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Es ist Oktober – und Warendorfer Fettmarkt

Mögen die Tage vor dem Fettmarkt noch so sonnig gewesen sein, zumeist folgt darauf spätherbstliches Grau. Tief liegt die geschlossene Wolkendecke über den Emsauen, zumindest am Morgen, wenn die ersten Stände öffnen und sich zahlreiche Turnierreiter auf der Wiese am Lohwall im Wettstreit messen. Auch die Pferdehändler sind bereits vor Ort. Ein wenig aufgeregt sind die rotbunten Kälber, die darauf warten, einen neuen Besitzer zu finden. Ganz entspannt stehen dagegen die Mutterkühe und deren Kälber vom Hof Heseker in ihrem Pferch. Jenseits der Marktfläche streicht der Duft von gebrannten Mandeln, von goldgelben Crêpes, Pommes und Bratwürstchen um die Nasen der Besucher der Kirmes. Ja, es ist Fettmarkt – und dazu finden sich Besucher von nah und fern nicht nur auf den Wiesen am Lohwall ein, sondern auch in der Stadt selbst, die sich in einen Flohmarkt unter freiem Himmel verwandelt hat.

Fettmarkt – was ist das denn, fragt man sich. Kirmes und Kirchweihfest – das kennt man ja, aber Fettmarkt, nein … Der Warendorfer Fettmarkt, das zeigt der Blick in die Geschichte, ist nunmehr weit mehr als 350 Jahre alt. Der Heimatverein Warendorf schreibt dazu: „Es war wohl auch eine Reaktion auf den vorangegangen 30-jährigen Krieg, der überall das Wirtschaftsleben zum Erliegen gebracht hatte. Jedenfalls sah sich der Warendorfer Rat veranlasst, einen freien und für jedermann zugänglichen Viehmarkt ins Leben zu rufen. Die Genehmigung hierzu erhielt die Stadt Warendorf dann am 3. Februar 1657 durch den Fürstbischof Christoph Bernhard von Münster zu Coesfeld. Seit dieser Zeit findet in Warendorf jeweils am vorletzten Mittwoch im Oktober ein großer Markt statt, auf dem zunächst nur Vieh und Güter des landwirtschaftlichen Bedarfs gehandelt wurden.“

Nun ist auch das geklärt. Doch der Name gibt noch ein Rätsel auf. Die Lösung: Anfänglich wurde auf dem Markt fast ausschließlich Großvieh gehandelt, das vorher gemästet worden war. Das ist längst nicht mehr der Fall, wenn auch immer noch Mastkälber den Besitzer wechseln oder auch das eine oder andere Pony und Pferd. Auch Kleintiere wie Hasen und Karnickel oder aber Hühner verkauft man auf dem hiesigen Fettmarkt. Hinzugekommen sind Fahrgeschäfte aller Art, vor allem aber der Flohmarkt in der gesamten Altstadt.

Riesenrad und Riesenschaukel locken vor allem die jüngeren Besucher an. Der eine oder andere lässt sich dazu verführen, an der Schießbude sein Glück zu versuchen. „Joker Games“ heißt das nun Neudeutsch. Doch die Gewinne ähneln denen von früher: Bunte Stofftiere sind der Hauptpreis. Auch Büchsenwerfen erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, besonders bei einigen Steppkes, die dabei ihr „Taschengeld zu versilbern“ versuchen.


Das Laub der Bäume am Rande des Lohwalls ist längst gelblich verfärbt. Es ist ja Herbst an der Ems. Dicht gedrängt stehen Ponys und Pferde angeseilt neben einander. Fuchsfarben ist das eine, Schwarz-Weiß oder Schwarz das andere. Unauffällig streichen Käufer um sie herum. Gemurmel ist zu vernehmen. Für Umstehende ist das nicht zu verstehen, denn es geht hier schließlich um den guten Preis, der mit mehrfachem Handschlag besiegelt wird. Wir jemand wohl buntes Federvieh wie die gezeigten Grünleger erwerben? Masthähnchen und Gänse, die dann wohl zu St. Martin im Bräter landen, bietet Geflügel Freitag an. Schafe und Esel stehen auf Stroh in ihrem Pferch. Wer ist eigentlich auf Seidenhühner versessen, die aus eigener Nachzucht stammen und nun ein neues Zuhause suchen? Augenscheinlich gibt es Liebhaber, auch solche, die sich unbedingt Antwerpener Bartzwerge anschaffen müssen, denn sonst gäbe es diese nicht auf dem Fettmarkt.

Freunde des Fahrsports können einen Blick auf nigelnagelneuen Kutschen werfen. PS-starke Traktoren von Claas zieht die Warendorfer Männerwelt in ihren Bann. Ob die Warendorferin auf dem Fettmarkt ihre Herbstgarderobe findet – wer weiß es. Zumindest sind einige Bekleidungshändler auf dem Markt vertreten. Omas lachspastellfarbene Mieder flattern im Wind und auch der eine oder andere Marktschreier, der seine Wunderputzmittel anpreist, ist in Warendorf zugegen. Es ist halt Fettmarkt, auf dem es fast alles gibt, auch Taschen, Wollmützen, Handschuhe, Pferdesalbe, Kehrmaschinen, Aufsitzrasenmäher, Klein- und Großtraktoren, Korbwaren oder Blumenzwiebeln sowie allerlei Zubehör für den Pferdesport.

Hm, was ist das denn für ein Duft, der da herüberweht? Töttchen stehen auf dem Feuer. Das ist eine Münsterländer Spezialität: Ursprünglich verwandte man dazu einen Kalbskopf und Beinfleisch oder Innereien, heute jedoch gewürfeltes, erstklassiges Kalbfleisch (Schulter). Jahrzehntelang galt jedoch: „Der liebe Gott weiß alles, nur nicht, was im Töttchen ist.“ Dennoch: Man sollte das traditionelle Gericht unbedingt mal probieren, das entfernt an Ragout fin erinnert.


Nicht nur in der Oststraße, sondern auch in der übrigen Stadt stehen die Warendorfer Pferde, die einst vor Jahren für die erste Warendorfer Pferdenacht kunstvoll bemalt wurden. Vor Pechers Spielparadies steht ein orange-roter Gaul bemalt mit Legobausteinen, einem Spielzeugflugzeug, einer Holzeisenbahn und einem Teddy. Unweit davon entdecken wir eine Mutterstute und ihr Fohlen, deren farbenfrohe, expressionistische Bemalung jedem Vorbeischlenderndem ins Auge springt. Auch ein blaues Pferd mit gelben Sternen hat seinen Platz neben blauen, beige-braunen und roten Hollandrädern gefunden; einige davon haben sogar rosa Reifen. Manche der Fettmarktbesucherinnen bleiben kurz vor einem der Trödelstände stehen, um abzuschätzen, ob nicht doch das eine oder andere Kleidungsstück noch zur vorhandenen Garderobe passt. Doch die meisten gehen weiter, stets auf der Suche nach dem nächsten Schnäppchen.

Auf dem Flohmarkt gibt es nicht nur die ausrangierte Kühlbox, gebrauchte Bilderrahmen, Bücher, CDs und Schallplatten, Kerzenständer, schlicht Trödel und Nippes jeder Art. Wer Fischertechnik oder Playmobil sucht, wird ebenso das Richtige finden wie derjenige, der noch auf analoge Fototechnik schwört. Schließlich wird auch Omas Service mit und ohne Suppenschüsselchen angeboten.

Der Fettmarktbesuch macht nach einer Weile ziemlich hungrig. Kaum ein Stuhl ist mehr vor dem Gasthof „Zur Sonne“ frei. Federweißer und Zwiebelkuchen lassen sich einige Gäste schmecken. Für die anderen ist es der Pott Kaffee und Omas Pflaumenkuchen, der es sein muss. Auch das Café Engelchen ist gut besucht. Da nun im Laufe des Tages der Nebel verschwunden und der Himmel in strahlendem Blau lacht, sitzt man hier trotz herbstlicher Temperaturen im Freien und schaut zu, wie einige ihr Glück beim Glücksraddrehen versuchen.

Etwas verloren scheint das Jazz-Quartett bestehend aus Musikern der Umgebung, die an der Königstraße Jazz-Standards spielen. Der Kreis der Zuhörer ist mehr als überschaubar. Doch die wenigen spenden herzlichen Applaus. Unterdessen macht ein Drehorgelspieler seine Runde.

Auf dem Markt hat die Außengastronomie, nicht nur von "In Mezzo," alle Hände voll zu tun, um den Gästen Gaumenschmaus zu servieren. Nebenan kann man sich an einem Imbissstand Pommes und Rostbratwurst schmecken lassen. Auf dem Wilhelmplatz trifft man sich bei André Pöppelmann und genießt Gegrilltes. Auch die benachbarte Eisbude ist umlagert. Paradiesäpfel, gebrannte Mandeln, kandierte Äpfel und Zuckerwatte lassen an weiteren Buden Kinderherzen höher schlagen. Nur wenige Schritte weiter gibt es, man erwartet es nicht anders, an einem Stand Lebkuchenherzen mit Aufschriften wie „Du bist megaklasse“ und „Du bist der Größte“. Hm, bunte Weingummis, Saure Kugeln, Lakritzschnüre, Wilhelmina Pfefferminz oder Zimtbonbons gefällig? Kein Thema, auch das gibt es auf dem Fettmarkt. Eine Tüte für 2 Euro, drei für fünf Euro! Das ist doch was für Naschkatzen, oder? Wer es denn deftiger mag, der bestellt sich beim Gang über die Promenade lieber Spezial Pommes XXL oder einen halben Meter Bratwurst.

Informationen

https://www.warendorf.de/freizeit-tourismus/maerkte-feste-highlights/fettmarkt.html

 

 

 

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