Olevano Romano
Die sich an den Hang lehnenden Häuser aus grauem Felsgestein sind inzwischen von Neubauten umstellt. Zur grenzenlosen Enttäuschung so mancher Bewunderer des „romantischen Olevano“ hat auch hier die Moderne Einzug gehalten. Freilich hat das alte Gemäuer seinen Reiz nicht verloren. Es bleibt ein wenn auch schweißtreibendes Erlebnis, über holperige Treppen zu steigen und durch die schmalen, mit Kopfstein gepflasterten Gassen zu streifen und sich ganz allmählich der Kuppe mit dem Burgkomplex zu nähern. Hin und wieder öffnen sich schmale Durchblicke zwischen Mauerwänden hinunter in die campagna romana, auf die weite, vom Lauf des Sacco durchzogene fruchtbare Ebene voller Weingärten und Olivenhaine. Ein Kranz mäßig hoher Bergketten umschließt das weiträumige Tiefland. Es sind die verkarsteten Monti Lepini und die Colli Albani vulkanischen Ursprungs wie auch die Kalksteinhöhen der Monti Prenestini.
Das Kastell aus dem 13. Jahrhundert befand sich bereits in einem Zustand fortschreitenden Verfalls, als es um 1970 von der einheimischen Familie Marcucci übernommen wurde mit der festen Absicht, den Komplex zu restaurieren. In enger Anlehnung an die ursprünglichen Gebäudestrukturen und unter Verwendung lokaler Techniken und Materialien ging es langsam aber stetig voran. Helfer befreundeter Institutionen und Vereine beteiligten sich ehrenamtlich an den Arbeiten.
Eingang zum Palast, rechts die ehemaligen Stallungen
Nach der Sicherung der Statik wurden die Innenräume restauriert vor allem die Sala degli Archi, ein ehemaliger Kapitelsaal der hier vor den Colonna wirkenden Benediktiner. Zu sehen sind u.a. eine altertümliche hölzerne Druckpresse für Antiphonare (Sammlung von liturgischen Liedern) und ein Stehpult aus dem 14. Jahrhundert. Die Sala degli Affreschi zeigt flämische Wandteppiche und Fresken aus dem 16. Jahrhundert, die, so wird vermutet, von Pietro Buonaccorsi stammen könnten, einem engen Mitarbeiter von Raffael. Heute sind die Räumlichkeiten so weit hergerichtet, dass dort Konferenzen, Konzerte und Ausstellungen stattfinden können. An den Burgturm schließt sich eine weitläufige Terrasse an. Sie gewährt einen phantastischen Rundblick auf das Städtchen und die sich zu ihren Füßen ausbreitende Ebene mit den angrenzenden Bergketten.
Anmerkungen zur Anreise
Die Verkehrsverbindung nach Olevano Romano verlangt Zeit und viel Geduld! Von Anagnina, der Endstation der römischen Metrolinie A, verkehrt ein COTRAL-Bus in ca. 1,5 Stunden zur Via Koch, der Endstation in Olevano. Einzelheiten kennt die COTRAL-Website https://www.cotralspa.it
Die Luftlinie von Rom nach Olevano beträgt 46 km. Auf der Straße sind es an die 70 km. Wer mit dem Auto unterwegs ist, sollte zunächst den römischen Autobahnring (GRA, auch A 90) ansteuern, ihn an der Ausfahrt 19 (Roma Sud) verlassen und auf die E 821 Richtung San Cesareo wechseln. Dort verläuft die Strada Regionale 155 (SR 155), der nun in Richtung Frosinone zu folgen ist. Von der Ortschaft Gimignano (nach etwa 24 km) zweigt die Strada Provinziale 61a (SP 61a) Richtung Olevano ab. Es sind dann nur noch wenige Kilometer zum Ziel.
Die Deutschrömer in Olevano
Dass die Kleinstadt Olevano Romano manchem Italienreisenden etwas sagt, ist auf eine Begebenheit zurückzuführen, die schon rund 200 Jahre zurückliegt, aber bis heute nachwirkt. Roms drückende Sommerhitze mag damals ein Grund gewesen sein, sich in das erquickende Klima Olevanos zurückzuziehen, vielleicht waren es aber auch schwärmerische Berichte über die lichtdurchflutete, malerische Berglandschaft, die geradezu einen Boom auslösten und Künstler zu Dutzenden in das Dorf auf dem Celeste ziehen ließen.
Einer der Ersten war der Tiroler Joseph Anton Koch, Wortführer der Deutschrömer, der deutschsprachigen römischen Künstlerkolonie, Schöpfer heroischer Landschaftspanoramen mit idealisierenden romantischen Zutaten. Ihm folgten seine Vertrauten Franz Horny, von dem der Ausspruch überliefert ist: „Überhaupt ist die ganze Gegend so phantastisch, dass man es in Deutschland gar nicht glauben würde, wenn man Zeichnungen davon sähe“ und Johann Christian Reinhart, Heinrich Reinhold, Philipp Fohr, Carl Rottmann, Ludwig Richter und viele andere. Reinhart und Reinhold sind auf dem Cimitero Acattolico in Roms Stadtviertel Testaccio beigesetzt. Auch Horny fand seine letzte Ruhestätte in Rom und Fohr, der Landschaftsmaler der deutschen Romantik, ertrank beim Baden im Tiber. Friedrich Noack, ein in Rom akkreditierter Korrespondent, resümierte vor rund hundert Jahren: „Olevano ist fast durch das ganze 19. Jahrhundert das eigentliche Paradies der deutschen Künstler vorzüglich der Landschafts- und Genremalerei gewesen.“ Und vor Jahren notierte ein Journalist über die Deutschrömer in Olevano: „Hier hatten sie ihre heile Welt gefunden, die sie in ihren romantischen Bildern feierten. Besonders gefiel den Deutschrömern an dieser Landschaft, dass sich in ihr das Mediterrane der Ebene mit ihren Feigen, Oliven und Palmen und das Mitteleuropäische der Berge mit ihren Wäldern und Bächen so harmonisch trifft“.
Doch nicht allein Maler zählten zur Gruppe der Deutschrömer, auch Dichter und Historiker hatten sich in Rom ein zweites Zuhause geschaffen und waren von dort nach Olevano aufgebrochen wie der schwäbische Dichter Wilhelm Waiblinger, der dort seine vier pathetischen Olevano-Elegien zu Papier brachte. Er starb in jungen Jahren. Auch sein Grab kann auf dem römischen Cimitero Acattolico besucht werden. Theodor Mommsen, der Historiker, zählt dazu wie auch sein Kollege Ferdinand Gregorovius, dessen bekanntestes Werk „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ am Tiber geschrieben wurde oder der Poet Joseph Victor von Scheffel, der bekannte: „In dem prächtigen Sommer im Albanergebirge ist mir ganz unbewusst eine poetische Ader aufgegangen“. Das Gros der Besucher in Olevano stellten deutsche Maler und Literaten, aber es zog auch Künstler und Dichter aus anderen europäischen Ländern in das Bergdorf mit seinen inspirierenden Menschen und Landschaften. Der italienische Schriftsteller Gabriele d`Annunzio, war einer von ihnen, auch der französische Maler und Grafiker Paul Gustave Doré und sein Landsmann, der Landschaftsmaler Jean-Baptiste Camille Corot besuchten Olevano.
Casa Baldi und Villa Serpentara
Die Olevanesi hatten zu keiner Zeit Vorbehalte gegenüber den zugereisten Fremden, mit den Worten der früheren Bürgermeisterin Guglielmina Ranaldi: „Wir sind sehr gastfreundlich und der Begriff des Fremden existiert hier nicht.“ So gestaltete sich die Quartiersuche für die Gäste recht einfach: ein Bauernhaus aus dem Jahr 1778 im Besitz der Familie Baldi, das später in ein Gasthaus umgewandelt wurde, bot Unterkunft und Verpflegung und ist bis heute nach mehrfacher Renovierung seiner Aufgabe treu geblieben. In den 1930er Jahren erwarb die berüchtigte Berliner Reichskulturkammer das Anwesen, um, wie es heißt, dort ein Künstlerhaus einzurichten.
Die Casa Baldi
Heute ist die Casa Baldi (Via XXIV Maggio, Nr. 20) eine Dependance der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo und wird von dort verwaltet. Zwei Stipendiaten genießen hier freie Unterkunft und ein Barstipendium für jeweils drei Monate. In einer Veröffentlichung der Villa Massimo über die Casa Baldi heißt es, dass ein Stipendium hier „wegen der besonderen Lage des Ortes und der kürzeren Dauer des Aufenthalts von grundsätzlich anderer Art ist als das der Villa Massimo. Die Arbeit in Abgeschiedenheit und die naturgemäß direkten Kontakte zu den Menschen des Ortes sind für dieses Stipendium charakteristisch.“Besonders angetan waren die Deutschrömer von dem Bosco della Serpentara an der Straße zum hochgelegenen Dorf Bellegra.
Auf der Kuppe liegt Bellegra
Einige Dutzend Steineichen bildeten hier ein Wäldchen auf felsigem Grund, eine heißgeliebte Inspirationsquelle für Maler und Poeten. „Die Serpentara, von welcher ich soviel hatte sprechen hören, ist freilich ein Stück Erden, wie für den Maler besonders hergerichtet“, notierte Ludwig Richter. Als das Wäldchen abgeholzt werden sollte, konnte eine Spendensammlung unter Malern und Kunstfreunden das Schlimmste verhindern. Das Gelände ging als Stiftung an das Deutsche Reich. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand auf seinem Grund eine einfache Behausung, die 1914 samt Grundstück der Akademie der Künste in Berlin vermacht wurde, in deren Besitz sie noch heute ist – ausgebaut zur Villa Serpentara (Via Joseph Anton Koch, Nr. 169), einer weiteren Stipendiatenstätte in Olevano, verwaltet wie die Casa Baldi von der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo.