DAS PORTAL DEUTSCHSPRACHIGER REISEJOURNALISTEN

Musik aus England

Ralf Gauck: „A Hard Day’s Night“
CD: Wonderland Records WR 9069 / Rough Trade

Warnung: Als anregender Musik-Background während einer langen Autobahnfahrt ist diese CD nicht geeignet. Und wer ohne sein allerfeinstes Kopfhörer-Equipment auf die Reise gegangen ist, kann diese samtweich im Tieftonbereich nachschwingenden Saiten-Zaubereien ebenfalls kaum richtig genießen – weder bei einer gemütlichen Zugfahrt noch abends im Hotelzimmer.

41 Minuten und 56 Sekunden lang nur Bassgitarre. Und sonst gar nix. – Kann das wirklich dermaßen spannend sein, dass es sich lohnt, diese CD in die Player-Schublade zu schieben und sich daheim auf das gemütlichste Sofa zu setzen? – Ja!!!

Bereits 2007 interpretierte der Bassgitarrist Ralf Gauck ohne jegliche Begleit-Musiker - sogar ohne Overdubs oder andere Mätzchen - auf seiner CD „Fields of Gold“ mehrere Songs von Sting; man konnte diese Scheibe damals belächeln als Gag für HiFi-Vorführungen, bei denen die Tiefton-Festigkeit von Bass-Lautsprechern angetestet werden soll. Aber auch die ärgsten Kritiker musste anerkennen: Ralf Gauck ist ein Virtuose auf seinem Instrument.

Bei der vorliegenden CD mit Cover-Versionen von Beatles-Songs klingt eigentlich nur der Bonus-Track ein wenig überflüssig. Denn im Vergleich zum übrigen Repertoire dieser CD wirkt das von Ralf Gauck artig gezupfte „Prélude“ aus Bachs G-Dur Cello-Suite allenfalls wie ein Malus-Track.

In den übrigen zehn Tracks erreicht der Bassgitarrist jedoch Tiefen der menschlichen Seele, zu denen andere Interpreten von Lennon-McCartney-Songs bislang nicht vorgedrungen waren. Spätestens bei dem – in der Original-Version künstlerisch eigentlich weniger bedeutend klingenden - Beatles-Titel "Things We Said Today" glaubt der Hörer, nicht nur vier Bass-Saiten zu vernehmen, sondern die Fab Four in Bestform zu erleben. In der anspruchsvoll komplexen Psychdelic-Hymne „A Day In The Life“ findet der Bassgitarre-Paganini Ralf Gauck sogar noch die Muße, ein paar Zitate von Jimi Hendrix einzustreuen. Aber vor allem Gaucks Interpretation von Paul McCartneys Gospel-Evergreen "Let It Be" ist eine Meisterleistung. Die Arbeit des Solo-Bassgitarristen ist meisterlich im Sinne von "künstlerisch ausgereift" wie auch "akrobatisch fingerflink".

So nebenbei verblüfft diese klanglich weitgehend natuberlassene Produktion mit ihren audiophilen Qualitäten. Allein schon deswegen glaubt der CD-Hörer nach mindestens jedem zweiten Track aus seinem Sessel springen zu müssen, um lauthals zu brüllen: Zuuu-gaaa-be!!! wd@saw

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Edin Karamazov: „The Lute Is A Song“
CD: L'Oiseau-Lyre – Decca 478 1077 / Universal

Der bosnische Lautenspieler Edin Karamazov arbeitete bereits mit vielen großen Persönlichkeiten der internationalen AlteMusik-Szene – vom Hilliard Vokal-Ensemble bis hin zu zahlreichen Instrumental-Ensembles, die sich der Musik aus dem Barock und der Zeit davor widmen. Auf der vorliegenden CD begleitet Karamazov mit seiner Laute höchst unterschiedlichen Promis. Der Ex-Police-Mann Sting singt „Alone With My Thoughts This Evening”, die Sopranistin Renée Fleming interpretiert eine Purcell-Arie aus elisabethanischer Zeit, Counter-Tenor Andreas Scholl lässt den Lautenspieler bei einer Händel-Arie als seinen Begleiter glänzen. Der Solo-Virtuose Edin Karamazov entfaltet mit Bachs d-moll-Orgel-Toccata BWV 565 die oftmals unterschätzten Möglichkeiten seines Zupfinstruments. wd@saw

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Van Morrison: „Astral Weeks – Live At The Hollywood Bowl“
CD: Listen To The Lion 69342325 / EMI 

Van Morrison: „Astral Weeks“
CD: Warner Brothers 246 024

http://www.harpertaxitours.co.nr
http://www.belfastmusic.org/article.aspx?art_id=2381


  “Down on cyprus avenue / With a childlike vision leaping into view …”  – diese Textzeile aus der Feder des Celtic-Soul-Sängers Van Morrison verhalf einer Straße in Belfast zu nachhaltiger Berühmtheit.
   Wer einmal selbst durch die von Morrison besungene Cyprus Avenue schlendern möchte, kann mit Belfast Music Tours diese und andere Popmusik-historischen Sehenswürdigkeiten der nordirischen Metropole besuchen. Der BBC-Radiomoderator Stuart Baillie stellte diese Tour zusammen, die unter anderem auch zu den alten Wirkungsstätten von U2 führt.  
   Für kleinere Morrison-Fangruppen empfiehlt sich ein Anruf beim Taxifahrer Ken Harper. Er nimmt Fahrgäste mit auf seine Van Morrison Taxi Tour, die zu den Schauplätzen der „Astral Weeks“ führt.


   1968 spielte Van Morrison in New York sein Folkjazz-Meisterwerk „Astral Weeks“ ein. Das Album war einerseits das lyrische Ausloten von mystischen Grenzbereichen. Gleichzeitig gelang Morrison damit eine erdverbunden klingende Hommage an die Cyprus Avenue und die damalige Bohème-Szene von Belfast.
   Renommierte Jazz-Studiomusiker wie Richard Davis (Bass) und der Drummer Connie Kay wirkten mit bei den Aufnahmen für diese Kult-LP. Als 2003 das US-Magazin „Rolling Stone“ 273 Musiker, Kritiker und andere Branchen-Insider nach deren Lieblings-Longplayer fragte, belegte „Astral Weeks“ den 19. Platz. In einem Jahrhundert-Poll der Londoner Times belegte dieses Album sogar den dritten Platz.
   Trotzdem bekamen die Morrison-Fans 40 Jahre lang bei Konzerten höchstens mal einen der acht „Astral Weeks“-Songs zu hören. Erst 2008 wurde der Liederzyklus live uraufgeführt – und zwar in der Hollywood Bowl, einem der größten natürlichen Amphitheater der Welt in der Nähe von Los Angeles.


   Der Mitschnitt dieser verspäteten Premiere zeigt einen gereiften und noch eindringlicher wirkenden Sänger. Und als Rhythmus-Gitarrist setzt Van The Man seine Akzente ebenfalls effektiver als vor vier Jahrzehnten. Das 1968er Opus bezog Spannung aus einer kontrastreich spröden Kammermusik-Instrumentierung, das Remake klingt popmusikalisch deftiger.
   Morrisons kraftstrotzende Soul-Stimme schwebt immer noch traumwandlerisch über den Rhythmen und Harmonien. Aber 1968 klang er wie ein hypnotisierter Blues-Talker auf der Psychoanalytiker-Couch. 40 Jahre später scheint er selbst ein Seelenforscher und Hypnotiseur geworden zu sein.
   Dank der 40-jährigen Reifezeit klingen seine frei schwingenden Assoziationsketten jetzt viel anheimelnder. Und die teilweise in veränderter Reihenfolge zusammen gefügten und mit neuen Text-Fragmenten angereicherten Songs laden ein zum Mitreisen – hin zu verjüngt wirkenden Traumfiguren. Zur „Ballerina“. Zu „Madame George“. Und natürlich wieder einmal hin zur „Cyprus Avenue“.
   Mit dem kommerziellen Erfolg des Live-Remakes von „Astral Weeks –Live“ kommt auf die städtischen Verwaltungsbeamten von Belfast nun wohl ein Problem zu, dass deren Kollegen in Liverpool bereits kennen. John Lennon und Paul McCartney hatten 1967 einer Straße ihres Geburtsortes ein klingendes Denkmal erbaut. Seitdem ließen durchreisende Beatles-Fans in der Penny Lane immer wieder mal ein Straßenschild als Souvenir mitgehen.


   Inzwischen lässt die Liverpooler Stadtverwaltung den Straßennamen dort auf Häuserwände pinseln, um das Entfernen von Hinweistafeln zu verhindern. Wer seinen Lieben daheim beweisen will „I was in Penny Lane“, kann sich vor einem dieser aufgemalten Wegweiser fotografieren lassen.
   Als Nachweis für einen Besuch in der Belfaster Cyprus Avenue genügt die Taxi-Quittung von Ken Harper.   
wd@saw

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Verschiedene Interpreten: „The Rough Guide To Tango”
CD (plus Bonus-CD “Carlos Libedinsky”): RGNET 1219CD / harmonia mundi

www.worldmusic.net


Das Weltmusik-Label Rough Guide hatte dieser argentinischen Spelunkenmusik bereits mehrere CDs gewidmet. Darauf wurden vor allem die stilbildenden Arbeiten des Bandoneon-Virtuosen Astor Piazzolla gewürdigt und die poppig aktuellen Blüten des Tango-Tanzbooms vorgestellt. Aber Tango kann auch für Nichttänzer ein Genussmittel sein.

   Die vorliegende Compilation zeigt eher die nachdenklich intimen Facetten dieser Unterhaltungsmusik aus den Hafenkneipen von Buenos Aires. Das deutsche Weltmusik-Ensemble Quadro Nuevo mit dem Klassiker „Tango Jalousie“ sowie die Gruppe El Ultimo Tango huldigen aus Birmingham  von dieser Seite des Atlantiks aus der inspirierenden Kraft des Tango für konzertante Jazz- und Pop-Musiker.
   Auf einer beiliegenden Bonus-CD verbinden der argentinische Gitarrist Carlos Libedinsky und seine Gruppe ebenso einfühlsam wie mitreißend die Stilmittel des Electronic-Pop mit jener Träne, die man tanzen kann.wd@saw

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Brian Eno: „Music For Airports“
Performed by Bang On A Can All Stars
DVD: Medici Arts 307 7558

Pop-Fans kennen diesen Engländer als Ex-Keyboarder von Roxy Music oder als Produzenten von U2 und anderen Top-Acts. In die Musik-Geschichte wird Brian Eno seinen Platz finden als Wegbereiter der Ambient Music – was oft immer noch mit „Hintergrundmusik“ verwechselt wird und im Sinne ihrer Erfinder eher mit „musikalische Innenarchitektur“ übersetzt werden sollte. Ein Beispiel gebendes Frühwerk dieses Genres war Brian Enos „Music For Airports“. Der hier verwendete Soundtrack wurde vom New Yorker Avantgarde-Ensemble Bang On A Can All Star für das Holland Festival 1999 eingespielt. Die damit korrespondierenden Bilder wurden auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol aufgenommen und von dem Video-Künstler FrankScheffer bearbeitet. Außerdem präsentiert Scheffer auf dieser DVD sein „In The Ocean“; in diesem Feature verwendet er unter anderem Interview- und Musik-Zitate von John Cage, Steve Reich und anderen Gründervätern der einstmals schockierend „Neuen“ Musik vom Ende des 20. Jahrhunderts. wd@saw

Slovak Radio Symphony Orchestra: “A Musical Journey - Worcester and the Malverns / Music by Edward Elgar”
DVD: Naxos 2.110527
www.naxos.com
www.visitworcester.com
www.malvernhillsaonb.org.uk

 

Sein „Land Of Hope And Glory“ ist die heimliche Nationalhymne der Briten. Außerdem sind auf dieser DVD seine spätromantischen „Enigma Varriations“ und das Salonmusik-Standardwerk „Salut d’amour“ zu hören. Die überaus ruhigen und unkommentierten Bilder zeigen jene Landschaft, in der Edward Elgar (1857-1934) lebte und komponierte. Das Städtchen Worcester und die sanft hügeligen West Midlands, gotische Kirchbauten und anheimelnde Fachwerkhäuser, endlose Wiesen und gemächlich vorbei gleitende Hausboote auf dem Fluss – hier präsentiert sich das ländliche good old England optisch und akustisch at its best. wd@saw

 

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