Reiseführer Rom

Tempietto di Bramante

Ein kleines Tempelchen, eingefasst von den Mauern eines Franziskanerklosters, bezeichnet die Stelle, wo nach der Überlieferung das Kreuz des hl. Petrus gestanden hat. Bramante, welcher den Plan zu St. Peter entwarf, baute auch dieses Denkmal dem Apostelfürsten (vollendet 1502), das in seinen kleinen Verhältnissen an die Schönheit der Kuppel im Vatikan erinnert (…) Das Tempelchen trägt keinerlei Schmuck, aber gerade diese Einfachheit bei den schönen Verhältnissen lassen es als das schmuckeste Denkmal erscheinen . . .

Tempietto di Bramante

….so schilderte 1877 der Schweizer Kunsthistoriker Albert Kuhn in seinem Monumentalwerk „Roma. Die Denkmale des christlichen und des heidnischen Rom in Wort und Bild“ die Begegnung mit dem Tempietto Auch die Architekturhistoriker unserer Zeit sparen nicht gerade mit Superlativen. Für sie ist Bramantes Tempelchen der „Initialbau der römischen Hochrenaissance“, der „geradezu zum Inbegriff der Wiederbelebung der Antike wurde“, der „die Entwicklung des Zentralbaugedankens der Renaissance“ beflügelte und den „bereits die Zeitgenossen wie auch die nachfolgenden Generationen häufiger zeichneten als jedes andere Bauwerk der Renaissance“. Und selbst einer der einflussreichsten Architekten und Architekturtheoretiker, Andrea Palladio, ein Zeitgenosse Bramantes, war so beeindruckt, dass er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschloss und den Tempietto in den vierten Band seiner „Quattro Libri dell`Architettura“ aufnahm, der sich eigentlich mit a n t i k e n römischen Tempeln befasst.

Basilika Santa Sabina auf derm Aventin-Hügel

Dabei ist das vielgerühmte Bauwerk tatsächlich nur ein Tempelchen von gerade einmal 11 m Höhe und einem Durchmesser von etwa 8 m. Seine ausgewogenen Maßverhältnisse lassen die äußere Gestalt wie aus einem Guss erscheinen und erwecken sogar dank seiner Proportionen den Eindruck von Monumentalität. Bramantes ursprünglicher Plan sah einen runden, mit 16 Säulen bestandenen Hof vor, in dessen Mitte der Erinnerungsbau an die Kreuzigung Petrus` vorgesehen war. Er kam über die Planung nicht hinaus. Der kleine Tempel erhebt sich nun etwas bedrängt von dem Mauerwerk des rechteckigen Klosterhofs.



Nicht alle Glaubenshüter waren mit Bramantes Memorialbau einverstanden. Sie störten sich an seiner heidnisch-antiken Form. Doch Bramante wollte unbedingt der schon zu seiner Zeit angezweifelten Leidensgeschichte des Petrus auf dem Gianicolo durch den Bau des Tempietto Glaubwürdigkeit verleihen. Außerdem sah er in der antiken Form des kleinen Tempels einen wichtigen Hinweis darauf, dass ja die frühe Zeit des Christentums,

als Petrus erster Bischof Roms war, noch in die heidnische Antike zurückreichte und die frühen Christen jener Zeit noch keine eigenständige Sakralarchitektur entwickelt hatten.

Bramante

Bramante


Bramante orientierte sich wie erwähnt an antiken Rundtempeln mit Säulenumgang (wie z. B. dem Vesta-Tempel/ Forum Romanum) – aber nicht bis in alle Einzelheiten. Ein Kranz aus drei Stufen umschließt den Bau. Darauf liegt eine Plattform (Stylobat). Auf ihr wurde der Ring aus 16 grazilen Granitsäulen der dorischen Ordnung aufgestellt. Auch das Gebälk mit Architrav (der auf den Säulen aufliegende Balken), mit Gesims (vorspringender Bauteil, der die Außenwand gliedert) und Triglyphenfries (Schmuckplatte mit vollen und halben senkrecht verlaufenden Rillen im Wechsel mit bildlichen Darstellungen) ist ganz der dorischen Ordnung verpflichtet. Aufgelockert wird die strenge dorische Ordnung durch die angrenzende Balustrade, die erst wenige Jahrzehnte zuvor in die Palastarchitektur eingeführt worden war. Sie bildet den Abschluss des Säulenrings, aus dessen Mitte sich über der Cella der durchfensterte Tambour erhebt, ein zylindrischer Körper, der als Zwischenglied zwischen Gebäude und Kuppel fungiert. Auf ihm ruht die halbkugelförmige Kuppel. Etwas störend wirkt die 1603 von Spaniens König Philipp III. gestiftete Laterne auf der Kuppel.

Tempietto di Bramante

Cella, Altar mit Petrus-Statue


Die Cella, der Hauptraum des Tempels, birgt Skulpturen der vier Evangelisten (aus der Bernini-Schule) und eine Sitzfigur des Apostel Petrus über einem Altar, der im Relief die Leidensgeschichte des Petrus darstellt. Die Marmorintarsien des Fußbodens erinnern lebhaft an mittelalterliche Kosmatenarbeiten.

Die Krypta, auch sie mit farbigem Intarsienfußboden ausgelegt, wird dominiert von einem Altartisch plus Aufsatz mit einer Statue des Apostels Petrus. An der Frontseite des Altars berichtet eine Inschriftenplatte von der Entstehung des Tempietto:

Das Heiligtum des Apostelfürsten, durch sein Martyrium geheiligt, wurde von den Katholischen Königen Ferdinand von Spanien und Isabella erbaut und angenommen, im Jahr des christlichen Heils 1502

Eine weitere Plakette erzählt aus dem Jahr 1500, dass am 9. Juni jenes Jahres die benachbarte Kirche unter dem Pontifikat Alexander VI. geweiht wurde.

Damit sind die drei maßgeblichen Persönlichkeiten erwähnt, die die Errichtung von Kirche, Kloster und Tempietto ermöglichten. Die spanische Krone wollte unbedingt in Rom Präsenz zeigen und diese Gelegenheit bot sich, als dem bis dahin kinderlosen Königspaar Ferdinand und Isabella ein Sohn geboren wurde und sie ihr Gelübde erfüllen konnten, bei der Geburt eines Thronfolgers eine Kirche zu errichten. Für die Finanzierung des Vorhabens musste der Vizekönig von Sizilien, damals unter spanischer Kontrolle, Sorge tragen. Den Herrschertitel „Reyes Católicos“ (Katholische Könige) hatte ihnen Papst Alexander VI. verliehen, ein Spanier namens Rodrigo de Borja, später ital. Borgia. Abgesehen von seinem in der Fach- und Klatschliteratur noch heute heftig umstrittenen Lebenswandel wurde er durch den Vertrag von Tordesillas (1494) bekannt, in dem er die Neue Welt westlich des 46. Längengrads Spanien zuerkannte und die neuen Entdeckungen östlich davon den Portugiesen. Der spanische Papst hatte einen guten Draht zu Bramante und auch des Baumeisters königliche Auftraggeber legten Wert auf eine enge Beziehung.

Spanien blieb dem Ort treu: seit 1873 beherbergt das Kloster die Königliche Akademie Spaniens in Rom (Real Academia de Espaňa en Roma).

Stadtteil Trastevere, auf dem Gianicolo-Hügel
Piazza di San Pietro in Montorio





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