Reiseführer Rom

San Lorenzo in Lucina

Man sieht ihr das Alter nicht an. Immerhin verweisen Campanile und Säulenportikus, die das äußere Erscheinungsbild prägen, auf das 12. Jahrhundert. Doch die Anfänge der Kirche sind weit früher zu suchen – sehr wahrscheinlich im 4. Jahrhundert. Und selbst diese Ursprünge haben noch einen antiken Vorläufer, ein mehrstöckiges Wohnhaus mit Geschäftsräumen im Erdgeschoss (insula), das wahrscheinlich im 3. Jahrhundert entstand und einige Jahrzehnte später von einer christlichen Gemeinde als Versammlungsstätte genutzt wurde. Auf den Grundmauern dieser Hauskirche (ecclesia domestica) vollzog sich nach der Mitte des 4. Jahrhunderts die Gründung einer frühchristlichen Kirche, vermutlich die private Stiftung einer, wie es heißt, „uns sonst unbekannten Lucina“. Die dreischiffige Basilika fiel gegen Ende des 11. Jahrhunderts dem Vandalismus der Normannen des Robert Guiscard zum Opfer. Im Jahrhundert darauf entstand sie neu.

Rom: San Lorenzo in Lucina

Für den kundigen Chronisten der Architekturlandschaft Roms, Mauro Lucentini, ist San Lorenzo eine der ältesten Kirchen der Christenheit „in dem Sinne, dass ihre Grundstrukturen ununterbrochen als Kirche genutzt wurden“. Und das brachten nicht zuletzt die Ausgrabungen deutscher, italienischer und schwedischer Archäologen an den Tag. Sie erforschten in den 1930er, 80er und 90er Jahren den sotterraneo, die „Unterwelt“ der Kirche, die auch für Besucher zugänglich ist. Es gibt viel Keramik zu besichtigen, Korridore und Stufen, Räume mit Mosaiken und Fresken, ein Baptisterium mit einem runden Taufbecken u. v. m. An tiefster Stelle stießen die Ausgräber auf Überreste der antiken insula, darüber kam umfangreiches Gemäuer der frühchristlichen Kirche zum Vorschein, das es erlaubt, eine zutreffende Rekonstruktion der Kirche vorzunehmen. Demnach war es ein Gotteshaus in der Gestalt einer Basilika, 54 m lang, 24 m breit und mit einer Höhe des Mittelschiffs von 14 m. Kleinere Bauteile und ganze Mauerzüge der insula wurden als Fundament oder Fassadensegment in der frühchristlichen Kirche (4. Jahrh.) verbaut und sind auch in der mittelalterlichen Kirche (12. Jahrh.) erhalten, ganz so wie von Lucentini postuliert.

Der Kirchenneubau des 12. Jahrhunderts unter Papst Paschalis II. entstand in den gleichen Dimensionen wie sein zerstörter Vorgängerbau. Neu war der Glockenturm, ein Klinkerbau mit etlichen Geschossen, von denen die drei oberen Schmuckelemente aufweisen in Form von runden, violetten Porphyrscheiben. Auch der Säulenportikus war eine neue architektonische Zutat: den Architrav aus weißem Marmor von der griechischen Insel Paros stützen zwei seitliche Pfeiler und sechs granitene Säulen mit ionischen Kapitellen. Hat man sie passiert, betritt man einen weitläufigen Vorraum, dessen Wände mit zahllosen antiken und mittelalterlichen Inschriften, Abbildungen, Fragmenten von Fundstücken behängt sind. Besonders ins Auge fallen die beiden romanischen Löwen aus Marmor, die das Portal flankieren und nach Meinung von Lucentini die christliche Kirche symbolisieren, der linke Löwe, der wilde, die kämpferische und der rechte, der zahme, die gütige Kirche.

Rom: San Lorenzo in Lucina Große Veränderungen erfuhr der Innenraum im 17. Jahrhundert. Damals wurde der Fußboden um fast zwei Meter angehoben, um ihn dem höheren Straßenniveau anzupassen. Auch verwandelten sich die bis dahin durchgehenden Seitenschiffe durch Zwischenwände in geschlossene Kapellen und eine Flachdecke wurde eingezogen, eine reich vergoldete Kassettendecke.

Unbedingt sehenswert ist das Grabmal des französischen Malers Nicolas Poussin, der gut 40 Jahre seines Lebens in Rom verbrachte, 1665 starb und hier beigesetzt wurde. Sein Grabmal von 1830 zwischen der zweiten und dritten Kapelle der rechten Seite zeigt u. a. ein sehr zartes Marmorrelief mit einer Figurengruppe, die sein berühmtes, in Rom gegen 1640 entstandenes Gemälde Et in Arcadia ego (Auch in bin/war in Arkadien) wiederholt. Es gilt als Schlüsselwerk der europäischen Malerei des 17. Jahrhunderts und begründete eine Bewegung, die sich der Natur und der heroischen Landschaft verschrieb und auch Goethe ansprach, der „Et in Arcadia ego“ seiner „Italienischen Reise“ als Motto voranstellte.

Rom: San Lorenzo in Lucina Ein anderes Highlight ist die Gestaltung der 4. Kapelle. Hier wirkte Gianlorenzo Bernini gemeinsam mit einigen Mitarbeitern seines Studios. Prominentestes Werk ist die Büste des portugiesischen Mediziners Gabriele Fonseca, Leibarzt von Papst Innozenz X., der sich förmlich aus der Grabtafel herauslehnt, so ergriffen ist er von der Darstellung der Verkündigung der Geburt Christi an Maria auf dem Altargemälde von Guido Reni.

Rom: San Lorenzo in Lucina Den Hochaltar fertigte Carlo Rainaldi, ein Zeitgenosse Berninis, an. Über dem Altar hängt ein Meisterwerk von Guido Reni, „Die Kreuzigung“, das er im Format 340 X 220 cm anfertigte – Christus nicht als blutender Schmerzensmann, sondern der Welt entrückt.

Piazza di San Lorenzo in Lucina





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