Bracciano
Nicht wenige lärm- und smoggeplagte Römer zieht es zur Entspannung in das Landstädtchen Bracciano mit seinem dicht bebauten, von einer märchenhaften Burgsilhouette gekrönten Ortskern. Und an seiner Peripherie erstreckt sich ein weiteres Highlight: der Lago di Bracciano mit einladenden Ufern und kristallklarem Wasser. Er ist nach dem Lago di Bolsena der zweitgrößte See in der Region Lazio.

Bracciano liegt nordwestlich von Rom. Von Italiens Hauptstadt sind es mit dem Auto etwa 40 km bis zu den Ufern des Sees. Die Bahnverbindung startet von der Station Roma-Ostiense Richtung Viterbo und braucht eine knappe Stunde bis zur Station Bracciano.
Rund 19.000 Einwohner zählt das Städtchen, dessen weitläufige Wohnviertel die Hänge des burggekrönten Hügels bedecken. Eng wird es im Altstadtkern im Schatten der Pfarrkirche Santo Stefano, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Im Laufe der Zeit veränderte sie ihr Aussehen, erhielt Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Fassade, im 19. Jahrhundert kam eine Freitreppe hinzu, unverändert blieb der barocke Glockenturm aus dem Jahr 1619.
Der kleine Ort trat im 11. Jahrhundert unter dem Namen Brachianum in die Geschichte ein. Eine erste Burg entstand und die Familie Orsini zog ein, verstrickte sich aber im 16. Jahrhundert in diverse Mordaffären, aus denen ein Virginio Orsini den schuldbeladenen Clan so halbwegs herausführen konnte. Ende des 17. Jahrhunderts brach die Orsini-Herrschaft unter enormen Schulden zusammen – die Burg musste für 386.000 Scudi verkauft werden. Neuer Besitzer war die aus Como stammende adlige Familie Odescalchi, die ihrerseits im 19. Jahrhundert in finanzielle Nöte geriet, vorübergehend die Burg an die Torlonia-Familie abgeben musste, sie aber zurückkaufen konnte und bis heute besitzt.

Turm von Santo Stefano
Schon aus großer Entfernung als schier uneinnehmbares Bollwerk erkennbar, das einst wohl so manchen Angreifer verzweifeln ließ, beherrscht die Burg den Altstadthügel und die neuen Viertel an seinen Hängen. Das Castello Orsini-Odescalchi ist nach Meinung Fachkundiger ein herausragendes Beispiel für die Militärarchitektur der italienischen Renaissance, befinde sich überdies in hervorragendem Zustand und sei in seinen Dimensionen unerreicht. Obendrein umgibt das Kastell eine gewisse „Noblesse“, waren und sind doch Angehörige des „Schwarzen Adels“ seit den Anfängen eng mit dem Auf und Ab des Bauwerks verbunden. „Schwarzer Adel“ - darunter versteht man eine Gruppe bedingungslos papsttreuer römischer Adelsfamilien, die im Gegensatz zum aufgeschlossenen „Weißen Adel“ die politischen Umwälzungen der Neuzeit ablehnten. Die bekanntesten und einflussreichsten unter den „Schwarzen“ sind die Borghese, Orsini, Aldobrandini, Odescalchi, Caetani, Chigi, Torlonia.
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Innenhof
Das Castello entstand im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts auf dem höchsten Punkt des Städtchens. Napoleone Orsini war der Auftraggeber, vollendet wurde der Bau von seinem Sohn Gentile Virginio Orsini: ein dreieckiger westlicher Komplex mit Eckbefestigungen in Form von zinnenbekrönten Halbrundtürmen und ein östlicher mit weiteren Rundtürmen, die jeweils Innenhöfe umschließen. Paolo Giordano Orsini ließ den martialischen Bau zu einem Schloss umgestalten, als er Isabella de` Medici heiratete, Tochter des mächtigen Cosimo de` Medici (sie 16, er 17 Jahre alt). Das burgartige Schloss entwickelte sich zu einem wichtigen Treffpunkt der politischen und kirchlichen Führungsspitzen des Landes.

Blick in die Küche
Seit 1952 ist der Gebäudekomplex für die Öffentlichkeit zugänglich. In seinen Museumsräumen lassen sich Gemälde und Teppiche, altes Mobiliar und Handschriften, Decken- und Wandfresken bestaunen, auch Waffen, Rüstungen und selbst Objekte aus etruskischerZeit, die Archäologen zutage förderten.
Und wer tief in die Tasche greift, kann die Örtlichkeiten für private Feiern, Hochzeiten und prunkvolle Empfänge mieten, so wie es 2006 Tom Cruise vormachte, als er dort Katie Holmes ehelichte. Auch bot das spätmittelalterliche Ambiente schon den passenden Hintergrund für etliche „Mantel-und-Degen“-Filme.
Die 1970 geborene Maria della Pace Odescalchi verwaltet, unterstützt von einer Stiftung, ihr Besitztum Castello.
Das Gros der Besucher freilich strebt nach einem kurzen Coffebreak oder längerem Verweilen vor einer mächtigen Portion Porchetta (mit einer Gewürzpaste marinierter, gerollter Spanferkelrücken) hinunter an die Strände und auf die Campingplätze am Lago di Bracciano. Eingebettet in die sanfte Berglandschaft der Monti Sabatini, die Höhen von rund 600 m erreichen, füllt der See eine Caldera in einer von vulkanischen Aktivitäten geprägten Landschaft. Sein Wasser ist klar und kalt und reicht bis in Tiefen von 170 m. Eine Caldera entsteht, wenn eine entleerte Magma-Kammer einen Hohlraum entstehen lässt, der einstürzt. In diesem Fall lag die Magma-Kammer in 4 km Tiefe unter dem heute ruhenden Vulcano Sabatino. Fast kreisrund bedeckt der See eine Fläche von rund 57 km² und ist damit doppelt so groß wie Niedersachsens größter See, das Steinhuder Meer, halb so groß wie die mecklenburgische Müritz und von fast gleicher Größe wie Bayerns Starnberger See.

Alle nur denkbaren Strandeinrichtungen sind vorhanden und auch die Gastronomie ist gut vertreten. Campingplätze laden zu längerem Aufenthalten ein und im Sommer verkehren Linienschiffe zwischen den Hauptorten Bracciano und Anguillara Sabazia am Südufer, deren malerische Altstadt auf einem Felsvorsprung in den See ragt sowie Trevignano Romano mit einem historischen Zentrum und Überresten einer Orsini-Festung am Nordufer.
Wasser des Lago di Bracciano wird zur römischen Fontana dell`Acqua Paola geleitet, die Trastevere und den Vatikan mit Wasser versorgt, wie die Inschriftentafel über dem Gesims der Fontana verkündet.

Die Gemeinde Bracciano gehört zum Parco Regionale Naturale di Bracciano-Martignano. Der regionale Naturpark umfasst eine Fläche von etwa 200 km². Das Schutzgebiet schließt den Bracciano-See und den viel kleineren Martignano-See ein, sowie Buchenwälder (UNESCO-Weltnaturerbe), die Caldera von Manziana mit einer schwefelhaltigen Quelle, hier ungewöhnliche Baumarten wie Weißbirken und seltene wie Schwarzerle, Flaumeiche, Feldulme u.a., 162 Vogelarten wurden gezählt, darunter hier seltene wie Rothalstaucher, Eisente, Rote Tafelente. Feldhasen und Wildschweine sind weit verbreitet, die Wildkatze wurde gesichtet, eingeführt wurden Damwild und Mufflon und auch die Anwesenheit des Wolfs konnte nachgewiesen werden.