Reiseführer Rom

Der Johanniter-/Malteser-Orden zwischen Pilgerfürsorge und Heidenkampf, Piraterie und Wohltätigkeit - Ein Rückblick

Die Ursprünge des Hospital- und späteren Ritterordens der Johanniter sind in dem klösterlichen Pilgerhospital der Jerusalemer Benediktinerabtei Santa Maria Latina zu suchen. Bald nach der Eroberung Jerusalems durch die christlichen Krieger des ersten Kreuzzugs – das geschah am 15. Juli 1099 – löste sich das Hospital vom Mutterhaus (der Abtei) und wurde in eine unabhängige Institution umgewandelt – sehr wahrscheinlich in päpstlichem Auftrag.

Legendenumwobener Leiter dieser Hospizneugründung war Bruder Gerhard / Gérard, der Johannes den Täufer zum Schutzpatron des Hospizes erklärte und nach ihm die neue Gemeinschaft „Johanniterorden“ benannte (Ordo militiae S. Johannis Baptistae hospitalis Hierosolimitani). Ursprünglich als Laienbruderschaft zum Schutz und zur Pflege gefährdeter Pilger eingesetzt, erhielt die Gemeinschaft 1113 durch päpstliche Privilegien den Rang eines geistlichen Ordens und stieg schließlich 1153 zu einem geistlichen Ritterorden auf. Eine Militarisierung der Johanniter setzte ein, der „Heidenkampf“ rückte mehr und mehr in den Vordergrund. Nach dem Fall von Akkon 1291, der das Ende der nahöstlichen Kreuzfahrerstaaten („Outremer“) bedeutete, zogen sich die Johanniter nach Zypern zurück und verlegten den Hauptsitz des Ordens nach Limassol. Eine Phase zunehmender Orientierungslosigkeit endete 1306 als der Großmeister des Johanniterordens, Foulques de Villaret, unterstützt von dem genuesischen Piraten de Vignoli, die Insel Rhodos angriff und 1309 endgültig unter die Kontrolle des Ordens brachte.

Malteser
Malteser

Kreuzfahrer auf dem Weg nach Palästina und beim Kampf gegen Sarazenen


Die nun in der Ost-Ägäis eine dominante Stellung einnehmenden Johanniter waren die Hauptnutznießer der durch den französischen König Philipp IV. („der Schöne“) und dem aus Frankreich stammenden Papst Clemens V. veranlassten Auflösung des Templerordens (1312). Unter fadenscheinigen Anklagepunkten (Häresie, Sodomie, Götzendienst) brach der Orden auseinander. Seine eingezogenen Güter gingen in den Besitz der Johanniter über. 1522 geriet Rhodos ins Visier des osmanischen Sultans Süleyman I., den man hierzulande den „Prächtigen“ nennt, in der türkischen Welt den „Gesetzgebenden“. Der Orden kapitulierte vor der Übermacht, verließ das östliche Mittelmeer und fand 1530 durch Vermittlung des Habsburger Kaisers Karl V. auf Malta ein neues Zuhause.

Die anfängliche Blütezeit des Ordens dort speiste sich aus üppigen Spenden und Schenkungen des europäischen Adels und aus einer lukrativen Tätigkeit, die man „corso“ nannte und die nichts anderes war als legalisierte Piraterie, wie sie seinerzeit gang und gäbe war im Mittelmeer – unter Christen wie Muslimen. Gefangene wurden versklavt, zur Zwangsarbeit auf Galeeren genötigt, manche gegen horrendes Lösegeld freigelassen. Der Forschungsreisende Carsten Niebuhr notierte damals: „Es haben nämlich jene Republiken (Algier, Tunis, Tripolis) beständig Krieg gegen die Europäer geführt, wie die Malteserritter gegen die Mohammedaner“.

Die Glaubensspaltung im Europa des 16. Jahrhunderts erfasste auch den Johanniter-/Malteserorden. Durch Übertritte zum evangelischen Glauben kam es zu Abspaltungen vom Gesamtorden. Es formierten sich der evangelische Zweig des Johanniterordens und der katholische Zweig, der seitdem unter der Kurzbezeichnung Malteserorden firmiert. Beide Zweige sehen sich in der Tradition des um etwa 1100 in Jerusalem gestifteten Hospitals zum Heiligen Johannes. Der katholische Malteserorden erkennt die in der Alliance of the Orders of St. John of Jerusalem zusammengefassten evangelischen Johanniterorden in Deutschland, Schweden, Großbritannien, Niederlande und die Johanniter-Genossenschaften in Finnland, Ungarn, Schweiz und Frankreich an, da sie als Ritterorden des heiligen Johannes eine gemeinsame Geschichte erlebt und einen gemeinsamen Auftrag auszuführen haben.

Napoleon Bonapartes „Ägyptische Expedition“ beendete mit einem Abstecher zum maltesischen Archipel 1798 abrupt die Herrschaft des feudalen Ordens, der von nun an über kein eigenes Territorium verfügte und auch seine militärische Orientierung aufgab. Es folgte eine Odyssee durch mehrere europäische Länder. Die letzten Besitztümer im protestantischen Europa gingen verloren. Immerhin sorgte der Kongress von Verona (1822) für ein Aufatmen, denn er garantierte die Weiterexistenz des katholischen Ordens als souveränes, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt. Seit 1834 residiert der Orden in Rom. Sein Hauptquartier zog in ein imposantes Gebäude (Palazzo Malta) in der Via dei Condotti.

Mit vollem Titel heißt die römisch-katholische Ordensgemeinschaft des Malteserordens Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes von Jerusalem von Rhodos und von Malta. Artikel 7 der Ordensverfassung bestimmt Italienisch zur offiziellen Sprache des Ordens. Die Ordensbezeichnung im Italienischen lautet Sovrano Militare Ordine Ospedaliero di San Giovanni di Gerusalemme di Rodi e di Malta. Unverändert gilt der lateinische Wahlspruch Tuitio fidei et obsequium pauperum (Verteidigung des Glaubens und Unterstützung für die Armen).

Nach fragwürdigen Zielsetzungen in der Frühzeit des Ordens beschränkt er sich in der Gegenwart allein auf humanitäre Vorhaben, Gottes Ehre zu fördern, die christlichen Tugenden der Wohltätigkeit und Brüderlichkeit zu festigen und zu verkünden, den Menschen soziale und gesundheitliche Hilfe zukommen zu lassen, Verzweifelten und Kranken, Behinderten und Flüchtlingen, unabhängig von Alter und Geschlecht, Herkunft und Religion.

Der Malteserorden unterhielt Anfang 2018 diplomatische Beziehungen mit 106 Staaten, seit dem Herbst 2017 auch mit der Bundesrepublik Deutschland. In Köln befindet sich der Hauptsitz des Ordenshilfswerks Malteser International. Der Orden hat den Status eines ständigen Beobachters bei den Vereinten Nationen.





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