Reiseführer Rom

Porta Pia

Das Tor erinnert an den Bauherren Papst Pius IV. (1559 – 1565), der Michelangelo für das Projekt gewinnen konnte. Es war das letzte große Werk des Meisters, dessen Vollendung er nicht mehr erlebte, als er 1564 im hohen Alter von fast neunundachtzig Jahren starb. Sein Schüler, Giacomo del Duca, führte die Arbeiten zu Ende, die Rom und der Kunstwelt ein herausragendes Beispiel für manieristische Architektur bescherten. Aus der Spätrenaissance ging diese Stilvariante hervor, als man sich von der Burg ab- und dem Schloss zuwendete, antiklassisch, experimentierfreudig und spannungsgeladen in Kunst und Architektur zu Werke ging und reiche Ornamentik und bewegte Fassaden schuf.

Rom: Porta Pia

Vor der im 16. Jahrhundert in Angriff genommenen Neugestaltung einiger aus dieser Gegend stadtauswärts verlaufenden Straßenzüge beschrieb die Via Pia, die heute Via XX Settembre heißt, einen Bogen, passierte die in die Aurelianische Stadtmauer eingefügte Porta Nomentana und führte als Via Nomentana hinaus in die Campagna Romana. Im Zuge der Umgestaltung wurde der Durchgang der Porta Nomentana zugemauert und die Via Pia begradigt. Auf diese Weise schuf man eine schnurgerade Blickachse vom Quirinale über die frühere Via Pia bis hinein in die lang gestreckte Via Nomentana, die im fernen Hintergrund die frühchristlichen Kirchen Sant`Agnese und Santa Costanza erahnen lässt.

Dort, wo sich diese Straßenachse zur Piazzale di Porta Pia verbreitert, steht der mächtige Torkomplex der Porta Pia. Der Ersatz für die Porta Nomentana entstand in den Jahren 1561 – 1565, auch er eingepasst in die Aurelianische Mauer.

Rom: Porta Pia

Ungewöhnlich ist, dass die repräsentative Fassade des Tores der Innenstadt zugekehrt ist, nicht wie bis dahin üblich der Landseite. Ausdruck eines, so ein Zitat, „Funktionswandels vom reinen Wehrbau zur theatralischen Schauarchitektur“. Die der Stadt abgewandte Seite blieb unvollendet und wurde erst in den 1860er Jahren von dem Architekten Virginio Vespignani ausgestaltet. Und selbst an der Schauseite blieb der hohe „Auszug“ Fragment, ein Stumpf, auf dessen Oberkante Pflanzen wucherten, wie ein Stich aus dem frühen 19. Jahrhundert zeigt. Auch dieser bis dahin unvollendete Giebel erhielt auf Betreiben des damaligen Papstes Pius IX. (1846 – 1878) von dem Architekten Vespignani einen Abschluss. Es war jener Papst übrigens, der den Risorgimento, die erfolgreich agierende Einigungsbewegung Italiens, als metro cubo di letame, als „einen Kubikmeter Mist“ diffamierte und seine nächsten Untergebenen in der römischen Kirche die Führungsspitze des Risorgimento (Mazzini, Garibaldi, Cavour) als Angehörige einer ansteckenden und perversen Sekte verunglimpften. Gegen fünf Uhr am Morgen des 20. September 1870 standen die Bersaglieri-Truppen der so Geschmähten unter dem Kommando des Generals Raffaele Cadorna nur ein paar Dutzend Meter rechts neben der Porta Pia, richteten ein paar Geschosse auf die Mauer und stürmten durch die berühmte breccia di Porta Pia, die Bresche an der Porta Pia, in die von Papsttruppen nur schwach verteidigte Stadt und beschleunigten mit ihrem Handstreich die Einigung Italiens. Der entmachtete Pius IX. zog sich schmollend zurück und betrachtete sich von nun an als Gefangener im Vatikan.

Der Schauseite „überbordender Detailreichtum“ wird immer wieder hervorgehoben, Michelangelos Intention, Kontraste zu schaffen – allein die Gestaltung des Portals belegt das nachdrücklich: da sind links und rechts kannelierte Pilaster aufgerichtet, darüber ein Segmentbogengiebel mit davor platziertem „Mascherone“, einem fratzenhaften Gesicht, überdacht von einem gewaltigen Dreiecksgiebel, in dessen Feld neben der Stiftungsinschrift des Papstes (Papst Pius IV. errichtete die Porta Pia, die Porta Nomentana ersetzend, und führte die Via Pia in ebener Linie über die Via Alta Semita) eine Lorbeergirlande sich zwischen zwei Spiralen auf dem Gesims abstützt.



Die Schaufassade besteht großflächig aus rotem Ziegelmauerwerk. Zinnen krönen ihren Abschluss und ein ungewöhnlich hoher Giebel überragt ihre Mitte. Eckpilaster aus Ziegeln schließen die Hauptfassade zu den Seiten ab. Je ein Fenster und eine Rechteckrahmen seitlich des Portals gliedern die Fassadenfläche. Oberhalb des über die gesamte Frontseite laufenden Travertinbandes sind links und rechts des Dreiecksgiebels Dekorelemente (die sich im hohen Giebel wiederholen) angebracht, die den Betrachter zunächst rätseln lassen. Die Auflösung: es handelt sich offenbar um eine Anspielung auf die Herkunft des Papstes, unter dessen Vorfahren es Barbiere gegeben haben muss. Die Symbole ihrer Berufsgruppe sind die hier dargestellten Teller mit Seife und einem darum gelegten Handtuch mit Fransen.

Auf der im 19. Jahrhundert gestalteten Rückseite erhielten die römischen Ortsheiligen Sant`Agnese (ornat et fovet / sie lobt und ermutigt) und Sant`Alessandro (regit et tuetur / er regiert und beschützt) Ehrenplätze.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert verlor das Tor seine Funktion. Das steigende Verkehrsaufkommen war nicht mehr zu bewältigen. Breite Breschen in der Aurelianischen Mauer leiteten von nun an die Fahrzeuge an der Porta Pia vorbei - eine Insel im römischen Verkehrsgetümmel.

(Via XX Settembre / Piazzale di Porta Pia)





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