REIHE UNTERWEGS

Durch die Provence mit Weinradel

Farbenprächtige Märkte – reich gedeckte Tische

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Mit dem Radreiseveranstalter Weinradel, der Name ist Programm, durchstreift man per Fahrrad die Provence von kulinarischem Termin zu provençalischem Menü und Weinverkostung.

Frankreich - Provence - Vorspeise: Kalte Rote-Beete-Suppe mit Toast und Blauschimmelkäse aus der Auvergne und knusprigen Schnitzen von Granny Smith Äpfeln

Vorspeise: Kalte Rote-Beete-Suppe mit Toast und Blauschimmelkäse aus der Auvergne und knusprigen Schnitzen von Granny Smith Äpfeln

Schon der italienische Dichter Petrarca soll im 14. Jahrhundert das mittelalterliche Avignon (1) als verrucht bezeichnet haben. Ob er damit auch die Völlerei meinte, der wir uns gleich hingeben werden, ist nicht überliefert. Oben auf dem Rocher des Doms ist Weinfest. Wir werfen einen schnellen Blick hinunter auf die Brücke Pont-Saint Bénézet, die in dem berühmten Kinderlied „Sur le pont d’Avignon“ verewigt wurde. Allerdings tanzte man einst nicht auf, sondern unter ihr. Neben dem Papstpalast interessiert uns anderes, das Restaurant „Mas de Moutardier“ nämlich, wo wir erste Bekanntschaft mit der hiesigen Küche und einem formidablen Menü machen. Die Vorspeise ist eine eigene Erwähnung wert: Kalte Rote-Bete-Suppe nach Gazpacho-Art mit Blauschimmelkäse aus der Auvergne auf Toast und knusprigen Schnitzen von Granny Smith Äpfeln.

Frankreich - Provence - Die Brücke Pont-Saint-Brezet, bekannt durch das Kinderlied „Sur le Pont d’Avignon“

Die Brücke Pont-Saint-Brezet

Grün

Über St. Rémy de Provence und Les Baux radeln wir nach Maussane-les-Alpilles (2), wo es das angeblich beste Olivenöl der Provence gibt. In der Moulin Jean Marie Cornille erfahren wir von Delphine Le Vert: „20 % der Olivenölproduktion Frankreichs stammen von hier, aus der Provence“. Die Ölmühle gehe auf das 17. Jahrhundert zurück und sei heute eine Kooperative, an die 750 verschiedene Olivenbauern anlieferten. Ende Oktober bis Ende Dezember wird geerntet. Auf Nachfrage erklärt Delphine, dass der Unterschied zwischen grünen und schwarzen Oliven lediglich in der Reife liege. „Jede ist erst mal grün und wird im Laufe des Reifungsprozesses rötlich und dann schwarz.“ Für einen Liter Öl brauche man im Mittel fünf Kilogramm Oliven. Wir probieren Fruité Noir, das sehr sanft die Zunge umschmeichelt, das pikantere Fruité Noir Cuvée Traditionelle und das kratzige Fruité Vert, das mit seinem Avocadogeschmack an frische grüne Oliven erinnert. Olivenbäume, ein Erbe der Römer, soll es ungefähr vier Millionen in der Provence geben. Sie begegnen uns auf den Radtouren denn auch allenthalben.

Frankreich - Provence - in der Ölmühle Moulin Jean Marie Cornille mit Führerin Delphine Le Vert

In der Ölmühle Moulin Jean Marie Cornille mit Führerin Delphine Le Vert

Bunt

An der Kapelle St. Sixte erwartet uns ein farbenfrohes provençalisches Picknick, zubereitet von Anke Müller und Muk Bredt, unseren netten und kompetenten Reiseleitern. Jeden Mittag schwelgen wir in verschiedenen Käsesorten der Region, bunten, frisch zubereiteten Salaten, dazu Würsten und Desserts. Mal wie hier an einer Kapelle, mal an einer römischen Brücke oder an einem kleinen Bach. Die Plätze sind liebevoll ausgewählt, und die Zutaten aus der Provence sind es auch: Ziegenkäse, reifer Rohmilchkäse, Eselswurst, Knoblauchwurst, Schweinswurst mit grünem Pfeffer oder Kräutern der Provence, dazu eine Tapenade. Tapenade ist eine Art würziger Paste aus zerstoßenen Oliven, Kapern, Knoblauch, Olivenöl. Jede Familie pflegt wohl ihr eigenes Geheimrezept. Sie schmeckt einfach pur auf Baguette oder auch zu gebratenem Fleisch. Morgen werden wir in L’Isle-sur-la-Sorgue (3) im Spezialitätengeschäft „Délices du Luberon“ mehr darüber erfahren und, vor allem, probieren. Caviar d’Aubergine, so lernen wir dort, enthält nicht etwa Kaviar, sondern ist tatsächlich nur aus Auberginen, Zwiebeln, Tomaten, Olivenöl, Basilikum, Petersilie, Meersalz, Pfeffer und Kräutern der Provence hergestellt. Auch die Kräuter begegnen einem natürlich auf Schritt und Tritt bzw. beim Kurbeln und Pedalieren.

Frankreich - Provence - “Les Delices du Luberon” in L’Isle-sur-la-Sorgue

“Les Delices du Luberon” in L’Isle-sur-la-Sorgue, verschiedene Tapenaden zum Probieren

Vor dem Picknick schmeckt stilecht ein Pastis als Aperitif, dazu ein Rosé, und danach gönnt man sich ein wohlverdientes Nickerchen im Schatten der Bäume.

Orange

Solchermaßen gestärkt erreichen wir Cavaillon (4) und seine aromatischen Melonen der Sorten Cantaloup oder Charentais, die schon seit den Römern bekannt sind und fast so süß wie Honig schmecken. Hier gibt es sogar eine Melonenbruderschaft, und Alexandre Dumas stellte der Stadt eigens seine Schriften zur Verfügung, so verfallen war er ihnen. Dafür bekam er nämlich alljährlich zwölf seiner geliebten Cavaillon-Melonen mit orangefarbenem Fleisch. „Die Dumas-Gesellschaft erhält sie heute noch“, erklärt Anke Müller.

Glutrot

Frankreich - Provence - Blicke auf Gordes in der Morgensonne

Blick auf Gordes in der Morgensonne

Auch auf dem farbenfrohen Markt von Gordes (5) sind sie zu finden neben Bergen von glutroten Paprikaschoten, gestapelten Seifen, appetitlich gebündelten Würsten und Lavendel in allen Formen, getrocknet, als Öl oder Spray oder Lavendelhonig. Das lilafarbene Blütenmeer ist leider schon abgeerntet, nur die kahlen Stängel spielen im Wind. Doch Produkte und Duft sind allgegenwärtig. Nur ein kleines, leichtes Fläschchen Lavendelöl verschwindet in meiner Fahrrad-Packtasche, denn heute haben wir noch viel vor.

Frankreich - Provence - Marktstand in Gordes

Marktstand in Gordes

Bergig ist der Weg über Gordes, Roussillon (6) und Ménerbes (7), durch ein Meer von Weinstöcken und –reben. Die Lese ist in vollem Gange, und selten nur kann man widerstehen und nicht kurz absteigen, um eine der süßen Trauben im Mund verschwinden zu lassen. Im Restaurant „L’Estellan“ erwartet uns als Lohn der Bergetappe ein grandioses Abendmenü: Crêpes mit Kräutern aus dem Garten, gefüllt mit Frischkäse aus Kuhmilch, Paprika, kandierten Zitronen, dazu Salat auf Ceviche Art. Darauf folgt als Hauptgericht geröstete Entenbrust mit Kartoffelpüree, Oliven und Tapenade. Den krönenden Abschluss aber bilden drei verschiedene Frucht-Sorbets mit knusprigem Mandelbiskuit. Auf die Cuisine de terroir ist man zu Recht stolz und verwendet Produkte aus der Region.

Frankreich - Provence - Die Ockerbrüche von Rousillon und Ausblicke in die Landschaft

Die Ockerbrüche von Rousillon und Ausblicke in die Landschaft

Schwarz

Für die süßen Schleckermäuler steht auch ein Besuch bei der Marmeladenmanufaktur „La Roumanière“ in Robion (8) auf dem Programm. Es darf probiert werden: Feigen-, Brombeeren-, Blaubeeren-, Apfel-Karamell-, Aprikosen-Mandel-Marmelade und noch viel mehr. Gleich hinter dem Probier- und Verkaufsraum liegen die Räume der Manufaktur. Hier wird seit 1981 nach alter Tradition Marmelade aus Früchten der Region ohne Konservierungsstoffe nur mit Zucker hergestellt. Es wird geschnipselt, Zucker verrührt, gekocht, etikettiert. Eine Mitarbeiterin erklärt, dass hier 31 Behinderte eine Arbeit gefunden hätten und man vor allem auf Qualität setze. Der Fruchtgehalt der Konfitüren liege bei 51 – 80 %. 1995 habe man die Auszeichnung für die „Beste Konfitüre des Jahres“ ergattert, und zwar für die „Melon de Cavaillon à l’Orange“. Doch das ist nur ein Beispiel, die Auszeichnungen der Marmeladen sind zahlreich. Die süßen Juwelen stapeln sich die Regale hinauf. Ich entscheide mich für eine Cassis, Konfitüre extra aus schwarzen Johannisbeeren.

Weiß

Frankreich - Provence - im Restaurant des Chateau de Mazan

Im Restaurant des Chateau de Mazan

Wir nähern uns dem Höhepunkt, dem noblen Schloss von Mazan (9) aus dem 18. Jahrhundert, das einst der Marquis de Sade bewohnte, heute Hotel und Restaurant. Blendend weiße Damastdecken, Stoffservietten und Tafelsilber zieren die Tische. Als Amuse Bouche, Appetit anregender Gruß aus der Küche, kommt zunächst ein Schälchen Pistou. Das ist eine kalt servierte Gemüsesuppe mit Basilikum, ähnlich der spanischen Gazpacho, die gerne an heißen Tagen genossen wird. Diese hier ist eine Art Kürbissuppe mit fein herauszuschmeckenden Pilzen. Zum Menü empfiehlt Dominique, Maître d’Hôtel hier im Schloss, einen fruchtigen „Rosé Le Van 2010“. Als Vorspeise gibt es Wachteln mit hauchdünnen, ganz leicht angebratenen Kartoffelscheiben. Das Wachtelfleisch ist zart und kaum gewürzt, die Kartoffeln leicht resch. Hauptgang ist ein in der Pfanne gebratener Lachs mit knuspriger Polenta, und zum Abschluss wird ein göttlicher Schokoladenkuchen serviert. Süße Träume garantiert, selbst im Schloss des Marquis de Sade! – Franck Pujol, der scheue, liebenswerte Küchenchef aus der Bretagne, kommt an unseren Tisch. “Ich bin am liebsten in meiner Küche“, erzählt er, „Kochen ist meine Leidenschaft“. Das merkt und schmeckt man!

Frankreich - Provence - Vorspeise: Wachteln mit knusprigen Kartoffeln

Vorspeise: Wachtel mit knusprigen Kartoffeln

Rubinrot

Ein knatterndes Dreirad unterbricht die lauschige Abendstille des Dorfplatzes. Die Sonne steht schon tief. Goldgelbe Blätter einer Platane rascheln im Wind, segeln langsam zu Boden. Monsieur trinkt an der Bar einen kleinen Rosé, den Blick sinnierend auf die Straße geheftet. Draußen düsen zwei Rennradfahrer vorbei und stemmen sich gegen den Mistral. „Manchmal ist er so stark, dass er den Eseln die Ohren umbiegt“, erklärt der Roségenießer und bestellt sich einen weiteren. „Und außerdem macht er die Leute verrückt!“. Gern macht man hier den Mistral für fast alles verantwortlich. Die herbstliche Provence wirkt still, ist auf dem Rückzug. Die perfekte Zeit für Genießer im Land der Feinschmecker. Mediterrane Kochkunst mit regionalen und saisonalen Produkten ist ihr Metier. Und auch die Weine aus Châteauneuf du Pape (10) werden wir noch verkosten.

Das Mekka der Weinliebhaber liegt wieder in Richtung unseres Ausgangspunktes Avignon. Bereits die Päpste tranken gerne den edlen Wein der Gegend, doch er wurde auch schon vor ihrer Ankunft angebaut. Der mittelalterliche Exilpapst Johannes XXII. jedenfalls beschloss, sich hier am höchsten Punkt eine sommerliche Residenz bauen zu lassen, das Castro Novo, neue Schloss. Davon ist nur noch eine Ruine geblieben, denn die deutsche Wehrmacht sprengte es in die Luft. Seit 1929 ist Châteauneuf du Pape für den Wein eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Auf den ersten Blick mag man allerdings gar nicht glauben, dass hier Wein wächst. Überall auf der Erde sind große Steine zu sehen. Diese Kieselsteine aus der letzten Eiszeit speichern tagsüber die Hitze und geben sie praktischerweise nachts wieder an den Boden ab. 2.800 Sonnenstunden pro Jahr zählt man hier und 620 mm Niederschlag. Der Mistral sorgt dafür, dass sich keine Schädlinge oder Schimmelpilze an den Pflanzen festsetzen. 130 Tage pro Jahr bläst er. Zu 90 % wird hier Rotwein angebaut, davon 70 % Grenache. Dreizehn Rebsorten sind zum Anbau zugelassen. „Und mindestens 12,5 % Alkohol muss er enthalten“, erklärt die Führerin von den Domaines Mousset. Der Ruf der rubinroten Weine ist legendär.

Frankreich - Provence - Domaines Mousset in Châteauneuf-du-Pape

Domaines Mousset in Châteauneuf-du-Pape

Es gäbe noch vieles zu erzählen, doch für alles ist hier kein Platz, und schließlich soll auch noch ein wenig Neugierde bleiben. Auf dem Rad durch diese Landschaft und ihre kulinarischen Köstlichkeiten für Nase, Gaumen und Augen zu streifen ist auf alle Fälle die beste Art, um den Genüssen, Menschen und Landschaften in gemächlichem Tempo näher zu kommen. Und: Man braucht keine Angst vor Kalorien zu haben.

Frankreich - Provence - Mandel-Makrone mit geeisten Himbeeren als Dessert

Mandel-Makrone mit geeisten Himbeeren

Am letzten Abend schlemmen wir wieder in Avignon, diesmal im „Le Bain Marie“, wo eine Mandel-Makrone mit geeisten Himbeeren als Dessert serviert wird. Der fruchtige Geschmack explodiert förmlich im Mund, je mehr das Eis schmilzt. Ein krönendes Finale! Was wohl Petrarca dazu gesagt hätte?

 

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Der Radweg „Flow Vélo“

In leicht welligem Gelände verläuft die „Flow Vélo“ ab Thiviers in der Dordogne fast 300 Kilometer lang bis auf die Insel d‘Aix im Atlantik.

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Kurzportrait Frankreich

"Ein Leben wie Gott in Frankreich", "Savoir vivre" - Sätze, die bei einem Urlaub in Frankreich keine leeren Worte bleiben müssen, vorausgesetzt, man übernimmt ein wenig die Lebensart der Franzosen, besucht Cafés, beobachtet die Menschen beim Boules-Spiel und nimmt sich Zeit für ein Schwätzchen beim Einkauf. Auf einer Reise durch Frankreich können Sie sich auch von den Raffinessen der weltberühmten Küche überzeugen und dazu noch die lokalen Spezialitäten testen.

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Die Gärten von Salagon und Thomassin. Die blühende Hochprovence

Das Frühjahr ist genau die richtige Zeit, um die Flora der Hochprovence zu genießen: gelb und blau blühenden Lein, weiß und rosa blühende Orchideen, gelb blühenden Ginster, roter Klatschmohn und gelber Rainfarn, rosaviolettes Ziströschen oder sonnengelb blühendes Etruskisches Geißblatt. Gärten wie der der Priorat von Salagon sind nicht nur ein Königreich der Düfte und Farben, sondern zugleich ein „Juwel der Botanik“, bewahren sie doch Schätze der Gartenkultur vergangener Zeiten. Vergessene Pflanzen zu erhalten ist Aufgabe des Hauses der Biodiversität am Rande von Manosque, in dessen Garten einige hundert verschiedene Obstsorten für die Nachwelt erhalten werden.

Provence

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Via Domitia: Per Rad auf der Römerstraße durchs Geschichtsbuch

Fünf Radwege folgen dem Hinterland der französischen Mittelmeerküste und bieten römische Hinterlassenschaften satt. Auf grünen Wegen, kleinen Nebenstraßen oder Feld- und Waldwegen führen die Rundkurse um die älteste Römerstraße Via Domitia durch Languedoc-Rousillon. Im 2. Jh. v. Chr. wurde mit ihrem Bau begonnen. Einst verband sie Rom mit seinen Provinzen in Spanien und führte so auch durch Gallien, die Provinz Gallia Narbonensis. Auf den geschichtsträchtigen Routen fanden Handelsgüter, Nachrichten aber auch Truppen mit römischen Streitwagen schnell ihren Weg. Auch heute noch, über 2.100 Jahre danach, lassen sich ihre Hinterlassenschaften besichtigen, und zwar per Rad.

Frankreich - Via Domitia

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