Text und Fotos: Sandra Rauch
„Faites du bruit“, heizt der Mann am Mikrofon die Menge an. „macht Lärm, Montpellier!“ Und Montpellier, das Publikum auf der steinernen Uferfassung des Lez, dem Fluss durch das Stadtzentrum der südfranzösischen Stadt, gibt alles: Die Hände klatschen, die Münder brüllen die Namen der Jungs mit den kleinen Rädern, die auf dem Podest im Fluss, wo Rampen, Treppen und Geländer eine künstliche Hindernislandschaft bilden, irrwitzige Kunststücke zeigen: Sie fliegen durch die Luft, überschlagen sich im Vorwärts- oder Rückwärtssalto, sie strecken das Rad weit von sich weg, bis sie, kurz vor der Landung, die Füße wieder exakt auf die Pedale setzen. Die Fahrer sind Profis, ihr Wettbewerb, „BMX-Street“ ist Höhepunkt des Festival International Sport Extreme, des FISE, Europas größtem Event für Sportarten wie BMX, Freestyle Inline-Skating, Skate- oder Wakeboard.
BMX auf dem Festival International Sport Extreme
Seit zwölf Jahren findet das Festival jedes Frühjahr in Montpellier statt. Längst ist es ein Besuchermagnet: 2008 erlebten 300.000 Zuschauer die rasante Show der mehr als 1.000 Fahrer auf Rädern, Boards und Rollen, an vier Tagen, bei kostenfreiem Zugang zum Veranstaltungsgelände am Ufer des Lez. Eine riesengroße Feier, tagsüber auf den Rampen, nachts in den Clubs und Discos der Stadt, wo sich Fahrer und Fans bis zum frühen Morgen auf den Tanzflächen drängten.
BMX beim FISE
Ausgelassen feiernde Jugendliche, Wohnmobile mit bis unters Dach gestapelten Biervorräten, dröhnende Musicboxen – Montpellier zeigt sich offen, besonders für junge Leute. Die Stadt am Mittelmehr ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen: Waren es 1965 nur 80.000 Einwohner, bringt es das Zentrum heute auf 250.000 Bewohner, mit dem Umland sind es 410.000. Tendenz steigend: Jedes Jahr kommen 4.000 neue, vorwiegend junge Einwohner dazu, mittlerweile ist mehr als ein Drittel der Bevölkerung unter 25. Die Neuankömmlinge arbeiten in der Hightech-Industrie, die sich hier angesiedelt hat, oder studieren an Universitäten und Sprachschulen. Der Jugend ihrer Bewohner verdankt die Stadt, dass Events wie das Extremsportfestival wie selbstverständlich neben kulturellen Highlights stehen, etwa der Stradivari-Ausstellung oder wechselnden Ausstellungen im berühmten Musée Fabre. Das behäbig-beschauliche Montpellier der Vergangenheit hat sich umgekrempelt in eine sich ständig erweiternde, für neue Eindrücke offene Stadt, die Tradition und Moderne ohne Konflikt vermischt.
Platz de la Comédie
Der Platz de la Comédie, das quirlige Herz Montpelliers, verbindet altes und neues Stadtbild. Faire l’oeuf heißt hier das „Sehen und Gesehen werden“ – man umschlendert das Ei, das helle Pflasterstein-Oval des autofreien Platzes, stoppt in einem der vielen Cafés und entspannt bei Cappuccino und Zigarette. Ein paar Schritte nordwestlich, vorbei am Theater, das dem Platz seinen Namen gab, verwinkeln sich mittelalterliche Gassen mit Patrizierhäusern und Adelspalästen: Prachtvolle Bauten mit hohen Gewölben und gigantischen Treppenhäusern, deren Größe früher den Reichtum einer Familie symbolisierte.
Café auf dem Place de La Comédie
Von der anderen Seite des Place de La Comédie, nach Osten, sind es dagegen nur wenige Minuten bis ins Antigone, einem Neubauviertel mit klassizistischen Monumentalbauten des katalanischen Architekten Ricardo Bofill. Eine autofreie Promenade lädt hier zum Spaziergang ein und führt durch eine Zukunftsarchitektur, die trotz üppiger Grünflächen und Wasserspielen nah am Größenwahn ist.
Im Antigone, einem Neubauviertel mit klassizistischen Monumentalbauten
Ein krasser Gegensatz zum modernen Montpellier ist das Weingut Chateau de Flaugergues in der Avenue Albert Einstein. Zumindest auf den ersten Blick, denn junger Geist und alte Tradition verbinden sich auch hier. Komplett draußen und trotzdem mitten drin – mit diesem Widerspruch empfängt Graf Pierre de Colbert seine Besucher. Der Graf bezeichnet sich selbst als „Bauer in der Stadt“, von 50 ha Gesamtanbaufläche liegen 30 ha im Stadtgebiet von Montpellier. Doch im schattigen Hof des Weinguts ist die Stadt, die mit Autobahn und IKEA in unmittelbarer Nähe vorbeiwogt, schnell vergessen.
Jedoch nicht ganz: „Das Festival höre ich bis hier oben“, schmunzelt Pierre de Colbert, während er die Besucher durch Schloss und Park führt. Der Lärm der jungen Leute ist für ihn aber kein Problem. Im Gegenteil, er schätzt die Jugend, sie ist wichtiger Bestandteil seiner Familienphilosophie. „Wir brauchen die Jugend, um unser Weingut weiter leben zu lassen“, sagt er. Nur weil es in seiner Familie immer wieder junge Leute gab, die mit neuen Ideen die alte Tradition fortführten, haben Schloss und Weinberge bis in seine, die zehnte Generation überlebt. Neuland betrat zum Beispiel sein Vater, Henri de Colbert, als er das Anwesen für Besucher öffnete und so den Fortbestand des Besitzes sicherte. Auch Pierre, der in Toulouse Landwirtschaft studiert hat, experimentiert mit der Tradition. Er passt den Wein des alten Guts neuen Moden an, wendet sich ausländischen Märkten zu. Und hofft, dass sich Luc und Camille, seine Kinder, in ein paar Jahren nicht nur für die harten Jungs des Extremsportfestivals begeistern, sondern auch die Winzertradition in Flaugergues fortleben lassen.
Informationen:
ATOUT FRANCE – Französische Zentrale für Tourismus
Postfach 100128
D - 60001 Frankfurt am Main
E-Mail: info.de@rendezvousenfrance.com
www.rendezvousenfrance.com
Vor Ort hilft die Touristen-Information am Place de la Comédie, www.ot-montpellier.fr
Website der Autorin: http://www.sandrarauch.de
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