Reiseführer Münsterland
Mehr als nur einmal jährlich Rasentennis –
Auf Stippvisite in Halle
Unweit des „Balkons des Münsterlandes“ - so nennt man im Münsterland den Teutoburger Wald – liegt das Städtchen Halle, von dem niemand Notiz neben würde, sorgten nicht die Gerry-Weber-Open jedes Jahr für Schlagzeilen. Auch wenn der Glanz des weißen Sports nicht mehr der ist, der er zu Zeiten von Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf war, so pilgern noch immer einmal im Jahr Tausende nach Halle. Gar eine eigene Bahnstation wurde eingerichtet, um bequem mit der Bahn anreisen zu können. Das Fachwerkstädtchen Halle allerdings sehen die wenigsten dieser Fans des Tennissports. Und doch – es lohnt sich!

Fachwerk vom Feinsten- überall in Halle
Lang ist es her, dass die Stadt urkundlich erstmals erwähnt wurde. Das geschah im Zusammenhang eines Gebietstauschs zwischen dem Kloster Iburg und dem damaligen Bischof von Osnabrück. Vom Grundriss her gleicht das westfälische Städtchen einer Mischung aus Anger- und Straßendorf, wobei im Mittelpunkt des Ortskerns auf einer leichten Anhöhe die evangelische St. Johanniskirche steht. Umgeben ist sie von sehr ansehnlichen Fachwerkhäusern. Doch auch auf dem Weg zum Kirchplatz lädt das eine oder andere Fachwerkjuwel zum Verweilen ein.
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Ein Kreuzmahnmal erinnert an den Alten Friedhof
Auf dem Weg zum Kirchplatz kommen wir am Alten Friedhof vorbei, der 1828 eingeweiht wurde und nun längst aufgelassen ist. Eingerichtet wurde dieser Friedhof außerhalb der Stadt, da der Kirchhof der St. Johanniskirche drohte, überbelegt zu werden. Außerdem hielt man es aus hygienischen Gründen für angebracht, Bestattungen nur noch außerhalb der Stadt vorzunehmen. Heute ist der Alte Friedhof unweit des Bahnhofs Halle eine grüne Oase. Hier findet man auch einige Skulpturen zu Themen der Haller Bach-Tage. Dort, wo sich einst Lindenalleen kreuzten, steht nunmehr das Kreuz des Künstlers Johannes Schepp. Vom Friedhof aus blickt man hinüber zur Alten Post, die 1899 im Stil des Historismus erbaut wurde. Backsteinmauerwerk dient als „Zierwerk“ des mit einem Turm versehenen Gebäudes.

Fachwerk in Halle mit Sinn für das Ornamentale
Bunte Zickzackbänder
Vorbei an den Fachwerkhäusern in der Bahnhofstraße 18 – hier handelten dereinst Kaufleute mit Branntwein und betrieben auch eine kleine Destillation – und den Häusern Nr. 13 sowie 11 führt uns der Stadtbummel zum Kirchplatz. Reich verziert und farbig abgesetzt sind Knaggen und Zierbalken. Man sieht Zickzackbänder in Rot, Grün, Gelb und Blau sowie „Margeritenmotive“ in Weiß. Bei dem Haus handelt es sich um einen Neubau von 1975 an der Stelle, wo ein 1825 errichtetes Fachwerkhaus stand. Stilistisch haben sich die neuen Bauherren an die Vorlage gehalten, also auch das Schnitzwerk mit Margeritenmotiven übernommen. Heute ist hier in der Bahnhofstraße 11 ein Modehaus untergebracht.

Sehr beeindruckend ist der Gasthof Brune (Bild oben) in der Bahnhofstraße 10. Es handelt sich um ein dreischiffiges Haus mit einer sogenannten Auslucht neben dem Eingang. Bereits 1813 bestand in diesem Haus eine Schankwirtschaft, die damals der Bäckermeister Franz Brune neben seiner Bäckerei einrichtete. Weiter der Bahnhofstraße folgend gelangen wir zu zwei Ackerbürgerhäusern – Hausnummern 4 und 2. Bereits 1663 wurde das giebelständige Fachwerkhaus mit der Nr. 4 erbaut. Mit Schalbrettern versehen ist das Dachgeschoss des Hauses. Auch dieses Haus besitzt links vom Eingang eine sogenannte Auslucht. Einer der Bewohner des Hauses war ein Haller Leggemeister, der über die Qualität des in Halle gewebten Leinens wachte. Nebenan kann man zahlreiche Ziermotive am Giebel erkennen, ob nun Rosettenmotive zwischen den kleinen Fenstern oder Zierbänder.

Geschlossene Fachwerkbebauung am Kirchplatz
Ein geschlossenes Ensemble: der Kirchplatz
Auch eines der ehemaligen Torhäuser zum Kirchplatz können wir auf unserem Rundgang durch Halle entdecken. Völlig geschlossen in Fachwerkarchitektur ist das Ensemble des Kirchplatzes, an dem sich auch das Museum der Kindheits- und Jugendwerke bedeutender Künstler befindet. Untergebracht ist das Museum im ältesten Profanbau der Stadt. Der Kern dieses Bauwerks – wohl ein Speicher – stammt im Kern aus dem 13. Jahrhundert. Hier residierte einst der Kirchspielvogt. Schießscharten zur Langen Straße hin unterstreichen den Wehrcharakter des Hauses.

Auch am Kirchplatz findet man bunten Fachwerkschmuck
Dort, wo heute eine Bücherstube ihr Domizil hat, im zweigeschossigen Fachwerkhaus Kirchplatz 5, war einst die Kaufmannsfamilie Hagedorn zu Hause. Sie handelten mit Kaffee und Tabak und besaßen in der Hansestadt Bremen ein Kontor. Nebenan befindet sich eines der Torhäuser des Kirchplatzes, das, wie eine Inschrift verrät, aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt. Bewohner des Hauses „Kiskers Bogen“ waren vor allem Kleinhandwerker. Während der Nazizeit versammelte sich im Haus die örtliche Hitlerjugend. Doch angesichts der Fachwerkarchitektur sollte man nicht die im Kern aus dem 13.Jahrhundert stammende St. Johanniskirche übersehen. Es handelt sich um einen frühgotischen Sakralbau, der teilweise umgebaut und erweitert wurde.

Auf dem Kirchplatz
Einst wurde hier Hochprozentiges gebrannt
Ehe wir weiter den Kirchplatz mit seiner Fachwerkarchitektur bestaunen, verlassen wir ihn kurz und überqueren die Bundesstraße, um zum heutigen Bürgerzentrum zu gelangen. Dabei handelt es sich um die ehemalige Brennerei Kisker mit Kiskerhaus, Schinkenhaus, Destille und Remise. Das Kiskerhaus, heute Sitz der Volkshochschule, war Kontor- und Wohnhaus der Familie Kisker. Auf den zeitweiligen Handel mit Fleischwaren und Geräuchertem neben dem Brennen von Hochprozentigem verweist der Name des Schinkenhauses. Wer allerdings glaubt, in einem der Gebäude noch eine historische Destillationsanlage zu finden, der wird enttäuscht sein. Seit 1979 wird auf dem neuen Firmengelände im Gewerbegebiet, dafür gesorgt, dass der Name Kisker in aller Munde bleibt. „Unser Wacholder – Besonders mild“ lautet der Werbeslogan fürs Hochprozentige in der Flasche. Gegründet wurde das Familienunternehmen 1732 von Johann Anton Kisker. Heute hat die 7.Generation der Kisker-Familie das Sagen im Unternehmen, das sich noch immer auf das Herstellen von Korn- und Doppelkorn versteht. „Wacholder“ ist das Spitzenprodukt des Hauses, aber auch auf Cream-Liköre und Anisspirituosen versteht man sich bei Kisker. Vertrieben werden aber auch Obstbrände vom Bodensee und aus dem Elsass.36 % vol. alc. weist „Auf's Blatt Weinbrand“ auf, nur 20% vol. alc hingegen „Auf's Blatt Feiger Fratz“. Dabei geht Feigensaft mit Wodka eine harmonische Verbindung ein.

Schützentreffen dort, wo einst Hochprozentiger gebrannt wurde
Rosetten, Ranken und Geranien
Zurück geht es zum Kirchplatz, doch Moment einmal, was ist das denn für eine Skulptur vor dem Ensemble Kirchplatz? Es handelt sich um ein Denkmal, mit dem an die Opfer des NS-Regimes erinnert wird, denn „Zukunft braucht Erinnerung“. Geschaffen hat dieses Denkmal Angelika Große, die vier Stelen mit Kopfbüsten entworfen hat. Diese sind mit einer Fessel fest miteinander verschnürt.
Auf dem Kirchplatz widmen wir uns wieder dem Fachwerk, das teilweise durch Zierbalken mit farbigen Zickzack-Bändern geschmückt ist, so Haus Nr. 7. Aus der Balkeninschrift wissen wir nicht nur das Baujahr 1615, sondern auch den Namen der Bauherren. An einem anderen Haus entdecken wir den Sinnspruch: „Im Haus des Gotlosen ist der Fluch des Herren aber das Haus der Gerechten wird gesegnet.“ Aber auch buntes Schnitzwerk mit Rosetten in Weiß, Rankenwerk, gehörnten Fratzen und einem Herrn mit Krone und Federschmuck sehen wir an einer Fachwerkfassade. Zu finden ist dieser Zierrat am Haus Böckstiegel, das durch seine teilweise geschnitzte und kolorierte Renaissancefassade ein Hingucker ist. Dass es sich um Fassadismus handelt, muss man wissen, denn hinter der vorgesetzten Fassade verbirgt sich ein Neubau! Teilweise hat man vor die Fassade auch Blumenkästen mit roten Geranien gehängt, die einen schönen Kontrast zur weißen Verfachung und dem dunklen Fachwerk bilden. Mit diesem Blick auf die Fachwerkarchitektur von Halle verabschieden wir uns und sind gespannt auf weitere Entdeckungstouren in Ostwestfalen.
Informationen
Stadt Halle Westfalen
Rathaus I
Ravensberger Straße 1
33790 Halle Westfalen
http://www.hallewestfalen.de/
Wilhelm Kisker GmbH
Kiskerstr. 1
33790 Halle/Westf.
http://www.kisker-brennereien.de
auch Fabrikverkauf!
Anreise
NordWestBahn Osnabrück-Halle
NordWestBahn Münster-Gütersloh, RVM Bus 43 Gütersloh-Halle
NordWestBahn Münster-Brackwede, Brackwede-Halle
http://www.rvm-online.de/
http://www.nordwestbahn.de/
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