Reiseführer Rom

San Crisogono

Die antike Basilika an der Viale di Trastevere ist berühmt für ihren mittelalterlichen Cosmaten-Fußboden aus vielfarbigem Marmor, auch für die zweiundzwanzig mächtigen Säulen der Kolonnaden aus rotem und grauem Granit, die einst zu einem antiken Tempel gehörten, und für ihren unterirdischen Vorgängerbau aus dem 5. Jahrhundert. Tatsächlich besteht San Crisogono wie viele der ältesten Kirchen Roms aus zwei Kirchen, einer frühchristlichen, die durch Verfall und die Folgen des alljährlichen Tiberhochwassers eines Tages nicht mehr nutzbar war und einer im 12. Jahrhundert darüber errichteten „Oberkirche“.

Rom: San Crisogno - Barockisierte Kirchenfront und romanischer Campanile in Ziegelbauweise

Barockisierte Kirchenfront und romanischer Campanile in Ziegelbauweise


Die im frühen 17. Jahrhundert aufkommende Tendenz zur Barockisierung von Bauten aus früherer Zeit ließ auch die Basilika San Crisogono nicht aus, wie man an ihrer Fassade und der Ausstattung des Innenraums sehen kann. Initiator und Geldgeber war Kardinal Scipione Caffarelli-Borghese, ein weit über die Grenzen Roms hinaus bekannter Bauherr, Kunstmäzen und Kunstsammler. Er war Mitglied der zum römischen Hochadel zählenden Borghese-Familie. Die Fassadeninschrift feiert ihn (CARD(inalis) BURGHESIUS) und seine Funktion als Großpoenitentiar am vatikanischen Gerichtshof (M(aior) POENITEN) und auch die Wappentiere der Borghese-Sippe, Adler und geflügelter Drache, auf dem Gesims über der Säulenfront sind nicht zu übersehen. In der Kirche selbst prangt ihr Familienwappen an der üppig gestalteten blau-goldenen Decke.

Der heilige Chrysogonus war ein Märtyrer aus dem Städtchen Aquileia im norditalienischen Friaul. Die ihm geweihte Kirche hat eine weit in frühchristliche Zeiten zurückreichende Geschichte. Archäologen entdeckten unter der heutigen Kirche die Mauern eines antiken Stadthauses (domus) aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, in dem ein erster Sakralraum eingerichtet wurde – vermutlich Anfang des 5. Jahrhunderts unter Verwendung eines Mauerwerks aus Ziegeln und Tuffgestein. Unter dem Pontifikat von Papst Gregor III. (731 – 741) wurden Umbauten vorgenommen: In der Apsis entstand ein Podium mit Ringkrypta, die Wände wurden mit Fresken geschmückt und das Presbyterium veränderte seine Gestalt. Doch die Tage der Kirche waren gezählt. Die zyklisch auftretenden Hochwasser des Tiber setzten dem Bau zu, herangeschwemmte Ablagerungen erhöhten das Umgebungsniveau. Ein unumgänglich gewordener Neubau nahm in den Jahren 1123 bis 1127 Gestalt an – seitlich etwas versetzt und fünf bis sechs Meter über dem antiken Bodenniveau. Auch der romanische Campanile in Ziegelbauweise entstand in dieser Zeit. In den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts erhielt die dreischiffige Basilika ihre barocke Ausgestaltung ohne die mittelalterliche Struktur auffallend zu beeinträchtigen. Der ursprüngliche monumentale Raumeindruck ist immer noch spürbar.

Rom: San Crisogno

Granitsäulen trennen das Haupt- vom Seitenschiff

Zwei Reihen mit je elf römisch-antiken grauen und rötlichen Granitsäulen dominieren das Mittelschiff der Oberkirche. Sie laufen auf den von zwei gewaltigen Porphyrsäulen (den größten Roms) getragenen Triumphbogen zu. Eine breite, halbrunde Apsis schließt das Mittelschiff ab. Der Hauptaltar ist ein Kunstwerk aus dem 12. Jahrhundert. Ihn überwölbt ein Baldachin aus dem 17. Jahrhundert. In jener Zeit wurde auch die verschwenderisch gestaltete hölzerne Decke eingezogen. Ursprünglich war an ihr ein Gemälde von Guercino, „Der Ruhm des San Crisogono“, angebracht. 1808 wurde es gestohlen und einem englischen Käufer vermacht. Heute hängt es im Londoner Lancaster House. Das Bild in San Crisogono an alter Stelle ist eine Kopie. Besonderes Interesse ruft immer wieder der kosmatische Fußboden hervor, so benannt nach der Künstler- und Handwerkerfamilie des Cosmas (und seiner Nachfahren), die sich ganz auf Marmoreinlegearbeiten (Inkrustationen) spezialisierten. Die Kosmatenkunst besteht darin, aus sorgfältig zugeschnittenen oder geschliffenen kleinteiligen Stückchen verschiedenster Marmorsorten Dekorationen mit klaren, geometrischen Formen zu erschaffen, sei es als Fußbodenschmuck oder an Wänden und Säulen, an Chorschranken oder Leuchtern. Der hier verwendete Marmor entstammt Wandverkleidungen kaiserzeitlicher Bauten.

Rom: Antico Caffe Greco

Der Kirchenfußboden in Cosmaten-Technik

Die dem Auge verborgene Unterkirche erreicht man durch die Sakristei am Ende des linken Seitenschiffs. Nachdem man einen Obolus entrichtet hat und das Licht eingeschaltet wurde, steigt man auf einer eisernen Treppe sechs Meter in die Tiefe in eine ziemlich unübersichtliche, nicht besonders geschickt ausgeleuchtete „Unterwelt“ voller bruchstückhafter Relikte am Boden und trotz ungünstiger klimatischer Verhältnisse erstaunlich gut erhaltener Reste uralter Fresken an den rauen Wänden.

Rom: San Crisogno

Tausend Jahre alte Fresken

Eine Besichtigung der einschiffigen Hallenkirche unter fachkundiger Führung wäre ein willkommenes Angebot. 1907 stießen Archäologen erstmals in die alten Strukturen vor und noch 1999 wurden weitere Räume entdeckt, die man noch nicht so recht zuordnen kann. Nahe der eisernen Treppe liegt das Halbrund der Krypta mit den Resten des Altars, unter dem sich das Reliquiengrab des Titelheiligen befunden haben soll. Vor der hufeisenförmigen Apsis mit der Ringkrypta öffnet sich der einschiffige Kirchenraum, der heute durch die Grundmauer der Oberkirche in zwei Räume geteilt ist. Fresken nahe der Krypta stellen verschiedene Heilige dar. Wie die meisten anderen Wandmalereien hier unten stammen sie zumeist aus dem 8. und 10. Jahrhundert. Älter ist das Grab eines gewissen Victor. Seine Grabplatte aus dem frühen 6. Jahrhundert verrät, dass er 68 Jahre, 11 Monate und 18 Tage alt wurde. Er habe große Verdienste erworben, heißt es in der Schlusszeile, und er möge seinen Frieden finden.

Rom: San Crisogno

Antiker Sarkophag in der "Unterkirche"

Noch viel älter sind einige Sarkophage, auf die man während der ersten Ausgrabungen stieß, etwa auf den sogenannten Musensarkophag (sarcofago con le muse), dessen ramponiertes Relief zehn statt der üblichen neun Musen darstellt oder den unversehrten sarcophago con thiasos marino aus dem 2. Jahrhundert. Sein kunstvolles Relief zeigt den griechischen Meeresgott Triton, den Sohn des Poseidon, in einer Jakobsmuschel, umringt von den Nereĩden, seinen Meeresnymphen. Überall verstreut sind Grabsteine zu entdecken, die einer großen Zeitspanne zuzuordnen sind – von der römischen Antike bis in die Zeit der Renaissance. Auch das alte Baptisterium hat die Zeiten überdauert, wenn auch etwas verändert. Das kreisrunde Taufbecken, in das die Täuflinge eingetaucht wurden, hat man nach der Änderung des Taufritus durch eine Quermauer halbiert. Täuflinge wurden von nun an nur mit Wasser besprengt.

Die vier römischen Papstbasiliken San Giovanni in Laterano, Santa Maria Maggiore, San Pietro in Vaticano/Petersdom, San Paolo fuori le Mura sowie zwei Gotteshäuser in Assisi (Basilica San Francesco und Santa Maria degli Angeli) besitzen aufgrund ihrer großen historischen Bedeutung den Rang einer `Basilica maior`. Sie sind die ranghöchsten römisch-katholischen Sakralbauten. Die oben vorgestellte Kirche San Crisogono zählt zu den über 1.200 Gotteshäusern, die den Rang einer `Basilica minor` bekleiden. Sie sind etwas weniger bedeutend als die `maiores`, nehmen aber eine herausragende Stellung als Stätte der Liturgie und Seelsorge ein.

San Crisogono war jahrhundertelang die Nationalkirche der Sarden und Korsen. Besonders wichtig für die Angehörigen der Compagnia dei Soldati Corsa, besser bekannt als `Guardia Corsa Papale`, einer neben der Schweizer Garde bestehenden militärischen Einheit der Päpste, die vom Ende des 14. bis gegen Mitte des 17. Jahrhunderts außerhalb der vatikanischen Einrichtungen in der Stadt für Sicherheit sorgen sollte. Traditionell waren die Nationalkirchen in Rom Anlaufstellen für Pilger und Reisende aus den Heimatländern, wo für sie gesorgt wurde, sie der Messe in ihrer eigenen Sprache beiwohnen konnten, sich Begegnungen mit Landsleuten ergaben. Allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern der Stadt will die Santa Maria dell`Anima nahe der Piazza Navona „Heimat bieten“. Sie ist der Sitz der deutschsprachigen katholischen Gemeinde von Rom.

Piazza Sidney Sonnino 44 in Trastevere





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