Arnhem (Arnheim)

Die Niederlande in einem Tag – ein Besuch im Niederländischen Freilichtmuseum (2/2)

 

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Unterwegs am Rande vom Dorf und Blick auf die Dränage-Mühle aus Noordlaren

Unterwegs am Rande vom Dorf und Blick auf die Dränage-Mühle aus Noordlaren

Gewiss, wir finden im Museum allerlei Bauernhäuser und Gehöfte, aber das ist ja auch in anderen Freilichtmuseen der Fall. In Arnheim wird aber nicht nur die Historie des platten Landes lebendig gehalten, sondern auch die städtische. So kann man eine Zeitreise durch die vier Arbeiterhäuser aus Tilburg unternehmen. Dabei stoßen wir u.a. auf ein Außenklo, eine Waschküche, in der es noch keine elektrische Waschmaschine und Heißmangel gibt, allerdings steht in den Häusern durchaus ein gußeiserner Ofen statt eines offenen Kamins. Rattanmöbel und Nierentisch gehören in einem der Häuser zur Ausstattung. Und auch einen Werkstattschuppen finden wir vor, in dem ein Kofferradio plärrt.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - So lebten Arbeiter in Tilburg

So lebten Arbeiter in Tilburg

Das jedes Dorf in Brabant und Limburg im 17. und 18. Jahrhundert ein eigenes Brauhaus und lokales Bier kannte, entdecken wir beim Besuch des Brauhauses De Roskam aus Ulvenhout. Die Geschichte dieser Brauerei wird in einem Filmbeitrag dokumentiert. In einem an die historische Brauerei angebauten modernen Brauhaus werden heute u. a. Brabants Bruyn und Zwarre Barrie gebraut und verkauft, wenn denn das Brauhaus mit Personal besetzt ist. Ob der Hopfen fürs Bier aus dem Hopfenfeld neben dem Brauhaus gewonnen wird, ist eher unwahrscheinlich.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Heutige Bierproduktion in der Museumsbrauerei

Heutige Bierproduktion in der Museumsbrauerei

Übrigens, das nahe gelegene Bauerhauscafé aus Budel ist eines der zahlreichen Gelegenheiten, sich bei Speis und Trank zu stärken. Ob man eine Portion Käse oder ein Probierbrett mit Wurst, Käse und Erdnüssen wählt, mag jeder selbst entscheiden. Und wie wäre es mit Gulpener Orginal als schmackhaften Gerstensaft dazu? Je nach Saison gäbe es auch Herbstbock oder Winterbier mit 8 % vol alc!

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Stromzaun an der Grenze von Belgien und den Niederlanden während des Ersten Weltkriegs

Stromzaun an der Grenze von Belgien und den Niederlanden während des Ersten Weltkriegs

Was ist dort denn? Der Stacheldrahtverhau stammt aus dem Ersten Weltkrieg, als die Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden derart versperrt wurde. Die deutsche Besatzungsmacht unterband mit 500 km Stromdraht den Grenzübertritt für Schmuggler und Flüchtende gleichermaßen. Der Stromschlag mit 2000 Volt war tödlich und forderte, so ist dem Infotext zu entnehmen, Hunderte von Todesopfern.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Als Fertighaus gebaut, das Norwegerhaus, und nebenan das Kirchlein aus `s-Heerenhoek

Als Fertighaus gebaut, das Norwegerhaus, und nebenan das Kirchlein aus `s-Heerenhoek

Ein tannengrün gestrichenes Norwegerhaus erinnert indirekt an die Flutkatastrophe von 1953, die besonders Zeeland betraf und Familien um Hab und Gut brachte. Für die obdachlosen Familien spendete Norwegen 326 Häuser mit Dusche und Doppelverglasung. In eines davon zog die Familie Luijbrechts, deren Alltag wir in einer Inszenierung nachvollziehen können. Das Interieur stammt von 1954, dem Jahr des Erstbezugs. Übrigens bei der großen Flut verloren mehr als 1800 Menschen ihr Leben und 72000 wurden obdachlos.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Hier wurden Buttermilch und Käse produziert

Hier wurden Buttermilch und Käse produziert

Ein großer Spiellatz nahebei lockt Familien mit Kindern und der formale Garten Gartenliebhaber. Außergewöhnlich ist schon, dass im Museum eine komplette Meierei Freia aus Veenwouden zu finden ist, sodass man den Prozess des Käsemachens und den der Buttermilchherstellung sehr gut nachvollziehen kann. Die Käseherstellung war im Übrigen durch Dampfbetrieb möglich. Das war bei Gründung des Betriebs im Jahr 1879 revolutionär. Das Interieur, das wir heute sehen, stammt allerdings aus 1910.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - historische Straßenbahnen

Straßenbahnen vor der Remise

Nachfolgend lenken wir unsere Schritte ins sogenannte Dorf und zur Tramremise, wo wir neben historischen Straßenbahnen auch einen Fahrsimulator vorfinden. Wer wollte nicht immer schon mal eine Tran steuern, mit Handkurbel selbstverständlich und nicht mit Joystick. Auch die Geschichte der Tram in Arnheim wird uns näher gebracht. So erfahren wir von der ersten elektrischen Tram, die 1911 in der Stadt verkehrte. In den Septembertagen 1944 beschossen von der Remise aus britische Einheiten die der Deutschen Wehrmacht. Im Ergebnis wurde daraufhin durch die deutschen Besatzer die Remise bombardiert und zerstört. Gleiches gilt für die abgestellten Straßenbahnen, die teilweise gänzlich verloren gingen. In Erinnerung an die Zeit der Arnheimer Straßenbahnen wurde die ausgestellte Replika der GETA 76 gebaut. Zu sehen ist aber auch eine Replika der Groninger Straßenbahn, ganz zu schweigen von den zahlreichen auf dem Gelände verkehrenden Trams, eine sogar mit offenem Panoramawagen!

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Im Dorf, die Eisdiele Venezia

Im Dorf: die Eisdiele Venezia

Im sogenannten Dorf findet man nicht nur eine Eisdiele namens Venezia, sondern auch ein Chinesisches Restaurant, das allerdings kein Chop Suey, indonesische Reistafel oder Fisch süß-sauer serviert. Stattdessen hat man in einem der Häuser das Interieur eines Chinarestaurants aus den 1960er Jahren inszeniert. Die Gebäude im Dorf sind in Tannengrün und Weiß getaucht und weisen barock-geschwungene Giebelformen aus. Das trifft auch auf das Kaufmannshaus aus Koog aan de Zaan zu. Zu diesem passt auch der kleine eingefasste Lustgarten mit Buchsbaumhecken und Kiesbeeten. Eine Bootswerftanlage aus Marken gehört neben dem Cottage eines Fischers auch zu dem inszenierten Dorf.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Geschäftige Schiffswerft in Marken

Geschäftige Schiffswerft in Marken

Zum Schluss wollen wir uns dem Thema „Urlaub und Freizeit“ widmen: Das Ferienhaus aus Warnsveld, erbaut 1936 im Auftrag der Familie Gies. Die Machtergreifung der NSDAP war drei Jahre her, der Überfall der Deutschen Wehrmacht und die nachfolgende Besatzung der Niederlande steht noch bevor. Die Familie Gies beschloss angesichts der Ereignissen in Deutschland, jüdischen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Die Grenzen waren seit 1938 geschlossen. Juden konnten nur noch illegal ins Land kommen, um der Verfolgung zu entgehen. Die Familien Spitzer und Urbach gelangten in die Niederlande, kamen hier unter und warteten auf Papiere zur Weitereise. Urlaub und Ferien sehen anders aus

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Rietveld-Ferienhaus, klein, aber fein und stylish-modern in der Architektur

Rietveld-Ferienhaus, klein, aber fein und stylish-modern in der Architektur

Nebenan entdecken wir das Ferienhaus, das Gerrit Rietveld 1951 entworfen hat, klein, aber fein. Zwei Räder warten vor dem Haus auf die Urlauber und 33 qm auf acht Urlauber. Schließlich sei noch auf das Mobilheim Pemberton hingewiesen, eine andere Form des Urlaubs repräsentierend.

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Mobilheim Pemberton aus Nunspeet, eine Form, Ferien zu erleben

Mobilheim Pemberton aus Nunspeet, eine Form, Ferien zu erleben

 

Info

www.openluchtmuseum.nl

 

Arnhem - Niederländisches Freilichtmuseum - Ikone des niederländischen Automobilbaus der 1960er Jahre – ein DAF

Ikone des niederländischen Automobilbaus der 1960er Jahre – ein DAF

 

Lesen Sie bei Interesse auch: Ein Stadtrundgang nicht nur auf den Spuren der Schlacht um die Brücke von Arnheim

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Reiseführer Amsterdam

Es gibt, daran zweifeln selbst eingefleischte Skeptiker nicht, keine andere Stadt in Europa, die sich so häufig und konsequent neu erfindet wie Amsterdam. Würde man die jüngste Entwicklung der Stadt an der Amstel im Zeitraffer betrachten, käme ihr Wandel einer großartigen Kulissenschieberei gleich. Weg vom Schmuddelimage, hin zur Kunst-, Architektur- und Ausgehmetropole par excellance. Ohne dabei jedoch ihren individuellen Charme hinter hochglanzpolierten Sujets leugnen zu wollen.

Reiseführer Amsterdam

Mehr lesen ...

Kurzportrait Niederlande

Windmühlen, Holzschuhe, Käse, Tulpen und Fahrräder; legale Drogen, Coffeeshops, Prostitution und Homo-Ehe - Klischees gibt es viele über die Niederlande, und sie ergeben ein ziemlich widersprüchliches Bild von unserem westlichen Nachbarn. Dementsprechend zieht das Polderland auch sehr unterschiedliche Urlaubertypen an.

Zeeland

Mehr lesen ...

Besuch in Flevoland

Kaum irgendwo stimmt der Slogan 'Neuland entdecken' so wie hier, in oder besser auf Flevoland, der neuesten Provinz der Niederlande. Sie entstand ab 1939, als man begann, die Zuidersee trocken zu legen. Ein Jahrhundertprojekt, das erst 1968 seinen Abschluss gefunden hat. Die Siedler, die es auf die neu gewonnenen Polder und die neuen Städte zog, waren Pioniere.

Flevoland

Mehr lesen ...

Die Hafenmetropole Rotterdam erfindet sich neu

New York, Las Palmas, Montevideo. Begriffe, die Fernweh wecken, die an Amerika, Uruguay oder Spanien denken lassen. Doch weit gefehlt – das Hotel New York, das Restaurant Las Palamas und der 152,3 Meter hohe Montevideo-Wolkenkratzer, der im Jahr 2005 eröffnet wurde, befinden sich allesamt im niederländischen Rotterdam – und zwar in einem Gebiet, das lange Zeit zum Rotterdamer Hafen gehörte, ab den 60er Jahren aber zu verfallen drohte.

Rotterdam

Mehr lesen ...