Reiseführer Rom

Mark Aurel

Nach dem gewaltsamen Tod Kaiser Domitians (96 n. Chr.) wählte der römische Senat seinen Rangältesten, den angesehenen Juristen Nerva, zum Herrscher über das Reich. Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die schon seit langem von der römischen Intelligenz gefordert worden war, endlich die Familiendynastien zu überwinden und ein besseres Nachfolgesystem zu etablieren. Etwa nach den Vorstellungen Platons, der in seiner Staatslehre vorgeschlagen hatte, den jeweils Besten und Fähigsten regieren zu lassen. Der klug und umsichtig amtierende Nerva machte den Anfang, indem er Trajan als seinen Nachfolger adoptierte. Dieser wählte Hadrian nach dem gleichen Grundsatz als seinen Nachfolger aus. Hadrian wiederum adoptierte Antoninus Pius und dieser schließlich Mark Aurel. So kam eine ganze Herrscherreihe zustande, die überragende Fähigkeiten verkörperte. Ihre disziplinierte, abgewogene Führung bescherte dem Reich eine glückliche Zeit. Rom war auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Mark AurelDie Lage trübte sich ein, als ausgerechnet der „Philosoph auf dem Kaiserthron“, Mark Aurel, aus unklaren Gründen das Adoptionsprinzip aufgab und die diskreditierte dynastische Erbfolge wieder einführte. Und sogleich waren die Schrecken der Vergangenheit wieder präsent: Sein missratener Sohn und Nachfolger Commodus richtete ein Terrorregime ein und wurde bei einer Palastverschwörung ermordet.

Mark Aurel, eigentlich Marcus Aurelius Antoninus, war vierzig, als er im Jahre 161 n. Chr. an die Macht kam. Er hatte eine umfassende Ausbildung durch Privatlehrer erhalten, siebzehn sollen es gewesen sein, darunter war ein Anhänger der Stoa, der ihm später ein wichtiger Berater wurde. Sein Interesse für den Stoizismus war früh geweckt, mit zwölf gab es die ersten Unterrichtseinheiten und als 25jähriger fühlte er sich als Philosoph. Die stoische Denkrichtung begleitete ihn bis an sein Lebensende. 

Mark Aurel absolvierte die gängige politische Ämterlaufbahn, wurde schon mit 18 Jahren Quästor und verwaltete Staatsfinanzen, drei Mal war er Konsul. Er übernahm ein intaktes, von seinem Vorgänger Antoninus Pius (seinem Adoptivvater und späteren Schwiegervater) zurückhaltend und mit Milde und Ausdauer verwaltetes Reich. Kaum hatte er das Amt angetreten, brachen an allen Fronten Kriege aus. Er, der nach dem Vorbild des Antoninus Pius nur Gutes tun wollte und ohnehin mehr den Wissenschaften zuneigte als kriegerischen Unternehmungen, musste während seiner gesamten Regierungszeit Angriffe auf die Reichsgrenzen abwehren. Aufstände der Caledonier in Britannien und Vorstöße der Chatten in Obergermanien wurden bekämpft und die ewig unruhigen Parther in Nahost, die das römische Armenien erobert und zwei Legionen vernichtet hatten, besiegt, Armenien und Mesopotamien zu Vasallenstaaten gemacht – ein teuer erkaufter Erfolg, denn die siegreichen Truppen Roms brachten die Pest (oder Pocken) in die Heimat mit, die über Jahre im Reich wütete. Die Langobarden galt es im Donauraum zu bekämpfen und in der ungarischen Tiefebene die Jazygen, ein sarmatisches Reitervolk, das ursprünglich im südukrainischen Steppengebiet beheimatet und nach Westen vorgedrungen war. Besonders die germanischen Markomannen (wahrscheinlich waren sie die Vorläufer der Bayern) sorgten für anhaltende Unruhe entlang der Donau. Damals wurde Castra Regina, das heutige Regensburg, von Mark Aurel als Stützpunkt ausgebaut und entwickelte sich zur bedeutendsten Stadt der römischen Provinz Raetia (Rätien). Während eines weiteren Feldzugs gegen die Markomannen starb Mark Aurel vermutlich in Vindobona (Wien) im Jahre 180.

Innenpolitisch betätigte sich Mark Aurel als Reformer, der anstelle großer Aktionen eher kleine, wohlgeplante  Schritte bevorzugte, die er so begründete: Hoffe nicht auf Platons Idealstaat, sondern gib dich zufrieden, wenn es ein ganz klein wenig vorangeht, und ziele auf diesen Ausgang, wie gering er auch sei. Zu seinen Verdiensten zählt das intensive Bemühen um eine Verbesserung des Schicksals der Schwachen im Staat durch mehr Rechte und Freiheitsräume. Er sorgte für eine gewissenhafte Rechtspflege und förderte den Ausbau des Beamtenapparats.

In seinen letzten Jahren schrieb er meist während seiner Feldzüge in griechischer Sprache aphoristische Betrachtungen, die ihn als einen der letzten namhaften Stoiker ausweisen. Seine „Selbstbetrachtungen“ im Stil eines Tagebuchs erschienen posthum in zwölf Bänden.  





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