Reiseführer Rom

Santa Maria in Trastevere

Aus den wenigen und nicht immer verlässlichen Zeugnissen der Vergangenheit lässt sich die Baugeschichte der Marienkirche am Hauptplatz von Trastevere halbwegs rekonstruieren. Schon im 3. Jahrhundert soll an diesem Ort ein Privathaus für christliche Andachten genutzt worden sein. Gesichert ist der nachfolgende Kirchenbau in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Papst Julius I. sei der Initiator gewesen, berichten alte Dokumente. Im 6. Jahrhundert, nach anderer Auslegung erst im 8. Jahrhundert, soll die Weihe an die Gottesmutter Maria erfolgt sein. Die Kirche in ihrer heutigen Gestalt entstand als dreischiffige Basilika unter Papst Innozenz II. in den Jahren 1140-1148. Ein zeitgenössisches Mosaik zeigt den Stifter in der Apsiswölbung „seiner“ Kirche. Neuerungen des 16. und 17. Jahrhunderts waren großzügig ausgeschmückte Kapellen in den Seitenschiffen und die hölzerne Kassettendecke, die Domenichino schuf. Anfang des 18. Jahrhunderts kam die Vorhalle (Porticus) hinzu, ein Werk von Carlo Fontana, einem engen Vertrauten des Barockgenies Gian Lorenzo Bernini.

Rom: Santa Maria in Trastevere

Kritik lösten die nicht immer fachkundig durchgeführten Restaurierungen aus, die Papst Pius IX. in Auftrag gab. Übereifer führte zu Schäden am Bauwerk und manche archäologische Rarität ging unwiederbringlich verloren. Dr. P. Albert Kuhn schrieb 1877 dazu in seinem Monumentalwerk „Die Denkmale des christlichen und des heidnischen Rom in Wort und Bild“: Pius der IX. ließ die Kirche in jüngster Zeit (1866-74) in allen ihren Theilen glänzend renoviren (…) Aber, fügen alle neueren Reisehandbücher sofort hinzu, das Alterthümliche ist verloren gegangen. (Doch) wir wollen es Pius IX. willig danken, daß er der altehrwürdigen Kirche wieder jugendlichen Glanz gegeben.

Autor Kuhn erwähnt auch ein mysteriöses Ereignis, das im Jahr 38 v. Chr. die Gemüter erregte. Damals entsprang an der Stelle, wo heute die rechte Chorschranke (mit der Inschrift fons olei) steht, eine kleine Ölquelle, die laut einer alten Chronik sich einen Tag lang und eine Nacht in den Tiber ergoss. Die Aufregung imdicht besiedelten Trastevere, wo sich viele Griechisch sprechende Zuwanderer aus der Levante niedergelassen hatten, war gewaltig. Die jüdische Gemeinde hielt das Geschehen für ein Zeichen der baldigen Ankunft des Messias und für viele Christen war es ein weiteres Zeichen dafür, dass die Geburt Christi bevorstand.

Das Phänomen hat wohl eine einfache Erklärung: in neuerer Zeit wurden nahebei kleine Erdgaslagerstätten und Ansammlungen fossilen Erdöls entdeckt.

Keine Frage, die Kirche mit ihren Vorgängerbauten zählt zu den ältesten christlichen Kultbauten der Stadt am Tiber. Mit Santa Maria Maggiore (geweiht um 432), Santa Maria Antiqua auf dem Forum Romanum (um 550) und Santa Maria ad Martyres (das Pantheon, um 608) gehört sie zu den ältesten und bedeutendsten Marienkirchen Roms.

Auf der Piazza di Santa Maria in Trastevere

Hier schlägt das Herz des Stadtteils. Am Abend scheint ganz Rom durch die Gassen des Viertels zu flanieren, genüsslich Ausschau haltend nach den Köstlichkeiten in den unzähligen Restaurants, den Gauklern und Musikern auf dem Platz ein paar Euros spendierend oder auf den Stufen des Brunnens für einige Momente den Strom der Müßiggänger betrachtend. Auf achteckigem Sockel erhebt sich Roms vermutlich ältester „Piazza-Brunnen“, 1692 entworfen von Carlo Fontana, errichtet gegenüber dem großen barocken Ziegelbau des Palazzo di San Callisto, der einen exterritorialen Status genießt und wichtige Behörden der Römischen Kurie beherbergt.

Rom: Santa Maria in Trastevere Der Palazzo grenzt an die Vorhallevon Santa Maria in Trastevere. Dieser auch Narthex oder Porticus genannte barocke Vorbau stammt von dem oben erwähnten Carlo Fontana. Der Narthex weist fünf Bögen auf, links und rechts flankiert von einem Pilaster (Halbsäule) mit ionischem Kapitell. Die Bögen selbst werden von ionischen Säulen aus blau-grauem Marmor getragen. Über der Balustrade wurden von Fontana vier Statuen platziert, Abbilder der frühen Päpste Callixtus, Cornelius, Julius und Calepodius, die in enger Verbindung mit der Geschichte der Marienkirche stehen. Die Wände der Vorhalle bedeckt eine umfangreiche Sammlung von antiken und frühchristlichen, teils fragmentarischen Inschriften, darunter Fundstücke von der Via Appia Antica. Dazu gesellen sich mittelalterliche Fresken und Bruchstücke von Skulpturen. Besonders ins Auge fällt ein Sarkophag aus dem 12. Jahrhundert mit dem auffallend realistischen Relief eines Löwen, des Wappentiers der Papareschi-Familie, deren Abkömmling der Kirchenstifter Papst Innozenz II. war.

Rechts neben der Kirche, etwas zurückgesetzt, erhebt sich der Glockenturm aus dem 12. Jahrhundert, ein reiner Ziegelsteinbau mit vier Stockwerken, die durch dekorative Gesimse unterteilt sind. Direkt unterhalb des pyramidenförmigen Daches mit der frei hängenden Glocke schützt ein Baldachin ein Maria mit dem Kind darstellendes Mosaik. Zwei Stockwerke tiefer zeigt die große runde Uhr seit mehr als 250 Jahren zuverlässig die Zeit an.



Rom: Santa Maria in Trastevere

Kein noch so vergnüglich gestimmter Passant, der nicht einen bewundernden Blick auf das golden schimmernde Mosaik unterhalb des Dreieckgiebels der Fassade wirft. Es zeigt die thronende Maria mit Kind in der Mitte. Zu ihren Füßen zwei winzige Gestalten, offensichtlich Abbilder der Spender des Mosaiks. Maria wird an jeder Seite von fünf heiligen Frauen flankiert, die zum Teil gekrönt sind, brennende und auch erloschene Lampen in Händen haltend – ihre symbolische Bedeutung ist umstritten. Über Marias Kopf erkennt man ein kleines Agnus Dei-Medaillon. Das Lamm Gottes ist in der christlichen Kunst ein Symbol für Jesus Christus. Sehr wahrscheinlich stammt das Mosaik aus dem 12. Jahrhundert und wurde im darauf folgenden Jahrhundert von Pietro Cavallini, dem wir später wiederbegegnen werden, restauriert.

Ein längerer Blick ins Innere

Sehr verändert hat sich der Innenraum der dreischiffigen Basilika, seit er im Jahre 1148 vollendet wurde, eigentlich nicht. Die unterschiedlich großen, aus den Caracalla-Thermen stammenden Granitsäulenmit überwiegend ionischen und einigen korinthischen Kapitellen wurden durch Sockel ihrem neuen Standort angepasst. Zehn von ihnen trennen das rechte Seitenschiff vom Hauptschiff (auch Langhaus genannt), elf das linke. Die Säulen tragen einen Architrav (Hauptbalken) – auch er antikes Raubgut aus den Caracalla-Thermen. Den Fußbodenbildet kostbare Cosmaten-Arbeit. Das sind Marmor-Inkrustationen, die Spezialität einer mittelalterlichen Künstlergruppe, deren Anfänge auf eine zugewanderte Familie von Kunsthandwerkern zurückging, unter denen der Vorname Cosmas sehr verbreitet war. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Cosmatenfußboden aufwendig restauriert. Den ursprünglich offenen Dachstuhl schloss 1617 eine vergoldete, hölzerne Kassettendecke, die Domenichino entwarf (der „kleine Domenico“, der eigentlich Domenico Zampieri hieß), einer der Großen der römischen Seicento-(17. Jahrh.) Kunst. Von ihm stammt auch das Deckengemälde „Die Himmelfahrt Mariens“. Das Querhaus, jener Bereich, der quer zwischen Hauptschiff und Altarraum verläuft, tritt nicht über die Flucht der Seitenschiffe hinaus. Die halbrunde Apsisschließt sich an. Zu den Ausstattungen in dieser Zone zählen die nach mittelalterlichen Vorbildern erneuerten Chorschranken und das Ziborium, der Altaraufbau. Original sind der Osterleuchter rechts vom Altar und der Bischofsstuhl aus dem 12. Jahrhundert. Sehenswert auch die Capella Altemps, links neben der Apsis, so benannt nach dem Titelkardinal Marcus Sitticus von Hohenems (Hohenems = italianisiert Altemps). Sie wurde auf Wunsch des aus Vorarlberg stammenden und in Rom höchst einflussreichen Klerikers als Familiengrablege in den 1580er Jahren in Auftrag gegeben. Auch sollte in der Capella eines der ältesten und am meisten verehrten Marienbilder Roms aufbewahrt werden. Die Marienikone aus dem 8. Jahrhundert kann besichtigt werden.

Höhepunkt eines Besuchs der Marienkirche ist ohne Zweifel die Begegnung mit den Mosaiken in der Apsis und am Apsisbogen, wobei unterschieden wird zwischen den Werken verschiedener Epochen. Der Mitte des 12. Jahrhunderts zuzuordnen sind die oberen Bildfolgen: Unter dem Himmelszelt, aus dem die Hand Gottes mit dem Siegerkranz vorragt, thronen Christus und die gekrönte Maria mit einer Schriftrolle. Vom Betrachter aus gesehen steht links Papst Innozenz II. mit einem Kirchenmodell in den Händen, daneben Laurentius und Calixtus und rechts ist Petrus zu sehen, neben ihm Cornelius, Julius und Calepodius. Darunter in der Mitte agnus dei , das mystische Lamm,Christus, dem aus Bethlehem (rechts) und Jerusalem (links) je sechs Lämmer (die Apostel) zulaufen. Entgegen dem strengen, von der byzantinischen Kunst geprägten Stil im oberen Teil, orientiert sich Pietro Cavallinis Werk unter der Darstellung der zwölf Lämmer mehr an der Natur und der klassischen Antike. Es spielt sich vor Landschaften ab, nicht mehr vor einem feierlichen, goldenen Hintergrund. Cavallinis Zyklus aus der Zeit um 1291 beginnt mit der Geburt Mariens und setzt sich fort mit sechs weiteren Episoden aus dem Leben der Maria bis zu ihrem Tod.

Piazza Santa Maria in Trastevere





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