Text und Fotos: Ulrich Traub
Strahlend: Gegen die Tuffsteinfassade des Schlosses von Cheverny hat der Adventskranz keine Chance
An diesem stimmungsvoll gedeckten Tisch würde man nur zu gerne mit Freunden Platz nehmen, um dann kurz ein Zeichen zu geben, damit Speisen und Wein aufgetragen werden. Feinstes Porzellan und prunkvolle Gläser, edle Lüster und reich dekorierte Vasen schmücken das weite Oval der Festtafel. Und alles passt aufs Schönste in die Kulisse dieses historischen Raumes.
Leider darf hier nur geschaut und gestaunt werden. Die üppig gedeckte Tisch ist eine Inszenierung. Man begegnet ihr nicht nur im Château von La Ferté Saint-Aubin südlich von Orléans, sondern in ähnlicher Opulenz gleich in mehreren Schlössern an der Loire. Doch die Einladung zu ein wenig Weltflucht nimmt man gerne an, zumal sie sich nicht aufs Esszimmer beschränkt. Und keiner muss das Château mit knurrendem Magen verlassen, denn in der historischen Schlossküche werden Madeleines gebacken.
Warten auf die Madeleines: die Schlossküche von La-Ferté-Saint-Aubin vor dem Arbeitsbeginn
Es ist Weihnachtszeit an der Loire - und in den berühmten Schlössern hat man sich vor wenigen Jahren etwas Besonderes einfallen lassen. Ausstellungen, Lichtinszenierungen und Aktionen zum Mitmachen locken nun auch zu dieser Jahreszeit das Publikum in die Häuser. „Bei uns soll man sich in eine andere Welt versetzt fühlen“, beschreibt Lancelot Guyot seine Idee. Der junge Hausherr von La Ferté entstammt einer in Frankreich bekannten Familie, die alte Schlösser erwirbt, um sie vor dem Verfall zu retten. „Der Staat unterstützt unsere Bemühungen im Rahmen der Denkmalförderung“, erklärt Guyot. „Aber ein paar Jährchen Arbeit liegen wohl noch vor uns.“
Den Besuchern von La Ferté fällt das nicht auf. Ihr Weg führt vom Schloss mit den festlich dekorierten Räumen, in denen auch altes Spielzeug arrangiert wurde, zu den historischen Ställen und der Orangerie, wo man zum Beispiel lernen kann, Krippen zu bauen. Drei Kilometer Lichterketten säumen den Weg durch die Gärten dieses früheren Jagdschlosses und über den Hof, wo gerade Holzscheite für ein Feuer gestapelt werden.
Auch das Wasserschloss La Bussière, das einst als wehrhafte Anlage half, die Grenze Frankreichs zu Burgund zu sichern, ist längst in Privatbesitz. „Meine Großeltern lebten noch im Schloss“, erzählt Laure Bommelaer. Heute dienen einige der Räumlichkeiten als Fischereimuseum. Andere sind mit Familienstücken möbliert und zur Weihnachtszeit individuell dekoriert. Das sorgt für gemütliche, ja fast intime Atmosphäre.
Die Festtafel ist in La Bussière mit Geschirr gedeckt, das aus der Porzellanmanufaktur im nahen Gien stammt. Auch die üppig geschmückten Tannenbäume sind sozusagen hauseigene, „sie wurden in unserem Wald geschlagen“, betont die Schlossherrin. Dann reicht sie dicke Decken und bittet zu einer Kutschfahrt. Schloss und Wasserläufe im Blick, die Stille des Waldes und das sanfte Schnauben des Pferdes – das darf man schon romantisch finden. Beim anschließenden Glühwein schwärmt Laure von ihrem großen Gemüse- und Kräutergarten aus dem 18. Jahrhundert. Und dass man unbedingt zu einer wärmeren Jahreszeit wiederkommen müsse.
Anknabbern verboten: Weihnachtsinszenierung im Schloss mit Bücherstapeln aus Schokolade
Zwar sind fast alle berühmten Loire-Schlösser im Staatsbesitz, doch selbst in diesen Häusern wird zur Weihnachtszeit ehrenamtliches Engagement großgeschrieben. So auch im Schloss von Azay-le-Rideau in der Nähe von Tours. „Wir sind erst seit zwei Jahren bei der Schlösser-Weihnacht dabei, aber schon sehr erfahren im Dekorieren“, sagt Catherine Daniélou lachend. Für die Inszenierungen hätten sie das Thema Märchen ausgewählt. „Das haben wir im Team entschieden.“ Ein Szenograph hat „Alice im Wunderland“, „Rotkäppchen“ und andere Themen in den historischen Räumen interpretiert. „Die Besucher, junge und alte, sollen sich beim Schlossrundgang inspirieren lassen“, wünscht sich die Kommunikationschefin des Hauses. Eine Szene aus „Die Schöne und das Biest“ wurde komplett mit Schokolade gestaltet. „Natürlich darf bei uns auch genascht werden“, informiert Catherine, schon die nächste Frage ahnend. Deshalb würden auch besondere Führungen angeboten.
Majestätisch: Kleine Bäume vor gewaltiger Kulisse, Schloss Chambord am Abend
Während im Garten von Azay-le-Rideau ein Gärtner Hornveilchen in die verwaisten Beete setzt, werden an anderen Schlössern Christrosen und Stiefmütterchen gepflanzt. Tannenbäume dürfen bei der Außengestaltung nicht fehlen. Vor dem Schloss von Chambord stehen sie in Reih' und Glied und leuchten nach Einbruch der Dunkelheit. Das berühmte, riesige Königsschloss mit seinen Dutzenden Türmchen, Giebeln und Schornsteinen wirkt dadurch noch majestätischer.
Weihnachten bei der Gräfin von Cheverny (Porträt über dem Kamin): Inszenierung im Großen Salon des Schlosses
Im Garten des Schlosses von Cheverny können selbst die gewaltige Tanne mit Geschenkpaketen und ein überdimensionaler Adventskranz die Blicke nicht allzu lange vom Schloss ablenken, das die Besucher mit seiner weißen Tuffsteinfassade anstrahlt.
Alles im Blick: Der einstige Schlossherr, König Franz I., beäugt die neapolitanische Krippe im Schloss von Amboise
„Weihnachten durch die Jahrhunderte“ lautet das Motto der Präsentation im Königsschloss von Amboise, das über dem alten Loire-Städtchen thront. Eine große neapolitanische Krippe, wohlwollend beäugt von einem Porträt des einstigen Schlossherren Franz I. stiehlt hier den Weihnachtsbäumen die Schau. Abends überrascht der Blick von der Loirebrücke hoch zum Schloss. Dann wird die Fassade in abwechselnd buntes Licht getaucht.
Blick aus der Altstadt von Amboise zur Hubertuskapelle (mit dem Grab Leonardo da Vincis) auf dem Schlossgelände
Auf andere Weise nähert man sich dem Thema Weihnachten in Chinon. Hier werden seit 2013 jährlich Designer ausgewählt, die mit unkonventionellen Ideen für Hingucker auf dem weitläufigen Gelände der Burg sorgen, wo Jeanne d'Arc den zukünftigen König Karl VII. getroffen hatte. Statt der klassischen Bäume stehen dann etwa knallbunte, selbst bemalte Holzpyramiden auf der Burgwiese und der Rampe, die Kinder zum Spielen einladen. In den ehemaligen Wehrtürmen leuchten Designerbäume aus Stahl geheimnisvoll aus ihrem Inneren und monumentale Christbaumkugeln setzen als Spiegelobjekte Burg und Besucher in ungewohnte Perspektiven.
Bunt statt Grün: Holz-Weihnachtsbäume als Hingucker auf der Wiese am Schloss von Chinon
All diese Inszenierungen und Ausstellungen sind stimmungsvolle und originelle Ergänzungen der Schlösserbesichtigungen, die auch zu dieser scheinbar ungewöhnlichen Jahreszeit reizvoll sind, da es keinen Rummel gibt, die Orte zur Ruhe kommen und sich ganz auf sich zu besinnen scheinen.
Die einzige Weihnachtseinladung, bei der das Schloss nicht im Mittelpunkt steht, spricht die Domaine de Chaumont aus. Das regionale Zentrum für Kunst und Natur, dessen Gartenfestival im Sommer überregional bekannt ist, öffnet seit Neuestem auch im Winter seine berühmten Gärten und Gewächshäuser. Dominique Jauzenque erklärt das Konzept: „Wir wollen mit speziellen Winterbepflanzungen Botanikfreunden Anregungen liefern, ohne zu kommerzialisieren.“ Besondere Beleuchtung und dezenter Weihnachtsschmuck seien erlaubt, aber „Santa Claus werden Sie bei uns nicht treffen“, bemerkt der Mitarbeiter grinsend.
Auch die zeitgenössische Kunst hat auf dem riesigen Areal ihren Platz. Es gibt neuerdings über Weihnachten Themenausstellungen, die an verschiedenen Orten, aber auch im Schloss stattfinden. Der historische Landschaftspark wartet zudem dauerhaft mit Skulpturen berühmter Künstler wie Andy Goldsworthy oder Giuseppe Penone auf. Sie nehmen Bezug auf Natur und Landschaft. „Wir möchten damit an das 19. und frühe 20. Jahrhundert anknüpfen, als Chaumont Treffpunkt der Künstler gewesen ist“, äußert Jauzenque.
Kunst und Natur haben in Chaumont auf gelungene Weise sowohl zu einem Neben- als auch einem Miteinander gefunden – selbst im Dezember. Allerdings ist die schönste Impression für viele doch der Blick aus dem zur Loire offenen Hof des dreiflügeligen Schlosses auf den vom Menschen unreguliert sich seinen Weg suchenden Fluss.
Keine Staudämme, keine Schleusen: Die Loire, hier am Château Chaumont, sucht sich ihren Lauf noch selbst
Informationen
Atout France, Franz. Zentrale für Tourismus: info.de@france.fr, www.france.fr
Tourismus Loiretal: www.valdeloire-france.com
Tourismus Touraine: www.touraineloirevalley.com
La Bussière: Schloss-Weihnacht an den Dezemberwochenenden; www.chateau-de-la-bussiere.fr
La-Ferté-Saint-Aubin: Schloss-Weihnacht an den Dezemberwochenenden und vom 23. Dezember bis 7. Januar; www.chateau-ferte-st-aubin.com
Übernachtungstipps
„La Bonnée d'âne“, Öko-Gîte und Chambres d’hôtes in Germigny-des-Prés; www.labonneedane.fr
„Relais des 3 Châteaux“ in Cour-Cheverny; www.relaisdestroischateaux.com
„Les Ifs“, Chambres d'hôtes in Azay-le-Rideau; www.lesifs.com
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