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Staatsgalerie

Farbe muss es sein
Zur Neuhängung in der Staatsgalerie Stuttgart

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Farbe muss es sein – Zur Neuhängung in der Staatsgalerie Stuttgart

Das Ansehen des Museums begründen nicht nur hervorragende Gemälde alter Meister, sondern auch bedeutende Werkgruppen wie „Die Brücke“, „Der Blaue Reiter“ und „Kubismus“ sowie Werkkomplexe von Künstlerpersönlichkeiten wie Pablo Picasso, Max Beckmann, Joseph Beuys und Anselm Kiefer. In der Graphischen Sammlung befinden sich über 400 000 Arbeiten, u. a. von Käthe Kollwitz, Otto Dix und Oskar Schlemmer. Neben altdeutscher Malerei verfügt die Staatsgalerie über das besondere Sammelgebiet „Schwäbischer Klassizismus“, außerdem über beispielhafte Werke der wichtigsten Kunstströmungen des 19. Jahrhunderts, von den Präraffaeliten bis zum Symbolismus, von der Romantik bis zum Impressionismus. Überaus umfangreich ist auch die Sammlung der Klassischen Moderne und der Kunst nach 1945.

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Foyer der Staatsgalerie (c) foto fdp

Mit viel Vorschusslorbeeren wurde die neue, chronologische Hängung auf farbigen Wänden bedacht. Doch ist dieses Lob auch gerechtfertigt? Was war denn an der vorherigen Hängung, die Kunstwerke unterschiedlicher Perioden mit einander konfrontierte so falsch? Wieso ist die Chronologie einer Sammlung das Non plus ultra? Dass die Stuttgarter Sammlung eine hohe Qualität besitzt, ist keine Frage, doch wie man diese dann zeitgemäß präsentiert, darf wohl hinterfragt werden.

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Meister von Schloss Lichtenstein: Die Krönung Mariens, um 1440/50

Insbesondere die Farbwahl lässt Nachfragen aufkommen: Wieso muss es denn für die italienische Barockmalerei ein Ochsenblut-Rot sein und für andere Perioden ein Mausgrau? Wieso hat man sich bei der klassischen Moderne nicht dazu bewegen können, die entsprechenden Komplementärfarben aus den einzelnen Gemälden von Kirchner, Mueller oder Heckel auch beim Ausschlagen der Räumlichkeiten zu nutzen? Vorbild dazu wäre das ursprüngliche Farbkonzept des Lenbachhauses, in dem man eben nicht vor Knallgelb und Grellblau zurückschreckte, um auf diesen Hintergründen Marc oder Kandinsky zu hängen. Mehr Mut zur Farbe hätte man denjenigen schon gewünscht, die für die Neuhängung verantwortlich sind.

Der Maler ist das Auge der Welt. Otto Dix

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Meister von Meßkirch Titel: Wildensteiner Altar: Madonna mit den vierzehn Heiligen des Zimmernschen Hauses Datierung: 1536

Der Fußboden der Eingangshalle ist wie eh in einem schrillen Grün gehalten. Ein Augenschmaus sieht gewiss anders aus. Doch jeder muss diese Halle betreten, da sie den nunmehr einzigen Zugang zum Steib-Bau, zum Altbau und zum Stirling-Bau bildet. In eine Art Umbra getaucht sind die Räume für die altdeutsche Malerei, während kräftiges Grün für die niederländische Malerei ausgesucht wurde. Italienische Kunstwerke hängen auf rotem Grund, während man die europäische Malerei von 1750 bis 1900 auf Violett getauchten Wänden bestaunen kann. Mausgrau hat man hingegen für die Kunst ab 1960 gewählt, die nun, betrachtet man das Informel oder aber die Pop Art ganz und gar nicht mausgrau daherkommt.

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Bernhardo Strozzi, gen. Cappuccino:
Die hl. Katharina von Alexandrien, vor 1630 (Detail)

Aus Italien an den Neckar

Man sollte sich beim Besuch der Staatsgalerie in seiner Auswahl der Säle, die man aufsucht, beschränken, denn sonst tritt schnell eine Reizüberflutung ein. So hat sich auch der Berichterstatter beschränkt und tauchte in die Kunstgeschichte erst zur Zeit der italienischen Malerei des Barock ein. Meisterlich in der Lichtregie ist beispielsweise Giuseppe Maria Crespi seine Darstellung des Jupiters, der als Knabe der Obhut der Nymphen anvertraut wird. In üppigem Goldrahmen präsentiert man die „Toilette der Venus“ von Giorgio Vasari: Die Göttin, sehr eitel, betrachtet sich während der Morgentoilette immer wieder im Spiegel. Der Historienmalerei verschrieb sich Francesco Corneliani, als er Alexander den Großen nebst Roxane porträtierte. Alexander zeigt seiner ersten Gemahlin, der schönen Roxane, den Sieg seiner Truppen über die des Stammesfürsten Oxyartes, der zugleich Alexanders Schwiegervater war. Etwas befremdlich wirkt die Tatsache, dass der jugendlich erscheinende Alexander der Große als orientalischer Edelmann mit Turban dargestellt ist. Gekonnt hat Francesco Montelatici mit getupft aufgetragenen Farben eine Landschaft mit verfallener Architektur und einem Reiter auf die Leinwand gebracht. Im „Pilastersaal“ findet sich u. a. Bernado Strozzis Darstellung der hl. Katharina von Alexandria.

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Osias Beert: Stillleben mit Austern, Konfekt und Früchten

In einem der Kabinette des Altbaus bekommt man die Kunst des Manierismus zu Gesicht. Unser Blick fällt auf einen Mann mit rotblondem Bart, dessen Bildnis wir Jacopo Tintoretto zu verdanken haben. Frühe italienische Tafelbilder, u. a. mit der Darstellung des hl. Christopherus' zeigt man im Haus ebenso wie Malerei aus Venedig und Neapel. Wohl der bekannteste Künstler war Giovanni Antonio Canal, gen. Canaletto, dem unter anderem die Ansicht der Mühlen von Dolo an der Brenta beinahe in der Manier einer Genremalerei gelang. Dank Canaletto könne wir auch an der Aufführung einer Commedia dell'arte teilhaben. Nicht alle Anwesenden sind jedoch an der hohen Kunst der Komödie interessiert, prügeln und raufen sich doch neben der Bühne zwei Kerle. Ein Hund begleitet die Rauferei mit seinem Gekläffe.

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Blick in den Festsaal
Italienische Malerei im Festsaal des Altbaus mit Werken von Giovanni Biliverti, Apoll und Daphne, 1630, Öl auf Leinwand und Francesco Furini, Die Heilige Maria Magdalena als Büßerin, um 1642, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart.

Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. C.D. Friedrich.


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Giovanni Battista Tiepolo: Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten

Die dunkle Seite des Rokoko“...

..., also die Hell-Dunkel-Kontrastierung im Sinne Caravaggios, vertreten Leonardo Coccorante und Federico Bencovich. Der Erstere präsentiert uns ein Seestück mit antiker Architekturkulisse, der Letztere die Anbetung der hl. Drei Könige. Verharren wir noch ein wenig vor dem Seestück und bestaunen die Dramatik eines Schiffsuntergangs. Der Sturm treibt die Wellen bis auf die Stufen des antiken Tempels . Dort scheinen schon einige Strandräuber auf ihre Beute zu waren, während die Männer an Bord des in Seenot geratenen und auf die Felsküste zutreibenden Schiffes versuchen, die Segel zu raffen.

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Gaspar van Wittel, gen. Vanvitelli: Die Tiberinsel in Rom, um 1691/1700

Sinn für eine dramaturgische Bildgestaltung bewies außerdem Gaspare Traversi bei seinem Gemälde „Die Operation“: Blutig geht es hier zu und schmerzhaft ist die Prozedur bei lebendigem Leibe auch. Den Schmerzensschrei des bedauernswerten Patienten meint man vernehmen zu könne. Angst steht ihm ins verzerrte Gesicht geschrieben, während im Hintergrund die Geliebte berührt ist von all der Tapferkeit.

Sehnsuchtsbilder

In die Bergwelt der in Dunst getauchten Montblanc-Gruppe entführt uns Carl Gustav Carus. Auch ein Gemälde der Sächsischen Schweiz im Nebel hinterließ uns Carus. Im zarten Licht der aufgehenden Sonne hingegen erheben sich bei Caspar David Friedrich die Hügel Böhmens. „Sehnsuchtsbilder“ malten unter anderem Anselm Feuerbach („Iphigenia“) und Arnold Böcklin („Villa am Meer“). Was allerdings die „Genrebilder“ von Carl Spitzweg in diesem Kontext zu suchen haben, bleibt dem Besucher ein Rätsel. Weder der „Sonntagsjäger“ noch der verschrobene „Alchemist“ sind „Sehnsuchtsbilder“, sondern eher „Spottgemälde“ auf Spitzwegs spießige Mitbürger.

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Salomon van Ruysdael: Strandansicht mit Egmond aan Zee,
um 1645-50

Lichtzauber aus Frankreich

Mit Siebenmeilenstiefeln geht es weiter durch die Kunstgeschichte der Jahrhunderte. Der Zauber des Lichts empfängt den Besucher, wenn er vor Camille Pissarros „Der Gärtner“ steht. Neben diesem Grande des französischen Impressionismus fasziniert ein dramatisches Seestück von Gustave Courbet, der eine Küstenlandschaft bei aufziehendem Gewitter malte. Flirrendes Licht fing Claude Monet für seine Arbeit „Felder im Frühling" ein, während Paul Gaugin seine Pazifik-Impressionen in flächiger Malerei präsentiert. Zu den Ikonen der französischen Malerei zählt auch Paul Cézanne, dessen Badende ebenso zum Galeriebestand gehören wie Edouard Manets „Porträt des Malers Monet in seinem Atelier“, das nichts weiter als ein Kahn mit Baldachin ist, den Monet für seine Malerei unter freiem Himmel nutzt.


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Gustave Courbet: Meeresküste mit Segelboot bei aufziehendem Gewitter, um 1869

Mehr als Champagnerlied

Zum Dreigestirn des deutschen Impressionismus zählt Max Liebermann, von dem man unter anderem „Karren in den Dünen“ ausstellt. Tonig gehalten ist Liebermanns Ansicht einer Nähstube. Dieses Werk trifft auf Fritz Uhdes „Drei Modelle“. Warum man Max Slevogts „Champagnerlied“ nicht Seite an Seite mit Liebermann zeigt, sondern dieses Gemälde in einen Nebenraum „verbannt“, bleibt unverständlich. Nervös und wild wirkt der Duktus, mit dem Lovis Corinth „Das Schlachthaus“ malte. Auch dieser Künstler gehört wie Slevogt zum Dreigestirn des deutschen Impressionismus. Slevogt fehlt zwar nicht im Dialog mit Liebermann und Corinth, jedoch ist er nur mit einem wenig bekannten Porträt vertreten, während das berühmte Gemälde des Opernsängers d'Andrade dialogisch zu Max Beckmanns „Ballonfahrt“ gehängt wurde. Dass man unter dem Stichwort „Sehen ist alles: französische und deutsche Realisten“ die bronzene Skulptur „Rastender Puddler“ des Belgiers Constantin Meunier vorstellt, ist mehr als nur ein Fauxpas! Auch die symbolistisch anmutende Malerei von Ferdinand Hodler scheint nicht so recht zu Slevogts und Beckmanns Arbeiten zu passen.


Max Liebermann: Karren in den Dünen, 1889

Dem Surrealen aus Belgien wird Raum gegeben

Raumfüllend ist die Installation von Marcel Broodthaers, der ähnlich wie Magritte mit Wort und Bild spielte und ein fiktives Museum inszenierte. Auch Magrittes berühmte Pfeife, die keine Pfeife ist, fand Aufnahme in der Installation des „Musée Les Aigles“.

Nebenan trifft Richard Longs Land Art auf Großformatiges von Anselm Kiefer. Auch der Zero-Künstler Günther Uecker ist in Stuttgart zugegen: „Verletztes Feld“ lautet der Titel seiner „Nagelblockarbeit“. Huch, hockt da eine Reinigungsfrau auf dem Boden? Ja, aber sie ist nicht aus Fleisch und Blut, sondern ein Kunstwerk von Duane Hanson. Bruce Naumans Lichtkunst mit dem Titel „Welcome Shaking Hands“ gehört zum Bestand wie auch Dan Flavins minimalistische Neonröhrenkunst. Aus Schokolade und Vogelfutter komponierte Dieter Roth sein Selbstbildnis, während Kirchner sich mit den Kokotten vom Potsdamer Platz befasste und Otto Mueller seine Vorliebe für junge pubertierende Mädchen nicht verbergen kann.

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Sammlung italienische Malerei
Ausstellungsraum Italienische Malerei mit Werken von Giovanni Paolo Panini, Roma Antica, 1754/57, Staatsgalerie Stuttgart.

Ja, beim Besuch der Staatsgalerie muss man auf Franz Marcs bunte Pferdchen – blaue wie auch gelbe - ebenso wenig verzichten wie auf Lyonel Feiningers kristalline Barfüßerkirche in Erfurt. Alexej von Jawlenski ist mit dem Bildnis des für Travestie bekannten Tänzers Alexander Sacharoff – Titel des Werks ist „Die weiße Feder“ – in der Staatsgalerie zugegen. Auch das Bauhaus und Oskar Schlemmers Spuren kann man nachfolgend entdecken.

Schließlich darf der französische Kubismus in einem Haus von Weltruf nicht fehlen, ob nun Picassos „Violine“ oder Jacques Lipchitz „Kopf“, ganz zu schweigen von der aus Strandgut gefertigten Installation der Badenden von Picasso und einem flachen Torso von Archipenko.

Man muss wiederkommen, denn alles auf einmal zu sehen, ist eigentlich unmöglich, zumal Sonderschauen stets den gesonderten Besuch lohnen. © text und fotos fdp

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Ausstellungsraum 19. Jahrhundert mit Werken von Ernst Matthiä, Kniende Venus, 1853-57, Marmor und Theodor Schüz, Mittagsgebet bei der Ernte, 1861, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart

Die Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart, Christiane Lange, hat mit der Einführung eines neuen Preissystems das Signal gesetzt, verstärkt junge Menschen an die Kunst heranzuführen. Mit der L-Bank konnte ein Partner gewonnen werden, der zunächst für 2013 die Kosten für den fortan gültigen freien Eintritt in die Staatsgalerie für alle Kinder, Schulklassen und junge Erwachsene bis einschließlich 20 Jahre übernimmt. "Dieses Engagement ist für die Staatsgalerie Stuttgart und mich ein ermutigendes Signal", betont Christiane Lange, "denn es zeigt, dass wir auf die Unterstützung der Unternehmen in Baden-Württemberg bauen können." Die L-Bank versteht die Unterstützung kultureller Projekte als Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung: "Die Begegnung von Kindern und Jugendlichen mit Kultur leistet einen wertvollen Beitrag zu ihrer persönlichen Entwicklung. Als langjähriger Partner möchte die L-Bank die Staatsgalerie unterstützen, jungen Menschen den Zugang zur Bildenden Kunst zu erleichtern," unterstreicht Christian Brand, Vorstandsvorsitzender der L-Bank.

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Vor der Staatsgalerie: Henry Moore Titel: Draped Reclining Woman (Bekleidete liegende Frau) Datierung: 1957-1958

Staatsgalerie Stuttgart
http://www.staatsgalerie.de

 

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