Reiseführer Rom

Raffael

Raffaello Santi oder auch Sanzio, wie man ihn in Italien nennt, zählt zu den großen universellen Künstlern, gleich begabt als Maler, Bildhauer und Architekt, doch sind es seine Gemälde und Zeichnungen, die seinen Ruhm begründeten. Den Höhepunkt seines Schaffens erlebte er in Rom, wo ihn der kunstbesessene Renaissancepapst Julius II. mit der Ausmalung von vier Gemächern im zweiten Geschoss des vatikanischen Palastes beauftragte. Raffaels vatikanische Fresken gelten als sein Meisterwerk und als „malerische Krönung der Renaissance“, als ein   Höhepunkt in der abendländischen Malerei. Er war gerade fünfundzwanzig Jahre alt, als er im Vatikan zum Pinsel griff.

Rom: Raffael

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Vor dem Ruf nach Rom (1508) hatte der 1483 in Urbino geborene Raffael bei seinem Vater, dem Maler Giovanni Santi, die Anfangsgründe der Malerei erlernt. Später wurde er (wie auch Pinturicchio) Schüler von Perugino, ging 1504 nach Florenz und erhielt viele Anregungen für sein zukünftiges Schaffen durch die hier tätigen Großen der zeitgenössischen Kunst wie Masaccio, Michelangelo, Fra Bartolommeo, Leonardo da Vinci. Schon im Laufe seiner Lern- und Wanderjahre hatte er sich häufig selbst porträtiert, wohl erstmals im Alter von 15 Jahren, später dann hat er Selbstporträts wiederholt in seinen großen Gemälden mehr oder weniger „versteckt“. Sein Thema in den frühen Jahren waren liebliche Madonnenbilder, wobei er sich anfänglich noch an den Stil Peruginos anlehnte, ihn aber bald übertraf.

Als ihn der Ruf nach Rom erreichte, arbeitete Raffael gerade in Florenz an der „Madonna unter dem Baldachin“. Kurz entschlossen ließ er sie unvollendet zurück, um unverzüglich nach Rom aufzubrechen. Er hatte das richtige Gespür: Nicht mehr in Florenz – in Rom entschied sich von nun an, welche Wege Kunst und Architektur einschlagen würden und es war Papst Julius II., der den Takt angab und sich als glanzvoller Erneuerer der alten Stadt am Tiber feiern ließ.

Dass Raffael im Vatikan zum Zuge kam, verdankte er Donato Bramante, der damals künstlerischer Berater des Papstes war. Schon die ersten „Fingerübungen“ Raffaels begeisterten seinen päpstlichen Auftraggeber derart, dass er ihn anwies, weiter zu malen und sogar die Fresken seiner viel berühmteren Zeitgenossen Perugino und Piero della Francesca zu übermalen. Zur denkwürdigen Entstehungsgeschichte der „Stanzen Raffaels“ gehört auch die Anwesenheit Michelangelos. Nur ein paar Meter entfernt widmete sich dieser der Ausschmückung der Sixtinischen Kapelle. Rund vier Jahre arbeiteten die beiden Renaissance-Heroen nebeneinander. Der junge, immer heitere und selbstbewusste Raffael und der verschlossene, argwöhnische, schwermütige Michelangelo waren sich nicht besonders sympathisch, aber sie respektierten die schöpferische Kraft des anderen.
Die „Stanzen“ (von ital. stanza = Zimmer) waren Teil des päpstlichen Wohntrakts, besaßen aber auch offiziellen Charakter als Empfangs- oder Gerichtsräume. Was das Verschönerungsprogramm anging, hatte der Papst klare Vorstellungen. Nicht nur sollte die christliche Tradition als ein Erbe der Antike erscheinen, auch den Papst selbst, seine Familie, seine Pläne und Unternehmungen wollte der Pontifex in Raffaels Freskogemälden gewürdigt sehen. Das Malergenie aus Urbino und seine Schüler verknüpften diese Vorgaben mit dem Denken, Fühlen und Wissen der Zeit zu einem großartigen malerischen Panorama.

Rom: Raffael, Die Schule von Athen, Ausschnitt

(Ausschnitt aus dem) Fresko "Die Schule von Athen" in der Stanza della Segnatura
[Public domain], via Wikimedia Commons

Raffaels Arbeitspensum war gewaltig. Er wies im Gegensatz zu Michelangelo keine Aufträge ab, fertigte Rötelzeichnungen an und Federzeichnungen, arbeitete mit farbiger Kreide, auf Madonnenszenen folgten Historienwerke und Körperbilder, schließlich Entwürfe für zehn Gobelins, die in Brüssel gewoben wurden.

Ein Großprojekt war die Ausmalung der Villa Farnesina des päpstlichen Bankiers Agostino Chigi in Trastevere. Zwischen 1508 und 1511 – also parallel zum vatikanischen Auftrag –   schuf er hier mit seinen Schülern ein wunderschönes Freskoprogramm.
Noch während der Arbeiten im Vatikan stand er vor einer neuen, gewaltigen Herausforderung. Es war das Jahr 1514. Bramante war gestorben, sein Posten als verantwortlicher Baumeister der neuen Peterskirche vakant. Raffael übernahm das Amt und brachte gleich eine umwälzende Idee ins Spiel: Er verwarf Bramantes Grundriss in Form eines griechischen Kreuzes und propagierte stattdessen einen Grundriss auf der Basis  eines lateinischen Kreuzes, der so aber nicht realisiert wurde. Nebenher arbeitete er an zahlreichen Entwürfen für sakrale und profane Bauten, die Villa Madama ist ein Beispiel, die „Logge di Raffaello“ genannten Arkadengänge am Vatikanischen Palast ein anderes.



Als sein „letztes monumentales Meisterwerk“ gilt eine Auftragsarbeit für den Erzbischof von Narbonne, das Altarbild „Verklärung Christi“, das Rom aber nie verließ und heute in der Vatikanischen Pinakothek besichtigt werden kann.
Zu seinen berühmtesten Gemälden zählen die sog. Sixtinische Madonna, ursprünglich gemalt für den Hochaltar der Kirche San Sisto in Piacenza, heute viel besuchtes Exponat der Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie die Portraits seines Förderers Julius II. und dessen Nachfolgers Papst Leo X.

Raffael starb 1520 im Alter von nur siebenunddreißig Jahren. Die Römer, die seine Kunst verehrten und sein heiteres Gemüt liebten, waren tieftraurig und begleiteten zu Tausenden den Trauerzug zum Pantheon, wo der große Renaissancekünstler seine letzte Ruhestätte fand.

Die Bewertung seines Gesamtwerks pendelt zwischen dem Vorwurf der „Glätte“ oder „Gefälligkeit“ und hemmungsloser Lobpreisung. Neben dem Titanen Michelangelo, der düster und verschlossen seinen Weg ging, mag Raffael manchem Kritiker als ein Leichtgewicht erscheinen. Nur führen derartige Vergleiche nicht weiter. Er war ein „vom Glück Begünstigter“, er hatte schnellen Erfolg als Künstler und als Liebhaber, jeder war ihm zugeneigt und er gab reichlich zurück. Er war ein Meister der Ausgewogenheit, was das Zusammenspiel der Farben angeht, die Klarheit der Linienführung, „das Gespür für Aura und Raum“. Malte er zunächst in luftiger, leichter, lieblicher Manier, änderte sich in Rom unter dem Eindruck der römischen Antike sein Stil, der nun ernster und getragener wurde, ohne seine harmonischen und anmutigen Züge zu verlieren. „Größere Plastizität und Monumentalität“ gelegentlich in späteren Werken sind wohl dem Einfluss Michelangelos zuzuschreiben und der Farbenrausch gegen Ende seines Lebens belegt seine Aufgeschlossenheit für das lebhafte Farbenspiel der damals in Rom gerade Fuß fassenden Venezianischen Schule.





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