Die ganze Sinnenfreude der Provence

Von Nizza aus ins Hinterland der Côte d’Azur

Text und Fotos: Beate Schümann

Die Sonne zwinkert dem Kieselstrand vor der Promenade des Anglais zu, Inline-Skater flitzen zwischen Palmen und Flaneuren hindurch, das Grandhotel „Négresco“ ignoriert nobel den achtspurigen Verkehr vor seinem Belle-Époque-Portal. In Nizza schmusen Großstadt und Seebad um die Wette. Gleich hinter den Ponchettes, den einstigen Werftgebäuden, beginnt die Welt der südlichen Leichtigkeit und der Genüsse.

Frankreich Provence Produktauswahl

Markttag auf dem Cours Saleya, der guten Stube Nizzas. In den Cafés treffen sich die Niçoises bei Milchkaffee, Gauloise und Le Figaro. Oder sie gehen gleich zum Blumen- und Gemüsemarkt, wo die ganze Sinnenfreude der Provence auf den Tischen der Händler und Bauern ausgebreitet liegt. Sonnenreifes Gemüse, Zucchini samt der gelben Blüten, Kürbisse groß wie Lampenschirme, Menton-Zitronen, grüne und schwarze Oliven, Knoblauch, prächtige Exemplare, Trüffel und Morcheln, Ziegenkäse, Honig, die kandierten Früchte von Saint-Rémy, getrocknete Rosenblätter, Lavendelkissen, Thymian und Rosmarin.

Frankreich Provence Nizza

Kulinarische Verführung bis auf die Straße

Die betörenden Düfte des Midi folgen uns in die engen Gassen der Altstadt. An fast jeder Ecke ein Spezialitätenladen, hier kaltgepresstes Olivenöl und Tapenaden, diese köstlichen Brotaufstriche aus Oliven; dort die typischen Ravioli nach Nizza-Art und Provence-Weine. Bäcker bestreichen brezelartigen Fougasette mit Orangenblütenessenz aus der Parfümstadt Grasse, die Maître Glacier wie bei „Fenocchio“ kreieren an die neunzig verschiedene Eissorten, auch Tomate, Lavendel und Basilikum sind dabei. „Eine Socca?“ fragt Theresa mit dem satten provenzalischen „akßang“, der aus Sätzen Gesänge macht. Na klar gönnen wir uns einen dieser köstlichen Fladen aus Kichererbsenteig, der mit frischem Pfeffer bestreut aus der Hand gegessen wird. Savoir vivre.

Vom Mondänen zum Ländlichen

Ein flottes Cabrio wäre jetzt auch nett, denken wir, als sich ein roter Flitzer auf der Corniche de l’Estérel vor uns setzt. Vorbei an hübschen Strandbuchten, den markanten Zipfeln des Estérel-Gebirges und den steil ins Meer abfallenden Porphyrfelsen, den vielen Marinas und den millionenschweren Jachten folgen wir ihm. Bis der mit schwarzer Sonnenbrille und schwerer Golduhr ausstaffierte Lenker in Cannes abbiegt, weil er vielleicht zur Szenemeile La Croisette will. An der Côte d’Azur muss man sich entscheiden zwischen dem mondänen Küstenstreifen oder dem ländlichen Hinterland.

Frankreich Provence Lavendelfeld

Auf ins Hinterland!

Wir biegen bei der alten Römerstadt Fréjus ab und folgen dem Argens durch das fruchtbare Flusstal. Denn wir haben die rosarote Brille auf. Uns interessieren die frischen, aromatischen Roséweine, die hier schon seit 2600 Jahren angebaut werden. Auch wenn heute unter dem AOC-Label Côtes de Provence Rot- und Weißweine hergestellt werden: damals wurden ausschließlich Rosés gekeltert. Um 600 v. Chr. importierten die Phönizier Weinkultur, Reben und Oliven nach Gallien, die Römer setzten den Weinbau in großem Stil fort.

Frankreich Provence Weingut

Hier wird Rosé probiert

Bereits im Mittelalter überschritt der Ruf des Weines die Grenzen der Provence, die sich übrigens bis heute weder geographisch noch historisch genau bestimmen lassen. Eleonore von Aquitanien führte ihn am Londoner Hof ein. Im 17. und 18. Jahrhundert wählten die französischen Könige ihn zu ihrem Lieblingswein. Bis 1860 die Reblaus den edlen Reben den Garaus machte. Heutzutage werden die Rosés zu 90 Prozent in Frankreich getrunken. Besonders in der Provence stehen die Leute auf Rosarot, Himbeer-, Kirsch-, Korallen-, Lachs- und Hummertönen.

Van Gogh hätte zum Pinsel gegriffen

Die Ausläufer des Maurengebirges machen sich bemerkbar. Überall wachsen Pinien, Eichen, Mimosen und Eukalyptus, und immer mehr Rebgärten mit Mourvèdre, Tibouren, Syrah und Grenache, die den Grundstoff für den Rosé liefern. Auch auf der „Domaine des Planes“ ist das so. Von dem Plateau des Weingutes kann man bis zum Golf von St. Tropez sehen. „Rosé ist kein abklassierter Rotwein, sondern einer der ältesten Weine der Welt“, sagt der Winzer Christophe Rieder. Schließlich werden alle Rosés aus blauen Trauben gekeltert. Farbe und Struktur des Rosés hängen davon ab, wie lange der farblose Saft und die rote Haut beim Einmaischen in Kontakt waren.

Frankreich Provence Absinthe

Das mittelalterliche Roquebrune mit seiner Burg und dem Gassenlabyrinth ist schön, steht aber schon in jedem Reiseführer. Aber nicht Les Arcs. Auch dieses Bergdorf diente einmal als Zuflucht bei Piratenüberfällen. Noch immer wacht die hohe Burg wie ein Leuchtturm über die Steinhäuser mit den blauen Fensterläden. Auf dem Marktplatz werfen Männer im Schatten von Platanen die Boules, eine Form des Müßiggangs, die die Provenzalen partout als Sport verstehen wollen. Im Maison des Vins Côtes de Provence verschaffen wir uns einen Überblick über die hiesigen Weine.

Weiter geht’s durch das Land der Winzer und Olivenbauern. Der Übergang vom lehmigen Hinterland und der kalkhaltigen Hügellandschaft Haute-Provence ist fließend. Einsame Landvillen setzen sandsteinerne Tupfer in grüne Weinhänge und gelbe Sonnenblumenfelder. Zypressen werfen lange Schatten auf schnurgerade Reihen von blauen Lavendelbüschen, bis zum Horizont. Van Gogh hätte sofort zum Pinsel gegriffen. Hinter einem dichtem Wald bei Lorgue werden die Rebstöcke von Château Les Crostes sichtbar. „Rosé und Holz passen nicht zusammen“, erklärt uns der Önologe Ted Garin. Er baut die Rosés im Stahltank aus, um die feinen Cinsault- und Grenache-Aromen von Himbeeren und Sauerkirschen nicht zu übertönen. Außerdem ist die Farbe wichtig: Pretty in Pink kann man da nur sagen.

Frankreich Provence Winzer

Roden, beten, Trauben pressen. Das waren die Hauptaufgaben der Zisterzienser. Ihre Rebgärten waren ihnen heilig, denn sie brauchten Messwein. Im Kloster Le Thoronet, das die grauen Mönche 1160 in der Nähe von Lorgue gründeten, ist ihre alte Steinpresse noch zu sehen. Es muss ein gerbstoffreicher Rosé gewesen sein, denn man kannte die schonenden Pressverfahren von heute nicht. Leiblichen Genüssen sollen sie jedoch nicht abhold gewesen sein. Imposant ist auch ihre schlichte Kirche, in der die Dimension die eigentliche Pracht ist.

„La vie en rose“

Zurück an der Küste, wo die sich wiegenden Palmen ein deutliches Indiz für das milde Mikroklima mit frischem Wind sind. Auf die Dauer mache der Mistral ein wenig verrückt, hat angeblich der provenzalische Dichter einmal behauptet, der den eisigen Wind zum Namensvettern hat. Für etwas verrückt halten manche auch Volker Paul Weindel, weil er auf seiner Domaine La Tour des Videaux bei Pierrefeu du Var biodynamische Weine produziert. „Ein Fundamentalist bin ich nicht“, lacht der Deutsche, der 1996 sofort zugriff, als er das Weingut mit Südhanglage im Maurengebirge fand. Seine Weine geben ihm Recht.

Frankreich Provence Spezialitätenladen

Auf einen Blick: die Köstlichkeiten der Provence

Der Wein hat Appetit gemacht. Wir fahren nach La Cadière d’Azur auf einem Hügel oberhalb der Küstenorte Le Ciotat, Saint Cyr und Bandol, wo wir uns bei Euro-Toques-Küchenchef Réné Bérard zum Kochkurs angemeldet haben. Réné ist mit Leib und Seele Provenzale und führt seinen Gästen die Fülle mediterraner Genüsse vor. Die typischen Provenzalen, wie „Tapenade“ aus schwarzen Oliven, Kapern und Anchovis und „Anchoiade“ aus Anchovis und Knoblauch, stehen zu oberst auf dem Lehrplan.

Frankreich Provence Rohprodukte

Jetzt kann der Kochkurs beginnen

Vor dem Maître Cuisinier türmen sich frische Artischocken, pralle Tomaten und Zucchinis, die uns auf dem Markt von Nizza schon den Mund wässrig gemacht hatten. Daneben Gewürze aus dem eigenen Garten, Minze, Salbei, Thymian und Rosmarin. „Nur wenig nehmen und nie als Gewürzmischung“, mahnt Réne. Wenn es um Aromen geht, versteht er keinen Spaß. Unter seiner Anleitung wird geschnitten, gehackt, gerührt, geschmeckt, und es entstehen Ratatouille und ein „Magret de Canard aux épices“, zartes Entenfilet mit Kräutern. Übrigens mache nur schlechte Küche dick, beruhigt der Schlankgebliebene, während wir unsere Kochwerke verschlingen. Dazu reicht Réné einen würzigen Côtes de Provence in einem schönen Lachston, und uns fällt das Lied von Edith Piaf ein: „La vie en rose“.

 

Website der Autorin: http://www.beate-schuemann.de

 

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