Museumsboom im Schatten des Eiffelturms

Das neue Paris ist (fast) ganz das alte

Text und Fotos: Ulrich Traub

Es gibt diese Orte, die trotz ihrer Größe und Bedeutung einem vertraut vorkommen. So kennt man etwa sein Paris, weil man den Eiffelturm kennt, gerne durchs Quartier Latin spaziert oder im Jardin du Luxembourg ein Päuschen macht. Im Centre Pompidou ist man auch gewesen, doch wenn man über Kunst in Paris redet, meint man doch ohnehin nur den Louvre, oder?

Nie war diese Annahme so falsch wie heute, wo die Museumslandschaft der französischen Hauptstadt gerade völlig neu gestaltet wird. Und wohl noch nie konnte der Kulturtourist so viel Neues auf einen Schlag entdecken. Neue Museen zeigen ihre Schätze, andere strahlen nach langer Restaurierung im alten Glanz. Paris erfindet sich zurzeit neu – und bleibt sich dabei doch treu.

Frankreich - Paris - Quai Branly

Neueste Pariser Attraktion: das Musée Quai Branly mit seinen markanten, bunten Ausstellungskuben

Bis auf wenige Ausnahmen wartet das neue Paris ganz in der Nähe des alten. So ist eine der neuen Sehenswürdigkeiten im Schatten des Eiffelturms entstanden. Das Museum der außereuropäischen Künste und Zivilisationen, das nach seiner Adresse kurz Quai Branly genannt wird, ist schon rein äußerlich ein echter Hingucker. Architekt Jean Nouvel, der Paris auch das Institut du Monde Arabe und die Fondation Cartier beschert hat, hat in unmittelbarer Nähe der Seine einen vielgestaltigen Gebäudekomplex geschaffen, dessen 220 Meter langer Ausstellungstrakt sich schneckenförmig ausrollt und auf Stelzen einen neu angelegten Garten überspannt. Knallbunte, unterschiedlich große Kuben ragen wie bei einem Architektur-Baukasten aus dem geschwungenen Riegel heraus. In ihrem Inneren lassen sich besondere Stücke der Sammlung aufspüren.

Im Museum, das auf eine Initiative des früheren Präsidenten Jacques Chirac zurückgeht, fühlt man sich wie in einem Schiffsrumpf. Der Besuch des wandlosen und nur schummrig beleuchteten Riesenraumes gleicht einer Entdeckungs- und Zeitreise in die fremden Kulturen Afrikas, Amerikas, Asiens und Ozeaniens. Hier bewegt man sich auch gedanklich auf schwankendem Boden. Nur die wenigsten der 3.500 Exponate verraten viel über sich. Erst mit einem Audioguide ausgerüstet kann man sich erfolgreich in die geheimnisvolle Welt hinter den Exponaten pirschen.

Frankreich - Paris - Quai Branly

Über allem wacht der Eiffelturm: Kontrastreich begegnen sich die Gebäudeteile des Musée Quai Branly

Das vertraute Paris holt die Besucher aber schnell wieder ein. Wenige Meter vom Quai Branly entfernt reckt stolz der Eiffelturm seine Spitze in den Himmel. Und gegenüber, am anderen Seine-Ufer, fläzt sich das ausladende Palais Chaillot an den Trocadéro-Hügel. Alles beim Alten. Denkste! Denn in den Ostflügel der monumentalen Anlage ist die Cité de l’architecture eingezogen. Neben Wechselausstellungen zu aktuellen Themen und Retrospektiven namhafter Architekten kann man hier zu einer Zeitreise in die französische Baugeschichte, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, aufbrechen.

Frankreich - Paris - Petit Palais

Oase der Ruhe: Blick in den Garten im frisch herausgeputzten Petit Palais

So faszinierend die virtuellen Welten in diesem Museum auch sein mögen, verglichen mit dem Eindruck, den das reale Paris hinterlässt, belegen sie nur den zweiten Platz - zumal jetzt einige der prächtigsten Beispiele für die Architektur der Stadt wie aus dem Ei gepellt um die Gunst des Kulturfreunds buhlen. Wohin zuerst? Wie wär’s mit der Belle Epoque. Nach aufwändigen Restaurierungen wetteifern die Ausstellungshäuser Grand und Petit Palais jetzt wieder um die Gunst der Paris-Besucher: Kunst unter der gewaltigen Glas- und Eisenkuppel des Grand Palais oder lieber eine Rast im lauschigen Gärtchen im Innenhof des Petit Palais, wo das alte Paris noch ganz bei sich ist.

Frankreich - Paris - Orangerie

Schlangestehen für die Kunst: In der restaurierten Orangerie sind Monets „Seerosen“-Wandmalereien zu sehen

Auf die Spur der neuen Museen macht man sich in der Stadt, in der das Flanieren entdeckt worden ist, am besten zu Fuß - auch wenn die geschätzten ein Dutzend Fußgängerampeln an der Place de la Concorde den Rhythmus auf dem Weg zu den nächsten Schmuckstücken ein wenig bremsen. Auf der anderen Platzseite, am Eingang zu den Tuilerien-Gärten strahlen schon das Jeu de Paume, wo ein Museum für Fotografie Quartier bezogen hat, und die Orangerie um die Wette.

Hier gilt aber nicht Orangenbäumen das Interesse, sondern Seerosen – und zwar den von Claude Monet gemalten. Die monumentalen Wandgemälde, die der Künstler dem französischen Staat schenkte, können jetzt ihre Wirkung so entfalten, wie Monet es 1926 vorgesehen hatte. Auch die für Jahrzehnte entfernten Glasdächer wurden wieder eingesetzt. Tageslicht erweckt die spätimpressionistische Malerei nun förmlich zum Leben – schöner als jede Fototapete. Da haben es selbst Werke von Cézanne und Renoir, Matisse und Picasso nicht so leicht, sich zu behaupten.

Frankreich - Paris - Louvre - Rivoli-Flügel

Feine Adresse: Das Museum der Dekorativen Künste hat im restaurierten Rivoli-Flügel des Louvre seinen Sitz

Ohne etwas von der hektischen Betriebsamkeit der Großstadt mitzubekommen, flaniert man zur nächsten Attraktion, dem Museum der dekorativen Künste, das im herausgeputzten Rivoli-Flügel des Louvre seine Schätze ausbreitet. Wo, wenn nicht in Paris, sollte auch ein lückenloser Streifzug durch die Geschichte der schönen Dinge möglich sein. Besondere Anziehungspunkte sind die authentisch eingerichteten Räume bedeutender Persönlichkeiten. Hier würde sich niemand wundern, wenn die Bewohner die Kulisse beträten – etwa die Modeschöpferin Jeanne Lanvin oder die Kurtisane, die Zola zu „Nana“ inspiriert haben soll.

Frankreich - Paris - Nationalbibliothek

Mit sanftem Schwung über die Seine: Die neue Brücke verbindet Bercy mit Tolbiac, wo die vier Bücher-Türme der neuen Nationalbibliothek in den Himmel ragen

Dieses Haus macht Lust auf Savoir-vivre und das gibt es in Paris ja nicht nur im Museum. Vielleicht sucht man es in den aktuellen In-Quartieren Bercy und Tolbiac, die durch eine neue Fußgängerbrücke verbunden sind. Sie führt mit fulminantem Wellenschlag über die Seine geradewegs auf die vier Buch-Türme der neuen Nationalbibliothek zu. Ach ja, auch hier wartet ein neues Museum auf den Kulturfreund, die Cinématèque francaise in Bercy, die Architekt Frank Gehry in bewährter Manier mit taumelnden Formen in den Stadtraum platziert hat. Nun lädt die Riesen-Skulptur zum Film- und Ausstellungsbesuch. Hier ist Paris wirklich neu.

Frankreich - Paris - Cinematheque

Riesige Stadtskulptur: Frank Gehrys Cinématèque am Park von Bercy

Wer es lieber historisch mag, dem sei verraten, dass die weltberühmte Spiegelgalerie im Schloss Versailles nach ihrer Restaurierung jetzt wieder blitzt und prunkt wie zur Zeit der französischen Könige. Aber bedarf es wirklich noch eines weiteren Grundes, bald wieder nach Paris zu fahren?

Reiseinformationen zu Museen in Paris

Informationen:

Office du Tourisme de Paris
25, rue des Pyramides
F-75001 Paris
www.parisinfo.com; www.pidf.com
 
Museumspass:

Für mehr als 60 Museen und Sehenswürdigkeiten in Paris und Umgebung gibt es einen Museumspass für zwei, vier und sechs Tage.

Kunst-Tipps:

In Paris fährt wieder eine Straßenbahn. Für das Umfeld der Haltestellen der Tramlinie T3 haben namhafte Künstler Arbeiten geschaffen.
Im Vorort Vitrysur-Seine gibt es ein neues Museum für Zeitgenössische Kunst, das Mac/Val.

 

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