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Reiseführer Münsterland

Ein Ausflug ins Westfälische Freilichtmuseum Hagen

Wer am Stadtrand von Hagen das Mäckingerbachtal aufsucht, der taucht in die Geschichte von Handwerk und Technik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein. Auf einer Fläche von 40 ha wurde ein Ensemble aus Handwerks- und Gewerbebetrieben inszeniert, auch wenn man auf den ersten Blick meint, Kuhschellenmühle, Kupferschmiede, Bohrerschmiede, Feilenhauerei, Sensenhammer, Papiermühle und Sattlerei hätte es in diesem Tal schon immer gegeben. Auch ein Weiler mit Brauerei, Bäckerei, Huf- und Wagenschmiede, Räucherei und Tabakfabrik ist Teil dieses Landesmuseums für Handwerk und Technik, in dem man dank der Vorführungen bis heute ein lebendiges Bild alten Handwerks und Gewerbes erleben kann.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen

Wohnhaus Papierfabrik Vorster

Nahe des Eingangs steht auf steinernem Fundament und aus rostbraunem Fachwerk erbaut, die Lohmühle aus Plettenberg. Einst wurde in ihr die sogenannte Lohe, abgeschälte Eichenrinde, gemahlen. Diese nutzten die Lohgerber für das Gerben von Häuten. Dies geschah in drei Gerbgruben im Inneren der Mühle. Wasser, Lohe und gereinigte und enthaarte Felle wurden in diese Gruben geben. Da derartiges Gerben bis zu zwei Jahre dauern konnten, wurden auch außerhalb der Mühle zahlreiche Gruben angelegt. Nur so war das Einkommen des Mühleneigners gesichert. In einer Ausstellung im Haus wird auf die Niederwaldnutzung und Lohegewinnung im Siegerland Bezug genommen.

Kuhschellen, Bürsten und Stuhlgeflecht

Vorbei am aufgestauten Mühlteich geht es anschließend zum Kuhschellenschmied Krämer. Für die sogenannte Waldhude – Bauern ließen im Siegerland Wiederkäuer im Wald nach Nahrung suchen – benötigte man Schellen für das Vieh, damit die Hirten jederzeit wussten, wo es sich befand. Daher wurden die Kuhschellen individuell gearbeitet und gestimmt. Doch mit dem Niedergang der Hude ging es auch mit dem Handwerk bergab. Schließlich vertrieben die Kuhschellenschmiede in den 1950er Jahren Hausgongs mit drei gestimmten Schellen statt des Kuhgeläuts. Heute ist die Esse erloschen, der Blasebalg außer Funktion und nur noch die Einrichtung der Schmiede erinnert an die Blütezeit dieses Handwerks.


Neugierig auf einen historischen Friseurbetrieb? Na dann, hereinspaziert in die ehemalige Schmiede Bickenbach. Hier zeigt man zudem das Bürstenmachen und das Flechten in der Stuhlflechterei, zumeist eine Arbeit, der aktuell blinde Menschen nachgehen. Wie Helmut Schnepper, ein Museumsmitarbeiter, erläutert, ist diese Arbeit kein Zuckerschlecken, sondern erfolgt unter Stückvorgaben. Ohne diesen Arbeitsdruck werden im Museum defekte Stuhlsitzflächen repariert und komplett neu geflochten, stets hoffend, dass das dünne Rattanmaterial nicht reißt.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen

Das Hammerwerk

Zierrat aus Messing

Wussten Sie, dass gegossene und geprägte Messingwaren im 19. Jahrhundert das wichtigste Erzeugnis der Stadt Iserlohn waren und in die ganze Welt exportiert wurden? Nein, dann sollte sie den Messingstampfhammer mit der kompletten Betriebseinrichtung der Firma Otto E. Metzler besuchen. Unter anderem sind hier Möbelbeschläge und Sargzier ausgestellt. Man kann kaum glauben, dass derartiger feiner, teilweise bemalter Zierrat mittels des mächtigen Stampfhammers auf dem Amboss gefertigt wurde.

Mit dem Besuch der Gelbgießerei setzt man die historische Reise durch die Welt der Nichteisenmetallverarbeitung fort. In ihr stellte man mit Hilfe von Formmaschinen überwiegend kunstgewerbliche Waren her. Dass ohne eine Kupferschmiede die Turmbekrönung des Hagener Hauptbahnhofs – sie ist vor Ort zu sehen – nie fertiggestellt worden wäre, ist ein interessanter Aspekt der Regionalgeschichte, die im Freilichtmuseum lebendig wird. Zu den Besonderheiten dieser Geschichte gehört auch die Existenz einer Kaffeemühlenschmiede.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen

Deutsches Schmiedemuseum

Zu Besuch im Deutschen Schmiedemuseum

Im Deutschen Schmiedemuseum, in einem barocken Fachwerkbau mit Schieferdachung untergebracht, widmet man sich ausführlich der Technik- und Sozialgeschichte der verschiedenen Schmieden. So befasst man sich im Sagenraum mit dem sagenhaften Schmied Hephaistos, in der römischen Mythologie als Vulcanus bekannt, aber auch mit der Verarbeitung des Schmiedens in der Literatur, ob nun in Tolkiens „Der Herr der Ringe“ oder in Ludwig Achim von Arnims „Des Knaben Wunderhorn“, in dem es u. a. heißt: „ Die Hämmer hoch fliegen, das Eisen zu biegen, / Die Zangen erlangen und fangen die Stangen/ … In Mitten der Hitzen, daß glitzet widerspritzet - / Und also das Eisen tauglich wird.“

Schaubilder erläutern die frühzeitliche Gewinnung von Schmiedeeisen, und der Besucher erfährt obendrein Wissenswertes übers „Stahlkochen“ und über den Kettenfallhammer für einfache Formarbeiten. Dass man gar 15 Arbeitsschritte benötigte, um eine Heugabel zu walzen, auszustanzen, zu rollen und zu schweißen, bleibt beim Museumsbesuch kein Buch mit sieben Siegeln. Zu sehen gibt es im Museum ein amerikanisches Heumesser, Spaten, Schippen und Pfannen – sie alle entstanden in Schmiedetechnik. Dass man durchaus filigran schmieden kann, belegt eine aus dem frühen 20. Jh. stammende Kassette aus Eisen, bei deren Zierrat man auf gotische Formen zurückgriff. Was Harnischschmiede konnten, sieht man beim Anblick eines Pferdeharnischmodells aus Eisen. Der geschmiedete Panzer sollte das Reittier vor Hieb- und Stichwaffenverletzungen schützen.

Der Raum der Sensen erinnert daran, dass vor dem Einsatz von Mähdreschern und Mähbalken Sensen und Sicheln für die Getreideernte notwendig waren. Dem Prozess der Industrialisierung und damit der Veränderung der Arbeitsweisen von Schmieden widmet sich ein weiterer Raum. Für die jüngeren Besucher gibt es einige Mitmachstationen. So muss man beispielsweise „raten“, wie schwer ein Würfel Eisen ist, den man ausgestellt hat. Sind es gar 1000 g?

Wie Bohrer geschmiedet werden

Verlassen wir das Schmiedemuseum, denn es warten noch einige Überraschungen auf uns, so die Windenschmiede, die sich in einem nachgebauten Schmiedekotten befindet. Hier produzierte man einst u. a. Keller- und Fasswinden. Für die Schifffahrt benötigte man im 19. Jahrhundert Stegketten. Diese wurden nebenan in der Kettenschmiede hergestellt. In einer der Kleinstschmieden vor Ort kann man Uwe Stederoth beim Kunstschmieden über die Schulter schauen und etwas über diese Art des Schmiedens in Erfahrung bringen. Ist die Bohrerschmiede Sauerbrey aus Stengenberg geöffnet, dann kann man auch hier dabei sein, wenn Handholzbohrer geschmiedet und geformt werden. Vorbei führt der Weg an der Beilschmiede und Feilenhauerei. Eine von Hand angetriebene Schwanzhammeranlage sehen wir im benachbarten ehemaligen Kommunalhammer.

Obstbrände, Brot aus dem Schanzenofen und ...

Nun lassen wir das Tal der Schmiede und Hammer hinter uns und begeben uns zum Wohn- und Geschäftshaus, das einst zur Papierfabrik Vorster in Hagen-Eilpe gehörte. Auffallend ist das barocke Fachwerk des Hauses, das 1712 erbaut wurde. Druck und Papier lautet das Thema, dem man sich in der hiesigen Ausstellung widmet. Darüber hinaus können wir uns auf dem weiteren Weg durch das Gelände des Freilichtmuseums noch mit der Arbeit eines Sattlers und Polsterers beschäftigen sowie beim Goldschmied oder Achatschleifer vorbeischauen.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen

In der Brennerei

Doch uns steht der Sinn nach Gaumenfreuden. Daher machen wir erst einmal Halt in der Brennerei, wo aus Obst beste Brände entstehen. Dass Essigbildner und Holzspäne unerlässlich fürs Essigbrauen sind, kann man in der Essigbrauerei erfahren. Kombiniert wurde diese Brauerei mit einer Senfmühle. Die Einrichtung in dem nach freiem Entwurf erbauten Fachwerkhaus stammt aus der 1876 in Minden gegründeten Firma Haber. Wie wäre es denn mit dem Besuch der Kaffeerösterei Bommers? Nein, dann doch lieber gleich beim Bäcker nebenan vorbeischauen, wo Brot mit Rosinen frisch aus dem Schanzenofen kommt. Hm, das schmeckt vielleicht lecker.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen

Kaffeerösterei Bommers

Zigarrenliebhaber lieben die um 1800 erbaute Tabakfabrik aus Glandorf, wo man zuschauen kann, wie aus Tabakblättern Zigarren auf dem Rollbrett gedreht werden. Da es in diesem Land eine Tabaksteuer gibt, wacht der Zoll ganz genau über die Produktion, deren Erzeugnisse man im Museum auch käuflich erwerben kann. Eine Ausstellung beleuchtet nicht nur die Firmengeschichte der Tabakfabrik der Familie Habermann, die vier Generationen lang bis 1952 in Sachen Tabak unternehmerisch tätig war, sondern auch die Entwicklung von Marken, von Werbung und Verpackung. Manch Kenner schwor auf Mekka Gold oder Inka Natur, wenn es um Tabak ging. Auch Schwarzer Krauser hatte seine Liebhaber. Eine Davidoff gefällig? Im Museum auf gar keinen Fall, denn dort darf man die gedrehten Zigarren nur mit den Augen bestaunen.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen

Zigarrenverpackung

Des weiteren konzentriert sich die Ausstellung auf die westfälische Entwicklung der Tabakproduktion. Dort waren in der Tabakherstellung vor allem Männer mit einer bis zu dreijährigen Ausbildung tätig. Allerdings nahm die Zahl der unverheirateten Frauen in der Branche mehr und mehr zu, angetrieben durch die steigende Nachfrage nach Rauchwaren. Frauen waren beim Wickelmachen beschäftigt und durften dann zur Rollerin aufsteigen. Das wöchentliche Pensum, nach dem sich der Lohn eines Roller richtete, belief sich auf 1800 bis 2500 Stück in der Woche. Ein elfstündiger Arbeitstag war die Regel. Neben den Fabrikarbeitern gab es im ausgehenden 19. Jh. willige Heimarbeiter. Man schätzt deren Zahl auf bis zu 12 000.

Wir könnten noch stundenlang im Museum verbleiben, denn es gibt so viel zu sehen, aber wir kehren zum Abschluss in der Museumsbrauerei ein, in der zwar nicht mehr gebraut, aber das Hausbier noch stets ausgeschenkt wird. Na dann Prosit.


Information

LWL-Freilichtmuseum Hagen
Mäckingerbach
58091 Hagen
www.lwl.org/LWL/Kultur/LWL-Freilichtmuseum_Hagen/

 

 

 

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