Reiseführer Rom

Castel Gandolfo

Das malerische Städtchen in den Bergen hoch über dem Albaner See hat sich mit viel Weh und Ach in seine neue Rolle gefügt, seit der 2025 verstorbene Papst Franziskus („Papa Francesco“) 2016 verkündete, die heißen Sommermonate nicht mehr in der päpstlichen Residenz am Kraterrand des Albaner Sees verbringen zu wollen. Ihm genüge das vatikanische Gästehaus Santa Maria, wo ihm im 2. Stock auf 70 qm ein Schlaf- und ein Arbeitszimmer zur Verfügung stünden.

Rom: Castel Gandolfo

Front des Apostolischen Palastes

Der Papst reiste nun nicht mehr per Hubschrauber aus dem überhitzten Rom an den kühlen Rand der Caldera des tiefsten Vulkansees Italiens. Vorbei waren die aufregenden Tage, als er in seiner Residenz weilte, Gläubige und Pilger in großer Zahl in den Ort strömten, die Kassen nur so klingelten, Unmengen Devotionalien über den Ladentisch in die Taschen wanderten. Der Zustrom an Besuchern riss nach dem Ausbleiben des Papstes zwar nicht ab, nur waren jetzt urlaubsgestimmte Touristen in der Überzahl und füllten wie eh und jeh die Cafés und Lokale. Dazu beigetragen hat sicherlich Franziskus` überraschende Entscheidung, die Sommerresidenz und die Gärten der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So verwandelte sich die bislang mehr oder weniger verschlossene Papstresidenz in ein Museum mit schönem Renaissance-Interieur und beeindruckenden Fresken, das den Besuchern so manches Interessante und Kuriose im päpstlichen Schlafzimmer, den Arbeitsräumen, der Kapelle zu bieten hat.

Rom: Castel Gandolfo

Berninis Brunnen und die nach seinen Entwürfen errichtete Kirche San Tommaso da Villanova


Mit dem sommerlichen Ausbleiben des Papstes und der Umwandlung der Residenz in einen Museumskomplex schien eine Jahrhunderte alte Tradition zu enden, die schon von wohlhabenden antiken Römern und reichen Kardinälen im Zeitalter der Renaissance und des Barock gepflegt wurde. Doch dann die nächste Überraschung: Franziskus` Nachfolger, Papst Leo XIV., gerade ein paar Wochen im Amt, ließ Mitte Juni 2025 über die Päpstliche Präfektur mitteilen, die Tradition wieder aufnehmen zu wollen und im Juli und August einige Wochen in der päpstlichen Sommerresidenz zu verbringen, Messen und Mittagsgebete mit Gläubigen inbegriffen. Auch werde er gelegentlich Heilige Messen in der Pfarrkirche San Tommaso da Villanova an der Piazza della Libertà zelebrieren, einer von Gian Lorenzo Bernini mit vier gleich langen Seiten (griechisches Kreuz) in den Jahren 1658-1661 errichteten Palastkirche. Der Apostolische Palast, so Vatikan-Sprecher Matteo Bruni, solle weiterhin als Museum genutzt werden und auch das von Franziskus vor Ort initiierte Projekt eines Zentrums für ökologische Bildung und Landwirtschaft „Borgo Laudato Si“, so benannt nach der 2015 von Franziskus verkündeten Umwelt-Enzyklika werde weiter seine Aufgaben wahrnehmen. Papst Leo XIV. fände Unterkunft „in einem anderen Anwesen der Sommerresidenz“.

Rom: Castel Gandolfo

Blick auf den Albaner-See und die Dörfer Pozzo Carpino und Belvedere


Diese ist ein umfangreicher Komplex, bestehend aus dem eigentlichen Apostolischen Palazzo am Ende der Piazza della Libertà, errichtet auf den Ruinen einer Villa des berüchtigten Juden- und Christenverfolgers Domitian aus dem späten ersten Jahrhundert. Der ramponierte antike Bau wurde sehr viel später übernommen von den prominenten Adelsfamilien Savelli und Gandolfi. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts beschlagnahmte Papst Clemens VIII. die Anlage des hoch verschuldeten Savelli-Clans und dreißig Jahre danach nahm sich Carlo Maderno, prominenter Architekt römischer Paläste und Kirchen, der Anlage an. Auftraggeber war Papst Urban VIII. aus dem Hause Barberini, der große Förderer des überragenden G. L. Bernini, Bildhauer, Architekt, Maler, der den Brunnen auf der Piazza della Libertà schuf.


Im Laufe der folgenden Jahrhunderte kam die Villa Cybo hinzu und der Palazzo Barberini nebst ausgedehnten Gärten und ein kleiner Gutshof, der das päpstliche Sommeranwesen mit Lebensmitteln versorgte (Auf Initiative Papst Franziskus` stellte er sich auf ökologische Landwirtschaft und ökologischen Weinbau um). Mit der Annektierung der vatikanischen Besitzungen durch das junge Königreich Italien (1870) stand ihre Zukunft auf dem Spiel. Erst die Lateran-Verträge von 1929 regelten nicht nur den Status des Kirchenstaats, auch der päpstliche Besitz in Castel Gandolfo wurde zur exterritorialen Besitzung des Heiligen Stuhls auf italienischem Staatsgebiet erklärt, wurde also nicht Teil des Territoriums des Staates der Vatikanstadt.

Palast, Villen, Gutshof und ausgedehnte Gärten bedecken eine Fläche von 55 ha, übertreffen somit flächenmäßig das Staatsgebiet des Vatikan (44 ha).


J. W. von Goethe besuchte auf seiner „Italienischen Reise“ auch Castel Gandolfo und vermerkte unter dem 8. Oktober 1787:

„Wir leben hier wie man in Bädern lebt, nur mache ich mich des Morgens beiseite, um zu zeichnen, dann muss man den ganzen Tag der Gesellschaft sein, welches mir denn auch ganz recht ist für diese kurze Zeit; ich sehe doch auch einmal Menschen ohne großen Zeitverlust und viele auf einmal (…) Angelika ist auch hier und wohnt in der Nähe, dann sind da einige muntere Mädchen, einige Frauen (…) teils im Hause, teils in der Nachbarschaft; die Gesellschaft ist lustig, und es gibt immer was zu lachen: Abends geht man in die Komödie, wo Pulcinell die Hauptperson ist, und trägt sich dann einen Tag mit den bonmots des vergangenen Abends. Tout comme chez nous – nur unter einem heiteren, köstlichen Himmel (…) Eine Mailänderin interessierte mich die acht Tage ihres Bleibens, sie zeichnete sich durch ihre Natürlichkeit, ihren Gemeinsinn, ihre gute Art sehr vorteilhaft vor den Römerinnen aus. Angelika war, wie sie immer ist, verständig, gut, gefällig, zuvorkommend. Man muss ihr Freund sein, man kann viel von ihr lernen, besonders arbeiten, denn es ist unglaublich, was sie alles erledigt.“

Goethe spricht von der österreichisch-schweizerischen Malerin Angelika Kauffmann, die ihn in Rom und anderen italienischen Orten wie auch in Castel Gandolfo häufig begleitete und vermutlich einem empfindsamen Liebesverhältnis nicht abgeneigt war. Als Goehte Italien verließ, schrieb sie ihm: „Teurer Freund ! Ihr Abschied von uns durchdrang mir Herz und Seele, der Tag Ihrer Abreise war einer der traurigen Tage meines Lebens.“





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