsteinfassade. Im Beitrag »Atlantis: Die Geschichte eines Sehnsuchtsorts« wird auf Bernhard Hoetgers ursprüngliche Konzeption der Fassade des Hauses mit einem Gott Odin im Feuerkranz ebenso eingegangen wie auf die ornamentale Auflösung der neuen Fassade von Mataré, auf der durch die Backsteinsetzungen eine große Sonnenscheibe entstanden ist, die durch kristalline Beleuchtungskörper durchbrochen wird. Als Hoetgers Bau 1931 vollendet war, spottete man über die »Bratpfanne mit phosphoreszierenden Spiegeleiern« und meinte die Betonglasrosette der Fassade. Mataré, so ist zu lesen, hat über die »völkisch-nationalistische Architektur« Hoetgers mit seiner Fassade den Mantel des Vergessens gelegt, statt sich der nationalsozialistischen Ästhetik zu stellen, wie es beispielsweise sein Schüler Beuys forderte. Der Beitrag arbeitet auch heraus, welche Personen maßgeblich am Entstehen des Hauses Atlantis beteiligt waren und welche Ideologien sie nachhingen. Es war vor allem der Geldgeber des Projekts, der Kaffeefabrikant Ludwig Roselius, der entkoffeinierten Kaffee unter dem Markennamen HAG bekannt gemacht hat, dem am Haus Atlantis lag. Ohne ihn wäre der Architekt Bernard Hoetger nie dazu berufen worden, seine völkischen Ideen in Architektur umzusetzen. In einem weiteren Essay – »Das Haus Atlantis von 1931« – wird intensiv auf die Baugeschichte des Hauses, vor allem aber auch die Funktion des Hauses, eingegangen. Die Böttcherstraße sollte nach dem Willen von Roselius ein »Geschichtslehrpfad der deutschen Herrenrasse« sein.
Die Entwicklung im Zusammenhang mit der Gestaltung des Hauses Atlantis in der Nachkriegszeit wird in einem weiteren Beitrag abgehandelt.Dabei werden die Ideen von Säume und Hafemann ebenso vorgestellt wie August Welps Pläne, die sich stark an Hoetgers Formensprache anlehnte. Schließlich widmet sich der Katalog auch dem Werk Matarés, der allerdings die Vollendung seiner 23 Meter hohen Fassade, die aus handgeformten roten, gelben und schwarzbraunen Verblendsteinen im Klosterformat besteht, nicht mehr erlebte. (fdp)


Stadt Karlsruhe – Städtische Galerie (Hg.): Die 20er Jahre in Karlsruhe, ISBN 3-89929-077-I, Swiridoff-Verlag, Künzelsau 2005

Dass Karlsruhe neben Berlin und München in den 1920er Jahre nicht nur eine Hochburg der avantgardistischen Kunst, der Neuen Sachlichkeit und des Verismus war, sondern auch Film, Architektur und Literatur eine Blütezeit erlebten, unterstreicht die vorliegende Veröffentlichung in zahlreichen Textbeiträgen. Als Einstieg in die Geschichte der Fächerstadt sollte man unbedingt Ernst Otto Bräunches Abhandlung »Karlsruhe in den 1920er Jahren« lesen. Bräunche skizziert nicht nur den rasanten Aufstieg der Stadt, deren Einwohnerzahl in den 1920er Jahren auf stattliche 156000 Einwohner anwuchs, sondern geht auch auf den modernen Siedlungsbau der Stadt ein, für den Walter Gropius und die Dammerstock-Siedlung stehen. Das Thema Politik in den 1920er Jahren wird ebenso wenig ausgeblendet wie der Niedergang der Weimarer Republik und die Machtergreifung der Nazis.
In Beiträgen wie dem von Hansgeorg Schmidt-Bergmann verfassten Artikel über Karlsruher Literatur wird der Widerstreit zwischen der modernen Lebens- und Arbeitswelt auf der einen und dem Festhalten am Traditionellen andererseits beleuchtet: Angesichts des Maschinenzeitalters wurde der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen. Antirepublikanische Diskurse bestimmten die Zeit. Literaten erinnerten sich an die gute alte Zeit, so auch Heinrich Vierordt in »Badisches Heimatbüchlein«.

Nicht nur Neues Bauen bestimmte die Architektur in Karlsruhe der Weimarer Zeit, wie Uwe Hinkfoth in seinem Beitrag nachweist, sondern auch der Monumentalstil wie beispielsweise das Geschäftshaus der Rheinischen Creditbank in der Kaiserstraße, heute H&M. Neben den »weißen Zeilen« der Dammerstock-Siedlung befasst sich der Autor auch mit der Gartensiedlung Rüppurr und nennt sie in einem Atemzug mit der von Berlin-Staaken und Dresden-Hellerau.

Besonders lesenswert ist Christmut Prägers Beitrag über die Kunstzentren während der Weimarer Republik: Berlin und die Berliner Sezession, Dresden und die Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands, Hannover und der Dadaismus Kurt Schwitters’ sowie der Konstruktivismus von Friedrich Vordemberge-Gildewart. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der »Kunst in Karlsruhe 1919 und 1930«, mit der Bedeutung der Badischen Landeskunstschule und mit »Verismus und Neue Sachlichkeit in Karlsruhe« .


• Kunsthalle Würth (Hg.): Fernando Botero, ISBN 3-89929-054-2, Swiridoff Verlag, Künzelsau 2005

Die vorliegende Veröffentlichung besticht vor allem durch die Dichte der Abbildungen, die in einer »Bildergalerie« alle Schaffensphasen des kolumbianischen Malers Fernando Botero erfasst. Neben seinen aufgeblähten Protagonisten, Müttern, Vätern, Kindern. Kirchenmänner, Generäle, Hausfrauen und Liebespaare, wird auch der jüngste Bildzyklus vorgestellt, der sich mit der Folter irakischer Gefangener durch amerikanische Soldaten befasst. Dabei ist auffallend, dass die Erniedrigung selbst in den Mittelpunkt rückt, die Peiniger aber nur selten im Bild zu sehen sind. Bisweilen muss man sich die Folterknechte denken. Ein Urinstrahl, ein Stiefel, der einen Gefangenen tritt, eine Hand, die durch das Gitter greift, verweisen auf diejenigen, die im Namen von Recht und Gesetz Erniedrigungen und Folter praktizieren.

In den Textbeiträgen finden sich neben der Einführung zur Ausstellung aus der Feder von Beate Elsen-Schwedler, sehr lesenswerte Abhandlungen des Schriftstellers Mario Vargas Llosa, der sich mit der Biografie und Ikonografie Boteros beschäftigt, unter anderem in »Die üppige Pracht«. Llosa verweist darauf, das Botero in seinen Figuren das Schönheitsideal aufgreift, mit dem er aufwuchs: die Üppigkeit, die sich mit Schönheit verbindet. Und er hebt außerdem hervor, dass nicht nur die Frauen in Boteros Gemälden üppig-rundlich sind, sondern auch Früchte und selbst eine Mandoline, die Botero 1956 zeichnete. Vargas Llosa zitiert Botero unter anderem hinsichtlich der von Botero bevorzugten runden Formen mit folgenden Worten: »Ich vergrößere meine Gestalten, um ihnen Sinnlichkeit zu verleihen. Die Dicken um der Dicken willen interessieren mich nicht.« Lebenslust und Lebensfreude ist gänzlich von Sexualität getrennt zu betrachten, so Vargas Llosa über Boteros Arbeit. An den Dicken ist nichts Laszives. Und das sexuelle Element ist kaum wahrnehmbar, selbst nicht bei sich liebenden Paaren. Die weiblichen Figuren sind mütterlich, sanftmütig und unschuldig. Was Botero malt, gleicht bisweilen einer eingefrorenen Welt von Puppen und Zinnsoldaten, insbesondere wenn er Soldaten und Generäle ins Bild rückt. Den Bilderwelten Boteros mangelt es an Dramatik. Tod, Verfall, Grausamkeit und Gewalt fehlen auf den Gemälden, sieht man von seinen jüngsten Zeichnungen und Gemälden zu den Ereignissen im Irak ab.

Ausführlich beschäftigt sich Vargas Llosa mit der lateinamerikanischen Herkunft Boteros, der sich nur noch selten, und dann nur für Stunden, in seinem vom Bürgerkrieg gepeinigten Heimatland aufhält. Welche Beziehungen Botero zum Stierkampf hat, beleuchtet Vargas Llosa in seinem Artikel »Botero beim Stierkampf«.Die jüngsten Arbeiten, die sich mit Folter und Gräueltaten in irakischen Gefängnissen beschäftigen, analysiert Werner Spies in einem abschließenden Beitrag für die vorliegende Publikation, die neben einem Verzeichnis ausgestellter Werke auch eine ausführliche Biografie Boteros enthält. (fdp)


• Pakesch et al. (Hg.): Michel Majerus installation 92-02, ISBN 3-88375-930-9, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2005

Während die Textbeiträge sich teilweise in ihrer inhaltlichen Ausrichtung wiederholen, brilliert der vorliegende Band mit seinen Abbildungen, die die Werkgruppen und die Rauminstallationen des bei einem Flugzeugabsturz um Leben gekommenen luxemburgischen Malers Michel Majerus betreffen. Nicht so auf das großformatige Einzelwerk, sondern auf die Installationen der Arbeiten legte man bei der Veröffentlichung wert und zeigt Majerus Arbeiten in der Kunsthalle Basel, im Kunsthaus Graz, im Lydmar Hotel von Stockholm oder bei der 48. Biennale in Venedig. Beiträge von Peter Pakesch, Robert Fleck und anderen Autoren verweisen darauf, das Majerus ein Grenzgänger war, der Malerei für den Raum entwarf. Dabei bediente sich der Künstler gekonnt der aktuellen Medienwelten, von Comic bis zu Pixelbildern. (fdp)


• Helga Gutbrod (Hg.): In den stärksten Farben höchst unakademisch und ganz modern – Adolf Hölzel, Hermann Stenner und der Hölzel-Kreis, ISBN 3-9809837-3-0, Vier-Türme Gmbh; Benedict Press, Münsterschwarzach Abtei, 2005

Auf 25 Seiten widmet sich die vorliegende Veröffentlichung zunächst dem Schaffen Adolf Hölzels, der sich von einem Freilichtmaler im Dachauer Moos zu einem Vertreter des Abstrakten entwickelte. Dabei wird in dem vorliegenden Beitrag zum Thema »Abstraktion und strenge Bildtektonik« herausgearbeitet, dass Hölzel eine eigenständige Bildsprache entwickelte und das Figurative in farbige Keil- und Flächenformen innerhalb eines prismatischen Binnenraums auflöste. In Anlehnung an Goethes Farbenlehre entwickelte Hölzel eine eigene Farbenlehre und schuf mehrteilige Farbkreise. In den Jahren, in denen er sich ganz und gar der abstrakten Malerei verschrieb, war die Kompositionen Hölzels durch starke Primärfarben, klare Formen und eine gerüsthafte Bildaufteilung bestimmt. Im Beitrag »Adolf Hölzel und sein Kreis – Auf getrennten Wegen zum Ziel« wird Willi Baumeister mit folgenden Worten zu Hölzel zitiert: »Während seiner ersten Amtsjahre« - Hölzel unterrichtete an der Königlich Württembergischen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart – »hatte er das Grau und den Impressionismus hinter sich gelassen und knüpfte seinen Farbenpelz weiter auf.« Zu den Schülern Hölzels zählten unter anderem Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Johannes Itten sowie Hermann Stenner, den Kunsthistoriker bisweilen mit Edvard Munch vergleichen. Mit Stenner befasst sich die Autorin Edith Neumann in einem gesonderten Beitrag. Dabei würdigt sie die Rolle Stenners als Vertreter der Avantgarde, der nur eine sehr kurze Schaffenszeit von 1909 bis 1914 aufweist, da er als Kriegsfreiwilliger im Verlauf der ersten Monate des Ersten Weltkriegs an der Ostfront ums Leben kam. Aus der Feder von Edith Neumann stammen auch die weiteren Beiträge der Broschüre, darunter »Starke Begabung gegen den landläufigen Geschmack«. Abgerundet wird die Publikation durch Kurzbiografien der zum Hölzel-Kreis zählenden Künstler wie Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Johannes Itten, die vor allem aufgrund ihrer Bauhaustätigkeit bekannt wurden. (fdp)


• Robert Longo: Kaiserringpreisträger 2005

Zu empfehlen ist der Katalog, den das Mönchehaus zum Werk des Kaiserringpreisträgers 2005 Robert Longo herausgegeben hat. Er enthält nicht nur hervorragende Reproduktionen der gezeigten Werke, sondern auch die Biografie des Künstlers, sondern auch einen sehr lesenswerten Text von Werne Spiess, der sich mit den Arbeiten Longos befasst. (fdp)


• Sebastian Giesen (Hg.): Zauber des Banalen – Christian Rohlfs. Die frühen Landschaften, ISBN 3-9809809-1-X, Eigenverlag des Ernst Barlach Hauses, Hamburg 2005

Denkt man an Christian Rohlfs, den man als den Nestor der modernen Malerei in Deutschland ansehen kann, so fallen einem zunächst nicht die frühen, impressionistisch geprägten Landschaften ein, sondern die expressionistischen Arbeiten, die bisweilen an Vincent van Goghs Arbeiten erinnern. Die vorliegende Veröffentlichung spürt nun den einzelnen Stationen im frühen Schaffen Rohlfs’ auf, beleuchtet seine Weimarer Zeit und seine Begegnung mit den Gemälden Claude Monets. Intensiv beschäftigt sich Jens Christian Jensen in seinem Beitrag mit dem malerischen Werk von 1880 bis 1901 und weist darauf hin, dass Rohlfs in seinen künstlerischen Anfängen vom Realismus geprägt war. Auffallend ist bei Rohlfs, so Jensen, die Beschränkung der Bildthemen auf Ausschnitte der Wirklichkeit, die im 19. Jahrhundert nach akademischer Auffassung als bildunwürdig galten. Themen in Rohlfs frühen Landschaften sind ein Waldweg, die Weide am Graben, eine Allee, ein alter Steinbruch. Kein Mensch belebt die Natur, kein Hirsch röhrt am Waldesrand, wie der Autor analysiert. Der Bildraum ist überschaubar und schlicht und zugleich wird der Blick des Betrachters auf das Detail gerichtet, auf das, was vielfach übersehen wird. Anhand einiger Werke betrachtet der Autor das Bildwerk von Rohlfs auch im Kontext der aktuellen Kunstströmungen in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts und weist auf Rohlfs »patzigen Farbauftrag« hin, um das jeweilige Licht und die Witterung einzufangen. Ausschließlich mit den Weimarer Jahren befasst sich Horst Dauer in seinem Beitrag und weist in diesem auf die Lehrer von Rohlfs, Lenbach und Böcklin hin. Zugleich zeichnet Dauer die Lehrjahre von Rohlfs nach, erwähnt die Rücknahme der lockeren Pinselarbeit zugunsten eines kräftigeren Duktus und die impressive Malweise in den 1880er Jahren. Gebrochene Töne, so Dauer, finden sich neben reinen Farbwerten. Vitales Farbempfinden ist bei Rohlfs zu entdecken, ohne dass dieser die so genannten unbunten Farben wie Schwarz, Grau und Umbra von seiner Palette verbannte. In der durch zahlreiche farbige Abbildungen gut aufgelockerten Publikation zum frühen Christian Rohlfs findet sich auch eine Abhandlung zur Maltechnik von Rohlfs, die von Katja de Grussa-Bernard stammt. Eine tabellarische Biografie und ein Werkverzeichnis von 50 frühen Arbeiten runden die lesenswerte Veröffentlichung ab. (fdp)


• Kunsthalle Hamburg (hg.): Die Schlumper – Kunst in Hamburg (ISBN 3-89757-323-7, Verlag H.M. Hauschild GmbH, Bremen, 126 Seiten)

Bereits im Vorwort verweist der Direktor der Kunsthalle Uwe M. Schneede auf die Einzigartigkeit der Schlumper. Zudem wirft er im Zusammenhang mit den künstlerischen Aktivitäten dieser Hamburger Ateliergemeinschaft geistig behinderte Menschen die Frage auf, was denn eigentlich Kunst ist und ob Kunst auch auf die Werke der Schlumper angewendet werden können. Schneede bejaht diese Frage. Dank der Interviews mit der treibenden Kraft hinter den Schlumpern, dem Kunstlehrer Rolf Laute, erfährt der Leser nicht nur über die Einbindung Lautes in die Kunst des Informel, sondern auch über die nicht immer mit Wohlwollen vonseiten der Alsterdorfer Anstalten bedachten Bemühungen, die kreativen Fähigkeiten einiger aus Sicht von Laute begabter Bewohner zu fördern. Laute verweist im Interview darauf, dass in der europäischen Kunstgeschichte zum Beispiel Jean Dubuffet auf die unverbaute Spontaneität beim Malprozess zurückgriffen, wie sie für so genannte Außenseiterkünstler typisch ist. Dabei bezogen sich die Maler der Moderne bewusst auf die Kunst von Anstaltsinsassen, die ähnlich wie die Schlumper ohne Vorgedanken und Hemmungen mit Farbe, Leinwand, Spachtel und Pinsel umgingen. Laute verwahrt sich ausdrücklich der Kategorisierung der Kunst in eine von »Normalen« und von geistig Behinderten und begreift die Ateliergemeinschaft als »soziale Plastik« (Joseph Beuys), als lebendigen Organismus, in dem er ein Teil ist. Günther Gerken, Professor der Biochemie und ein Kenner der Schlumper, widmet sich in seinem Beitrag zwei bereits verstorbenen Schlumpern, Klara Zwick und Inge Wulff. Klara Zwick war eine vom Zeichnen Besessene. Das weiße Blatt Papier war ein Gräuel für sie. Jede Ecke des Blattes beschrieb und bemalte sie, schuf Zahlenbilder, die wir aus der Kunst der Gegenwart auch von Hanne Darboven kennen. Für Klara Zwick entstammen die Zahlenbilder nicht einem Konzept, sondern sind Materialisierung ihrer Umtriebigkeit. In vielen Arbeiten, ob »Paar« oder »Treppenhaus« ist der Kreis das wesentliche Element der Bildgestaltung. Gemalt hat Zwick sowohl figürliche als auch abstrakte Bilder, immer auf der Suche nach einer Zentrierung, nach dem Ich, wie Gerken ausführt. Die sinnliche Freude am Erstellen von Farbflächen ist charakteristisch für Inge Wulff, die nie lesen und schreiben gelernt hatte und dennoch einige Arbeiten mit welligen Schriftzeichen versehen hat – nicht fern von den Zeichen, die ein Cy Twombly in seine Arbeiten integrierte. Der Farbauftrag ist gestisch-spontan. Bisweilen meint man, Arbeiten des neuen amerikanischen Expressionismus oder von Malern der Gruppe »CoBrA« zu entdecken. In »Die Kunst der Schlumper – ein unvermuteter Glücksfall« geht der Autor Christian Mürner nicht nur dem Begriff »Schlumper« (nach dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm: »unvermuteter Glücksfall«, aber auch »langes, schleppendes Kleid«) nach, sondern auch dem religiös motivierten Bildwerk von Werner Voigt, der immer lachende Figuren mit Elefantenohren schuf, so auch in seinem großformatigen Gemälde »Die Speisung der Fünftausend«. Die ausgestellten Werke sowie weitere Arbeiten der Ateliergemeinschaft »Die Schlumper« sind in der vorliegenden Veröffentlichung ebenso aufgenommen worden wie ein Werkverzeichnis der Exponate. (fdp)


• Péter Nádas: Seelenverwandt –
Ungarische Fotografen 1914 – 2004

Péter Nádas: Seelenverwandt – Ungarische Fotografen 1914 – 2004 (ISBN 389479-265-6, Nicolai-Verlag, Berlin, 79 Seiten): Nádas, der vor allem durch seine Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke bekannt geworden ist, ist auch Fotograf und blickt in der vorliegenden Veröffentlichung auf die facettenreiche Fotografie in seinem Heimatland Ungarn. In seinem sehr lesenswerten Essay schreibt Nádas, dass er bestimmt dreißig ungarische Fotografen in sich trage. Und mit diesem Hinweis macht er den Leser nicht nur auf Namen wie Hervé, Brassai und Moholy-Nagy aufmerksam, sondern auch auf drei ungarische Schulen der Fotografie, der illusionistischer, der realistischen und der konstruktivistischen – so Nádas Worte. Allen gemeinsam, so der Autor, der auch die Ausstellung zur ungarischen Fotografie im Martin-Gropius-Bau kuratiert hat, ist der Sinn für Geschichte. Auffallend ist bei den Gründervätern der ungarischen Fotografie, Balogh, Vydareny und Kertész die Einfühlsamkeit, mit der sie das Massenelend im Land und das Grauen des Ersten Weltkrieges in Schwarz-Weiß-Bildern festgehalten haben. Dabei erfüllen sie das Credo, das Nádas für die Fotografie setzte: »Du mußt ins tiefste Dunkel hineinblicken. Es genügt nicht, das Dunkle vom Hellen zu unterscheiden, du mußt das Schwarze vom Schwarzen unterscheiden können.«

Ein Kreuz vor einem Grab und ein Soldat in einem ausgehobenen Graben, sind Eindrücke von der Front, die Rudolf Balogh festhielt. Wie Figuren eines Schattenspiels wirken die von diesem Fotografen aufgenommenen »Soldaten in einem Schneefeld, 1914-18«. Den Alltag der Soldaten spiegeln Aufnahmen wie »Ein Bad an der Front, 1917« von Iván Vydareny wider. Lucien Hervé »Ankläger« ist ein barfüßiges indisches Kind vor einem Bretterzaun, dessen Gesicht der Betrachter wegen des tiefen Schattens, der über dem fotografierten Kind liegt, nicht sehen kann. Beeindruckend sind die Porträts des vorliegenden Katalogs, darunter Káta Kálmáns Porträts des Fabrikarbeiters Ernö Weisz. Dass Robert Capa mehr als nur Kriegsreporter war, unterstreicht seine Aufnahme von einer Kettenkarusselfahrt auf dem Kirmes in Sevilla im April 1935. Beindruckend ist Capas Serie, die er im April 1945 in Leipzig geschossen hat und die Festnahme deutscher Scharfschützen durch amerikanische Soldaten zeigt. Darüber hinaus sind im vorliegenden Band auch Aktaufnahmen von Kertész und Besnyö und Brassai zu finden.

Neben den zahlreichen Abbildungen finden sich eine ausführliche Werksliste und kurze Biografien ungarischer Fotografen. (fdp)


Gegen die Zeit gezeichnet - Blumen und andere Stillleben von Horst Janssen

Im vorliegenden Katalog (ISBN 3-89995-257-X, Isensee-Verlag, 144 Seiten) weist Jutta Moster-Hoss in ihrem Vorwort darauf hin, dass sich in den Beständen des Horst-Janssen-Museums, das sich im Wesentlichen auf die Hamburger Privatsammlung Vogel stützt, nur wenige Blumenbilder Janssens befinden. Blumenbilder spielten im Frühwerk des Künstlers, auf das sich das Museum konzentriert, nur eine untergeordnete Rolle. Erst in den späten 1980er Jahren wandte sich Janssen dem Stillleben zu, wie die Autorin schreibt. Vor allem diese Stillleben sind es, die Janssens Popularität bei einer breiten Öffentlichkeit ausmachen. Kein Wunder also, dass man sich im Horst-Janssen-Museum nun auch diesem Aspekt des zeichnerischen Werks, des aus Oldenburg stammenden Künstlers angenommen hat.
In seinem Essay zur Geschichte des Stilllebens in der europäischen Kunst seit dem 16. Jahrhundert weist Reiner Meyer zu Beginn seiner Ausführungen auf die Symbolhaftigkeit von Blumen hin: die Lilie steht für Keuschheit und Unschuld, die Rose für den Inbegriff der weiblichen Schönheit und die Akelei für den Heiligen Geist. Zugleich verweist Meyer darauf, dass Blumen, Früchte und andere unbewegliche Gegenstände in der Kunst kein »Eigenleben« führten, sondern zumeist Beiwerk in anderen Werken waren. Es dominierten die Figuren in den Bildwerken, so auch bei Pieter Artsen in »Christus bei Maria und Martha«. Erstes eigenständiges Stillleben ist »Der Fruchtkorb« von Michelangelo Merisi de Caravaggio, um 1590 entstanden. Das Stillleben des 16. und 17. Jahrhunderts, so Meyer, ist nicht nur Ausdruck für die Faszination der Natur, sondern zugleich wird auch das Vergängliche transportiert. So findet man Vanitas-Symbole wie den Totenschädel neben einer Vase mit Blumen. Auch den Tatbestand der niederländischen Tulpenmanie des frühen 17. Jahrhunderts und das wissenschaftliche Interesse an der Flora wie bei Maria Sylvia Merian streift Meyer in seiner lesenswerten Abhandlung.
Die Gattung »Nature Morte«, in der sich auch Janssen wiederfand, begründete Gustave Courbet, während sich Edouard Manet mit dem Erscheinen der Dingwelt und dem Auflösen der Formen in »Lichterscheinungen« beschäftigte. Eine expressive Steigerung sehen wir in van Goghs späten Blumenbildern. Auch Paul Cézanne fällt eine besondere Rolle im Zusammenhang mit dem Stillleben zu, so Meyer. Geradezu revolutionär sind die Bildauffassungen des synthetischen Kubismus von Picasso und Braque, auch wenn sie sich weniger mit vergänglichen Dingen wie Blumen und Früchten, sondern Alltagsgegenständen aus ihrer Umgebung – siehe Picassos »Stillleben mit Rohrgestühlgeflecht – befassten. Die Pop Art nahm sich ebenso der Blume als Motiv an – man denke nur an Warhols »Blumen« – wie auch Kelly und Cook. Letzterer imitierte mit seinen riesigen Kohlezeichnungen die Ästhetik der Schwarz-Weiß-Fotografie. Auf dem Hintergrund der historischen Betrachtung des Stilllebens in der Kunst widmet sich Meyer in einem weiteren Beitrag dem Stillleben im Werk Horst Janssens. Janssen ging es bei seinen Stillleben nicht um das Dekorative und Gefällige, sondern um ein »Nature morte«. Er sah im Aufblühen und Blühen schon das Verwelken, sah Entstehung und Untergang. Es ist nicht nur die Zeichentechnik, die anhand einzelner Werke in Meyer sAbhandlung erläutert wird, sondern immer auch das Motiv, dessen sich Janssen bemächtigte, ob nun das an den Bildrand gerückte verwelkte Enzianknäuel oder die Zeichnung »Verwelkt«. Bereits in den Titeln und in den Motiven der Stillleben Janssens ist das Vergängliche auszumachen. Janssen umgab sich mit den Gegenständen, die er zeichnete, wie Elisabeth Satorius in ihrem Bildband »Leben im Stillleben« dokumentiert. Bisweilen sind die Stillleben auch Liebeserklärungen und Bewältigung von Trennungen, so wie »Abschied«, ein Werk, das 1979 nach der Trennung von Kerstin Schlüter entstanden ist. Insbesondere die Bildinterpretation auf dem Hintergrund der Biografie Janssens machen den Beitrag Meyers unverzichtbar für das Verständnis der Blumenstillleben Janssens. (fdp)


• Karl Schmidt-Rottluff: Die Berliner Jahre 1946-1976

Fast drei Viertel des vorliegenden Katalogs (ISBN 3-7774-2835-3, Hirmer-Verlag, München, 185 Seiten) machen die Abbildungen der Werke Schmidt-Rottluffs aus seiner Berliner Nachkriegszeit aus. Dabei entspricht die Einstellung der Abbildungen in den vorliegenden Band der Hängung in der Ausstellung, die sich mit den ersten Jahren nach dem Krieg ebenso befasst wie mit Schmidt-Rottluffs Zeit im Tessin und im Taunus. Neben biografischen Notizen und dem Werksverzeichnis enthält der vorliegende Katalog zwei theoretische Abhandlungen zu Schmidt-Rottluffs Schaffen. Christiane Remm beschäftigt sich mit den Metamorphosen von Motiv, Form und Farbe im Spätwerk des Künstlers, während Arnt Freiheim der Frage nach der Ähnlichkeit der Motive bei Schmidt-Rottluff und Munch nachgeht.
Remm gelingt es nachhaltig, die Lebensstationen Schmidt-Rottluffs nachzuzeichnen. Dabei verweist sie darauf, dass das Spätwerk des Künstlers sich von ungestümer, ungebändigter Kraft und der Freude am Experimentellen der frühen Werkphasen gelöst hat. Ernüchterung ist auch bei Schmidt-Rottluff eingekehrt, der in einem Brief an Curt Stoermer bemerkt: »Wir gehörten zwar zu den Überlebenden, aber viel ist sonst nicht übrig.« Ein Großteil der Werke Schmidt-Rottluffs waren während des NS-Regimes verkauft oder vernichtet worden. 1943 brannte das Berliner Atelier des Künstlers aus und auch ausgelagerte Werke gingen in den Kriegswirren verloren. Nach 1945 musste Schmidt-Rottluff einen Neuanfang wagen. Sein Spätwerk ist dabei, so die Autorin, durch einen kräftigen, raumfüllenden Farbauftrag gekennzeichnet, so in »Demolierte Fabrik«. Nicht nur diese Arbeit hat sich Remm herausgegriffen, um das späte Schaffen des Künstlers dem Leser nahe zu bringen, sondern auch die romantische Reminiszenz »Wanderdüne am Haff«, eine Arbeit, die aus der Erinnerung gleich nach Kriegsende entstanden ist. Landschaften sind der eine Teil des Motivkanons, der andere Stillleben und Interieurs, so Remm.

Neues Domizil Schmidt-Rottluffs wurde die Zehlendorfer Schützenallee 136, wo er bis zu seinem Tode lebte und malte. Zwischen 1948 bis 1950 entstanden viele Bilder aus der Privatsphäre des Malers, so auch »Platz am Fenster«. In der Folgezeit, und das zeichnet Remm anhand von einzelnen Werken nach, kamen aber auch Landschaften, die an der Ostsee oder im Tessin entstanden hinzu. Hingewiesen wird auch auf die Veränderung der Motive und deren Stofflichkeit. Mehr und mehr hat man den Eindruck des Entrückten, betrachten man Arbeiten Schmidt-Rottluffs.(fdp)


• Die Brücke - Die Geburt des deutschen Expressionismus

Sehr zu empfehlen ist der umfängliche Katalog, der auf 390 Seiten, die Themen der Ausstellung in Texten und Abbildungen ausführlich nachzeichnet. Zudem finden sich in der bei Hirmer erschienenen Publikation (ISBN 3-7774-2725-X) Beiträge, die sich mit Kirchners Straßenszenen ebenso auseinander setzen wie mit dem Stil der Brücke und der Chronologie der in Dresden gegründeten Künstlergruppe. Die Liste der ausgestellten Werke ist in die Veröffentlichung ebenso integriert wie die Biografien der Brücke-Maler. Ein Register sucht man jedoch vergeblich. (c) fdp


Otto Dix: Hommage à Martha

Was in der Ausstellung vermisst wird, biografische Hintergründe zum Leben der Famile Dix und zu den Beweggründen von Otto Dix, seine Frau zu porträtieren, wird im Begleitband zur Ausstellung angesprochen. Zu erfahren ist in dem Beitrag von Karin Schick, dass Dix das Porträt »für eine der reizvollsten und schwersten Arbeiten für einen Maler hielt«. Denn: »Das Ganze sehen und bilden kann nur der Maler«, so Dix. Beschrieben wird die erste Begegnung der späteren Eheleute im Hause Koch in Düsseldorf, wo das Ehepaar Dr. Hans Koch und Martha Koch, die spätere Martha Dix ein »Grafisches Kabinett« führten. Es scheint Dix Tanztalent gewesen zu sein, das Martha Koch für den Maler schwärmen ließ: »Es stellte sich heraus, daß er wahnsinnig gut tanzen konnte. Hans fand das albern und machte extra noch Blödsinn. Grauenvoll. Ich war nun immer kolossal auf Tanzen aus, und es wurde beschlossen ein Grammophon anzuschaffen.«, so Martha im Rückblick auf ihre Annäherung an Dix. Während dieser Zeit entsteht mit spitzem Stift, feinen Strichen und Schraffuren die elegant wirkende Martha, deren Augen von Dix besonders betont wurden. Man erfährt im weiteren Text von der Begenung mit Hugo Erfurth, von den Witzezeichnungen, die Dix seiner Korrespondenz beifügt. Zudem werden die sozialen Unterschieden der beiden späteren Eheleute skizziert: Martha, die Tochter eines Versicherungsdirektors und an Personal und Hauslehrer gewöhnt, mit Sinn für Musik und Talent zum Zeichnen, und der aus einfachen Verhältnissen stammende Otto Dix, von dem Martha sagt: »Es ist schwierig, mit ihm zusammenzuleben. Man muss schon Humor haben.« Martha schien in der Beziehung die treibende Kraft. Sie nahm die Dinge in die Hand, die Renovierung der Wohnung in Düsseldorf und später den Hausbau am Bodensee. Martha Dix war modebewusst, ging mit der Zeit, trug eine Kurzhaarfrisur und schicke Kleider, wie wir aus den Porträts wissen. Die Sexualität von Martha schien für Otto Dix nicht darstellbar, Lust und Sex war für Dix mit der Welt des Bordell verknüpft ist, so Karin Schick in ihrem Beitrag, oder mit der Mätresse und Geliebten- wie Dix außerehelicher Gespielin Elis Franz. Neben einer Fülle von Abbildungen, darunter die Porträts von Dix, die August Sander und Hugo Erfurth geschossen haben, und die Gemälde von Dix, die er seiner Gattin schenkte, wurden in dem deutsch-englischen Begleitband zur Ausstellung auch die Lebendaten von Otto und Martha Dix aufgenommen. Diese Veröffentlichung (ISBN 3-7757-16209-3) ist eine unverzichtbare Quelle, um den Menschen Dix näher kennen zu lernen. (c) fdp


• Max Bill

Die grafische Gestaltung des Katalogs ist herausragend und wohl im Sinne Bills ausgefallen. Die bei Hatje Cantz erschienene Publikation (ISBN 37757-1641-6) widmet sich in separaten Kapiteln dem Architekten, Designer, Bildhauer, Grafiker, Typografen und Maler Max Bill. Bill selbst kommt in ausführlichen Essays wie »kandinsky als pädagoge und erzieher« - auch in der Veröffentlichung pflegt man konsequente kleinschreibung – zu Wort. Es ist nicht nur die Begegnung Bills mit dem 60-jährigen Kandinsky die nachhaltig auf die Karriere des Schweizer Multitalents einwirkte, sondern auch die mit anderen Bauhausmeistern. Vor allem begeisterte sich Bill für das pädagogische Geschick Kandinskys im Umgang mit den Bauhausschülern. Für die von Bill gepflegte konkrete Kunst war, so Bill, die Begegnung mit dem belgischen Künstler Georges Vantongerloo von besonderem Wert. Bill sah in ihm den Wegbereiter der Konzeptkunst, war fasziniert von den Formen und Farben im Raum, die Vantongerloo geschaffen hatte. Kritisch sind Bills Anmerkungen zur Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, an der er selbst lehrte und Lehrplanprinzipien konzipierte. Dabei sollten die Bauhaus-Idee als die Verzahnung von Theorie und Praxis, visuelles Training, Analyse und Übungen der elementaren Darstellungsformen und neue Gestaltungsmethoden im Vordergrund der Ausbildung stehen. Überaus lesenswert ist Bills Beitrag zu seinen Erfahrungen mit der griechischen Architektur. Dem Geist der Geometrie in der Plastik widmen sich Max Bill und Karl Gestner in eigenständigen Abhandlungen. Die Abbildungen der Werke ermöglichen schließlich einen verdichteten Überblick, den die auf drei Etagen platzierte Ausstellung nur bedingt bietet. (c) fdp


• Exil und Moderne

In der Edition Braus ist ein Katalog zur Ausstellung erschienen (ISBN 3-89904-139-9), der nicht nur die Einzelwerke der Ausstellung vorstellt, sondern sich auch mit dem Werdegang der Sammlung und dem Leben von H.W. Janson befasst. Ein gesonderter Beitrag widmet sich dem »Fall des Erfurter Angermuseums«, dessen Geschichte ein Beispiel für den Umgang der Nazis mit moderner Kunst ist. (c) fdp


• Wilhelm Lehmbruck : Das plastische und malerische Werk, Gedichte und Gedanken

Zur Jubiläumsausstellung des Wilhelm-Lehmbruck-Museums im Jahr 2005 ist ein neuer Bestandskatalog erschienen (Wienand-Verlag, ISBN 3-89279-615-7). Er befasst sich in ausführlichen Beiträgen mit dem malerischen und plastischen Werk Lehmbrucks. Neben einer Biografie sind auch Lehmbrucks Gedichte – teilweise von Schwermut geprägt – in die vorliegenden Publikation aufgenommen worden. (c) fdp


• Lehmbruck, Rodin und Maillol

Der von Christoph Brockhaus herausgegebene Begleitband »Lehmbruck, Rodin und Maillol« (ISBN 3-89279-614-9) behandelt nicht nur das Thema »Körpersprache und plastische Kunst«, sondern folgt der thematischen Gliederung der aktuellen Ausstellung und befasst sich mit Themen wie »Monumentalstatue und Menschenpaar« oder »Gesten der Meditation«. Das Verzeichnis der ausgestellten Werke mit Kommentierungen rundet den vorliegenden Band ebenso ab wie die Biografien der drei Bildhauer und eine umfängliche Bibliografie. (c) fdp


• Manfred Lehmbruck: Architektur um 1960

Besonders für die, die sich für moderne Architektur interessieren, ist vorliegende Architekturband (Spurbuchverlag, ISBN 388778-291-7) zu empfehlen, der von der Architekturgalerie am Weissenhof Stuttgart herausgegeben wurde, und unter anderem den lesenswerten Beitrag von Manfred Lehmbruck »Freiraum Museumsbau« enthält. Darüber hinaus besticht er durch hervorragende Architekturfotos, die teilweise auch Eingang in die aktuelle Ausstellung gefunden haben. (c) fdp


Die obere Hälfte - Die Büste seit Auguste Rodin

Der in der Edition Braus (ISBN 3-936921-01-5) erschienene Katalog beschäftigt sich mit der Frage des Wiederauflebens der Büste im 15. Jahrhundert und des Porträts im Spannungsfeld von Idealisierung und Authentizität. In einem historischen Rückblick wird auf die Büsten Cellinis und Berninis eingegangen, die im Auftrag für Kirche und Adel arbeiteten. Die »moderne Auffassung der Büste« als Veranschaulichung des seelischen Zustands des Porträtierten nimmt mit Auguste Rodin ihren Anfang und setzt sich mit Daumier, Rosso und anderen fort, ein Prozess, den Astrid Nielsen in ihrem Beitrag »Auguste Rodin und die Porträtbüste seiner Zeit« nachzeichnet. Der Büste in der klassischen Moderne wird ebenso in einem Beitrag abgehandelt wie auch in einem gesonderten Artikel den Arbeiten Alberto Giacomettis Aufmerksamkeit geschenkt wird, dessen Figuren im Laufe der künstlerischen Karriere teilweise auf wenige Zentimeter zusammenschrumpften. Thematisiert wird auch die Nachahmung der Natur in der zeitgenössischen Büste und die Frage neuer Materialien bei der Schaffung von Büste im ausgehenden 20. Jahrhundert. Leider fehlt in dem Band ein Stichwort- und Personenregister. Auch ein Werkverzeichnis der ausgestellten Objekte ist nicht zu finden. (c) fdp


Willi Baumeister: Figuren und Zeichen

Der Katalog, erschienen im Verlag Hatje Cantz und herausgegeben durch das Bucerius Kunstforum(ISBN 3-7757-1691-2) behandelt in lesenswerten Beiträgen das Werk und die Wirkung des Baumeisterschen Schaffens ebenso wie es die Sammlung außereuropäischer Kunstobjekte Baumeisters vorstellt. Die Beziehung Baumeisters zu den naturwissenschaftlichen Arbeiten Goethes streift ein weiterer Beitrag. Und ein gesondertes Kapitel ist dem Gilgamensch-Epos vorbehalten, das Baumeister bildlich bearbeitet hat. (c) fdp


Franz Marc

So opulent wie die Ausstellungen im Lenbachaus und im Kunstbau angelegt war, so ist auch der bei Prestel erschienene Begleitband »Franz Marc« (ISBN 3-7913-3497-2) ausgefallen. Neben einer tabellarischen Biografie widmet sich Annegret Hoberg ausführlich der künstlerischen Karriere von Franz Marc, beleuchtet seine Liebschaften und seine Kontakte zu Malerkollegen wie August Macke. Ausführlich illustriert und durch einen kurzen Text eingeleitet werden die unterschiedlichen Arbeiten Marcs, Gemälde, Arbeiten auf Papier, Postkarten, Skulptur und Hinterglasmalerei sowie das Skizzenbuch aus dem Felde. Nur wenige Werke werden durch ausführlichere Bildzeilen erläutert. Überwiegend beschränken sich die Herausgeber auf die jeweilige Abbildung. Wer den vorliegenden Band in Ruhe durchblättert, der kann den Eindruck der Ausstellung vertiefen, was angesichts der Werkfülle auch notwendig erscheint. Eigentlich müsste man diese Retrospektive mehrmals besuchen, um sich mit der Vielfalt des Marcschen Schaffens auseinander zu setzen. Der Katalog kann diese Auseinandersetzung ohne Frage fördern. (c) fdp


• Henry Moore: Epoche und Echo - Englische Bildhauerei im 20. Jahrhundert

Der sehr gut gestalteten Katalog (ISBN 3-89929-041-0), der im Verlag Swiridoff erschienen ist, besticht nicht nur durch brillante Abbildungen, sondern auch durch flüssig geschriebene Textbeiträge, so zu Moores skulpturgeschichtlichem Ort, eine ausführliche Biografie und einem Werkverzeichnis der ausgestellten Arbeiten. Kurze O-Töne von Moore und anderen englischen Bildhauern kommentieren die einzelnen Arbeiten und lassen somit die Künstler selbst die eigenen Arbeiten interpretieren und einordnen. Zudem lockern sie gestalterisch den vorliegenden üppig illustrierten Band auf. (c) fdp


• Picasso: Badende

Der Umfang der Schau – sie gleicht einem Bühnenstück über das Badevergnügen vergangener Tage – ist beeindruckend und für die meisten nur in Ausschnitten aufnehmbar. Umso wichtiger erscheint es mir, auf den Katalog »Picasso Badende« hinzuweisen, der bei Hatje Cantz erschienen ist. Er scheint mir zur vertiefenden Beschäftigung mit dem Thema als sehr geeignet. In ihm wird dankenswerter Weise nicht allein den »Wahlverwandschaften: Badende bei Picasso und Cézanne« ein Kapitel eingeräumt, sondern er beschäftigt sich in einem weiteren Beitrag auch mit der Einbindung des Themas in deren Motivgeschichte. Eine Bibliografie und umfangreiche Biografie komplettieren den durch zahlreiche Abbildungen ausgezeichnet gestalteten Band (ISBN 3-7757-1602-5). (c) fdp


• Ernst Schwitters

Aus Anlass einer Ausstellung im Sprengelmuseum zum fotografischen Werk von Ernst Schwitters ist ein dreisprachiger (Deutsch/Norwegisch/Englisch) Katalog erschienen, der sich ausführlich mit dem Werdegang Ernst Schwitters beschäftigt. Unter dem Titel »Poetische Sachlichkeit« behandelt Olav Løkke nicht nur die Fotogramme aus den 1930er Jahren, sondern auch die Einflüsse und Vorbilder vor dem Hintergrund von Bauhaus und Neuer Sachlichkeit. Schwitters war kein Dokumentarist, wie die Lektüre der Publikation (Hatje Cantz, ISBN 3-7757-1526-6) unterstreicht, sondern er sah die Fotografie eher als ein Symbol statt als korrekte Wiedergabe eines Details an. Dass wir heute überhaupt das Werk dieses in Deutschland weitgehend unbekannten Fotografen entdecken können, ist nur dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass es Schwitters bei der Flucht von Norwegen nach England gelungen war, 2500 seiner Negative zu retten. Neben einer Kurzbiografie – bereits mit 13 Jahren zeigte Schwitters seine Fotos erstmals öffentlich – findet man in der Veröffentlichung auch ein Verzeichnis der ausgestellten Werke sowie zahlreiche der Schwarz-Weiß-Fotos aus allen Schaffensphasen des Fotografen. (c) fdp


• Niki & Jean - L'Art et l'Amour

Ein einmaliges Text- und Bilddokument ist der anläßlich der Ausstellung »Niki & Jean - L'Art et l'Amour« bei Prestel erschienene Katalog, der die Lebensstationen von Niki und Jean nachzeichnet und dabei auf O-Töne nicht verzichtet, so dass man nicht von Dritten über die Kunst und die Biografie der beiden erfährt, sondern von den Betroffenen selbst. Zudem besticht die Veröffentlichung durch zahlreiche Bilddokumente, die sich mit der Entstehung einzelner Projekte wie dem »Zyklop« oder »Hon« befassen. Zugleich mit dem Nachzeichnen des künstlerischen Werdegangs von Niki des Saint Phalle und Jean Tinguely taucht der Leser wie auf einer Zeitreise in die Aufbruchsjahre zwischen 1961 und 1968 ein, erfährt aber auch vom Beginn und der Realisierung des Tarotgartens in der Toskana, einem Projekt, dem sich Niki bis zu ihrem Tod verschrieben hatte. Nachzulesen ist in der vorliegenden Publikation (ISBN 3-7912-6050-7) auch die Korrespondenz zwischen Niki und Jean, die nicht nur Kunst, sondern auch Liebe und Eifersucht miteinander verband. (c) fdp


• Ewald Gäßler (Hg.): 100 Jahre Willi Oltmanns – 100 Werke: Gemälde und Aquarelle

In der vorliegenden Veröffentlichung (ISBN 3-89995-256-1, Isensee-Verlag, Oldenburg, 129 Seiten), die leider nicht durchgehend farbige Abbildungen der spätexpressionistischen Arbeiten Willi Oltmanns enthält, wurden drei sehr lesenswerte Beiträge aufgenommen, die von Ewald Gäßler, Uwe Heckmann und Johanna Brade stammen. Sie befassen sich mit der Biografie des Künstlers, mit dessen malerischen Werk, vornehmlich mit den Landschaften, und mit der Kunst des Aquarells, einer Technik, die Oltmanns für das Festhalten des Augenblicks besonders liebte. Neben dem Katalog der ausgestellten Arbeit wurde auch eine Bibliografie veröffentlicht. Als Einführungstext gibt die von Gäßler verfasste Biografie Willi Oltmanns’ einen guten Überblick über den Lebensweg des Künstlers, der ursprünglich eine Lehre als Anstreicher absolvierte, ehe er mit der Künstlerkolonie Schreiberhau in Berührung kam. In dieser Kolonie hielten sich zeitweilig auch Otto Mueller, Otto Dix und Max Slevogt auf. Vermerkt wird auch das Oltmanns während seiner Berliner Zeit Kontakt mit Max Pechstein hatte, einen der wichtigsten Vertreter des deutschen Expressionismus. Kriegszeit und Gefangenschaft in Belgien sind Zeiten im Leben des Künstlers, in denen er die alltägliche Trostlosigkeit in kleinen Arbeiten festhielt. In den 1950er Jahren siedelte sich der Künstler am Rande von Delmenhorst an, wo er 1979 verstarb. Heckmanns Abhandlung über das malerische Werk Oltmanns befasst sich sowohl mit den Selbstbildnissen des Künstlers als auch mit den Landschaften. Die in diesem Beitrag aufgenommenen Bildanalysen hätte man sich als Besucher auch beim Rundgang durch die Ausstellung gewünscht. Heckmann weist den Leser nachhaltig auf Oltmanns konstruktive Bildgerüste hin, die seine Landschaften bis zum Beginn des letzten Schaffensjahrzehnts durchziehen. Außerdem arbeitet Heckmann in seinem Beitrag auch die durch deskriptive Lokalfarbigkeit geprägten Landschaften Oltmanns heraus und verweist in diesem Zusammenhang auf die »Vorbilder« van Gogh und Cézanne. Die Skizzierung im Vorfeld der Arbeiten in Öl ist typisch für Oltmanns, der die beobachtete Natur in wenigen summarischen Konturen und Schraffuren fasste und diese dann in Öl und Aquarell umsetzte. Hervorgehoben wird von Heckmann auch die Liebe des Künstlers zur Schneelandschaft, einem Sujet, das Oltmanns in der Zeit in Schreiberhau entdeckte. Johanna Brade weist in ihrem Artikel über Willi Oltmanns und die Kunst des Aquarells auf den Umfang der Aquarelle im Werkverzeichnis Oltmanns hin: Über 2000 Aquarelle sind verzeichnet, die in einer Schaffenszeit von fünf Jahrzehnten entstanden sind. Wie die meisten seiner Kollegen in der Kolonie Schreiberhau, so Brade, verzichte Oltmanns bei seinen Aquarellen auf figürliche Darstellungen und gab sich ganz und gar der Umsetzung jahreszeitlicher Stimmungen hin. Ob sich Oltmanns die Technik, in Aquarell zu arbeiten selbst beigebracht hat oder aber von den Künstlerkollegen darin unterwiesen wurde, ist ungewiss. Im Gegensatz zu seinen Kollegen ging es Oltmanns nicht um die naturnahe Abbildung. Er stilisierte und schematisierte die Elemente der Landschaft, machte dadurch die Topografie zur Nebensache, wie Brade schreibt. Nicht das spontane Malen in Aquarell war Oltmanns Sache, sondern die Komposition wurde geplant und mit wenige Strichen ein Liniengerüst auf das Papier gezeichnet. Es scheint als schwimmen die changierenden Farben über dieses Gerüst, in das nur wenige starke Pinselstriche für Motivdetails gesetzt wurden. (fdp)


Karin Schick /Karsten Müller: Walter Gramatté (1897-1929), Verlag Dumont Köln 2008, ISBN 978-3-8321-9131-3, 175 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen

Neben der Biographie des Künstlers finden sich in der vorliegenden Veröffentlichung Beiträge, die sich mit den Themen der Ausstellung – Porträts, Zustände, Selbstporträt, Landschaft, Szenisches oder Sonia befassen. Die Beiträge sind eine wertvolle Ergänzung zur Ausstellung, die mit Saaltexten und Werkinterpretationen sehr sparsam umgeht. Hervorgehoben wird unter anderem von Karsten Müller in dessen Beitrag zum Thema Zustände, dass Gramatté im Gegensatz zu anderen Künstlern durch die Ereignisse des Ersten Weltkriegs nicht politisiert wurde, sondern eher mit seinem Schicksal haderte und sich als Außenseiter ansah. Den Krieg begriff der Künstler als etwas Schicksalhaftes. Das Bewusstsein der eigenen Krise übertrug der Künstler in seine Bilder und versuchte diesen Allgemeingültigkeit zu geben, nicht ohne auf eine metaphorische Überhöhung zu verzichten. „... Es ist eine verfluchte Sache, die Kunst, eine Mordsqual, aber es gibt doch Momente, die man für nichts hergeben würde.“ Das sind die eindrucksvollen Worte eines Künstlers, der mit seinem Schicksal haderte und in der Kunst alles fand. „Du, ich habe mich schon lange mit einem Selbstportrait herumgeschleppt. ... Denke: Uniform, Rot und Schwarz, ganz ganz einfach. ... Ganz weißes Gesicht, reines Weiß -, nur um die Augen Rot. Etwas verweint, sieht das Ganze aus ...“. Mit diesen Worten beschreibt Gramatté den Schaffensprozess an seinem Selbstbildnis in Uniform, das wie andere auch in einem Beitrag von Karin Schick vorgestellt wird. (c) fdp


Kunst in der Stadt Hamburg

Neben dem einleitenden Beitrag von Uwe Fleckner, der sich mit der ästhetischen Dimension einer Stadt und Kunst im Kontext unwirtlicher Städte auseinandersetzt, stehen vor allem die Einzelkunstwerke im öffentlichen Raum im Mittelpunkt der Betrachtung. Fleckner verweist auch und gerade auf die Problematik von Kunst im öffentlichen Raum und führt unter anderem die beziehungslos auf der Moorweide platzierte Plastik von Henry Moore sowie die temporären Interventionen im Stadtraum an, die nicht immer auf ungeteilte Zustimmung treffen. Kurz und prägnant sind die Erläuterungen zu dem in Versalien gehaltenen Schriftkunstwerk von Lawrence Winter am HWWA-Gebäude und Ian Hamilton Finlays Werk auf dem Plateau zwischen der Galerie der Gegenwart und dem Altbau der Kunsthalle. Schrift wird auch bei Barbara Schmidt Heins zur Kunst, wenn auch „die eigene GESCHICHTE“ sich nicht auf den ersten Blick selbst erklärt. Wer die Rolltreppe der U-Bahn im Hauptbahnhof hinauffährt, wird Begriffe auf jeder Stufe entdecken, zumindest für einen Augenblick. 126 Stufen sind mit einer Textinstallation belegt. Doch hat der U-Bahn-Nutzer eigentlich die Muße, „Ich bin nicht oben ich bin nicht unten ...“ zu lesen? Inmitten des wuselnden Verkehrsgedränges wurde als Kunstintervention eine Pflanzeninsel geschaffen, die nunmehr den Deichtortunnel begrünt. Kunst oder Nicht-Kunst ist hier allerdings die Frage. Nicht frei von kommentierenden Grafittis ist Richard Serras Cortenstahl-Skulptur vor den Deichtorhallen. Nicht nur diese Kunstwerke, sondern auch Arbeiten von Waldemar Otto (Heine-Denkmal) oder von Alfred Hrdlicka, lassen sich dank eines beigefügten Stadtplans bei einer Hamburg-Tour auch besuchen. Dabei kommt man nach Altona, St.Pauli und auch in den Hafen und die Hafen-City, lernt also auch Hamburg zu Fuß kennen. Uwe Fleckner (Hg.): Kunst in der Stadt Hamburg - 40 Werke im öffentlichen Raum, 192 Seiten, 90 farbige Abb., ISBN 13: 978-3-89479-370-8, 24.90 € (c) fdp)

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