Im Wald von König Artus

Unterwegs in der Bretagne

Text und Fotos: Sandra Rauch

In der Bretagne mangelt es wahrlich nicht an Mythen. Das Rätsel der gewaltigen Dolmen und Menhire, der stehenden Steine, ist bis heute nicht vollständig gelöst. Auch die Wälder und Heideflächen bieten mit ihrem natürlichen Zauber den alten Legenden immer wieder neuen Stoff. In Brocéliande, einem Waldgebiet bei Rennes, können Wanderer sogar auf den Spuren von König Artus und seinen Rittern wandeln.

Frankreich - Bretagne - Nicolas vom Zentrum der Artusphantasie

Nicolas vom Zentrum der Artusphantasie

„Nur wer seiner Frau immer treu war, sollte jetzt noch weitergehen“, warnt Nicolas. „Alle anderen, selbst die, die nur daran gedacht haben, warten besser hier.“ Der Fremdenführer des Artus-Zentrums lächelt, taxiert die Wanderer mit ruhigem Blick. „Aus dem Val sans Retour, dem Tal ohne Wiederkehr, kehren nur jene Ritter zurück, die der Frau ihres Lebens vollkommene Liebe schenken.“ Alle anderen halte Fee Morgane, die Halbschwester von König Artus, hinter unsichtbaren Mauern gefangen.

Frankreich - Bretagne - Darstellung der Tafelrunde und Gral auf Fenster der Dorfkirche

Darstellung der Tafelrunde und des Grals auf einem Fenster der Dorfkirche

Aus gekränktem Stolz über einen untreuen Liebhaber wacht die Fee über die Ritter, und auch jenseits des Tals herrschen Geister und Zauberer, gibt es geheimnisvolle Brunnen und Seen. Die Helden der keltischen Sagen und Legenden sind hier zu Hause: Artus und seine Tafelrunde, Zauberer Merlin, die Weiße Dame. Es klingt wie ein Märchen, doch der Wald von Brocéliande in der französischen Bretagne ist durchaus real. Südwestlich von Rennes erstreckt sich das Waldgebiet über eine Fläche von 7000 Hektar. Mysteriös ist bereits die Fahrt nach Brocéliande: Wer auf der Landkarte diesen Namen sucht, findet ihn nicht, offiziell heißt das Gebiet Paimpont. Besucher orientieren sich daher besser an Ortsnamen wie Tréhorenteuc, Concoret oder Paimpont, die beliebte Startpunkte für Wanderungen oder Radtouren sind.

Frankreich - Bretagne - Schloss von Comper

Schloss von Comper

Die Tour mit Nicolas beginnt im Schloss von Comper. Hier ist das Zentrum der Artus-Phantasie: Ein kleines Museum erklärt die keltische Mythologie und die Entstehung der Artus-Sagen, die Mitarbeiter des Zentrums organisieren Ritterspiele und führen Besucher durch den Wald. Über die Kelten werde viel Unsinn erzählt, sagt Nicolas. Seine Kollegen und er wollen deshalb zwischen Wissenschaft und Legenden vermitteln und vor allem auch Schulkindern die Geschichte ihrer Heimat lehren, schließlich ist Artus der bretonische Urkönig schlechthin. Doch was hat der Wald von Brocéliande mit König Artus und seinen Rittern, mit Feen und Zauberern zu tun? Hintergrund sind die Artus-Romane des 12. Jahrhunderts. Sie vermischen keltische Sagen mit Geschichten über den historischen König Artus, der im 5. Jahrhundert gegen die Angelsachsen kämpfte. Die Helden dieser Romane bewegen sich im Wald von Brocéliande, „der Heide im Wald“ – einer Bezeichnung, die auch der heutige Wald von Paimpont in mittelalterlichen Urkunden trägt. Als weiterer „Beweis“ gilt Chrétien de Troyes‘ Roman „Yvain, der Löwenritter“, der rund um den Brunnen von Barenton spielt – einer „realen“ Stätte im Wald von Paimpont.

Frankreich - Bretagne - Tor zum Schloss von Comper

Tor zum Schloss von Comper

Doch egal, ob Paimpont das mystische Brocéliande ist oder nicht, der Magie des Waldes kann sich kaum ein Wanderer entziehen. Gleich hinter dem Schloss von Comper beginnt der Zauber, hier funkelt und glänzt der See von Fee Viviane in der Sonne. Kein Blick dringt durch das dunkle Wasser – und das ist durchaus gewollt. „Die Fee wünschte sich von ihrem Geliebten, Zauberer Merlin, ein Schloss.“ Sanft berieselt Nicolas‘ Stimme die Zuhörer, mit seinem weißen Leinenhemd, Vollbart und den zum Zopf gebundenen Haaren gibt er den perfekten Märchenerzähler. „Merlin baute Viviane einen Palast aus Kristall. Doch er verschleierte ihn mit einem See, um die Fee vor den neugierigen Blicken der Menschen zu schützen.“ Später wird Viviane unter dem See Lancelot, den vielleicht berühmtesten Ritter der Tafelrunde, großziehen.

Frankreich - Bretagne - See der Fee Viviane

See der Fee Viviane

Altes Laub und Äste modern am Grund der Seen in Brocéliande, das dunkle Wasser macht unsichtbar, was sich in ihm verbirgt. Bäume versperren den Blick zum Himmel, sich zu orientieren fällt schwer. Links und rechts der Wege raschelt und knackt es im Unterholz, Tiere tauchen jäh auf und huschen zurück ins schützende Dickicht. Gerade in der Dämmerung richten sich scheinbar 1000 Augen auf den Wanderer, der aber kein Tier, nichts sieht. Diese Eindrücke überfordern die Sinne, und genau deshalb regen ausgedehnte Wälder seit jeher die Fantasie der Menschen an.

„Die Legenden und Sagen über Brocéliande berühren zwei Grundängste des Menschen: Die Nacht und der Wald“, erklärt Nicolas. Auch moderne Menschen erliegen dieser Macht der Natur, und wenn die eigenen Sinne streiken, klingt Zauberei auf einmal ganz plausibel. Der „Feenspiegel“ etwa, ein kleiner See im Tal ohne Wiederkehr, auf dem sich Bäume, Himmel und Wolken gespenstisch verzerrt spiegeln: Nur zu gern glaubt man hier die Geschichte der sieben Schwestern, die im Teich wohnen sollen. Die Oberfläche des Sees sei der Spiegel der Feen, durch den man, wie bei Alice im Wunderland, in eine ganz andere Welt gelange. Auch der Rauco, der Abfluss des Feen-Spiegels, hat seine Legende: Dunkelrot ist sein Wasser, gefärbt vom Blut der unvorsichtigen Reisenden, die von den Wäscherinnen der Nacht im Bach ertränkt wurden.

Frankreich - Bretagne - Feenspiegel

Der „Feenspiegel“

Blutgetränkt oder gefärbt vom im Wald reichlich vorhandenen Eisen? Die geologische Erklärung klingt überzeugend, doch sie kann die schaurige Legende nicht aus den Köpfen der Wanderer verdrängen. Warum auch, schließlich stellt man sich so in der Bretagne die Begegnung mit dem Tod vor: Am Wegrand bieten Wäscherinnen dem Reisenden ihre Hilfe an – um ihn dann für die Ewigkeit bei sich zu halten.

Frankreich - Bretagne - Misteln wachsen in Baumkronen

Misteln wachsen in Baumkronen

Für fast alles gibt es verschiedene Erklärungen in Brocéliande, und der Wald und die umliegenden Dörfer illustrieren die alten Sagen vortrefflich. Enge Straßen führen zu den Startpunkten für Wanderungen im Waldgebiet, Efeu rankt an den Wänden der kleinen Häuser, in den Baumkronen wachsen Misteln –  den kugelrunden Büschen wird seit jeher Zauberkraft nachgesagt.

Frankreich - Bretagne - die älteste Eiche von Brocéliande, die Chêne Rues Eon

Die Eiche Chêne Rues Eon

Im Weiler Concoret wartet auf die Besucher sogar noch ein Zeitzeuge der längst vergangenen Ritterzeit. Hier steht die älteste Eiche von Brocéliande, die Chêne Rues Eon. Mehr als 1000 Jahre hat sich der knorrige Baum jedem Holzfällerbeil widersetzt. In jüngerer Zeit, während der Französischen Revolution, soll sich in seinem hohlen Stamm ein kirchentreuer Priester vor seinen Verfolgern verborgen haben. Historisch belegt ist das nicht, eine schöne Geschichte jedoch allemal. Oder wie Nicolas sagt: „Es gibt immer eine Legende“.

 

Website der Autorin: http://www.sandrarauch.de

 

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