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Joseph Poelaert (1817-1879)

Neben seinen eklektizistischen Frühwerken, der Eglise Ste-Catherine und der Eglise Notre Dame de Laeken, ist es Poelaerts Hang zum Größenwahnsinn, der diesen Brüsseler Architekten vor allem Spott und Häme einbrachte. Die durch den Bau des kolossalen Palais de Justice aus ihrem Stadtteil verdrängten Bewohner gaben ihm den Beinamen »skieven Architek«, galt er ihnen doch als hinterhältig, bigott, schäbig und überdreht. Bis heute thront der Justizpalast am Rande der Oberstadt über das in der Unterstadt gelegene Marollen-Viertel. Deren Bewohner zählten seit jeher zu den Verarmten und Vergessenen Brüssels, die durch schrittweise Luxussanierung aus ihrem angestammten Viertel rund um den Place du Jeu de Balle/Vossenplein und die Rue Haute, in der noch das Wohnhaus der bekannnten Malerfamilie Brueghel zu finden ist, verdrängt werden sollen.

Die schnurgerade Avenue de la Reine führt direkt auf die neogotische Eglise Notre Dame de Laeken zu, die als königliche Grabkirche und in Erinnerung der früh verstorbenen, im Volk sehr beliebten ersten belgischen Königin Louise Marie von Frankreich (1812-1850) nach Poelaerts Ideen erbaut wurde. Man begann 1854 mit dem Bau dieser Kirche, in deren Krypta seither alle belgischen Monarchen, auch der beliebte König Baudouin (+ 1993), bestattet wurden. Erst Jahrzehnte nach Poelaerts Tod und unter Mithilfe anderer Architektenentwürfe wurde Notre Dame de Laeken 1908 vollendet. Poelaert, der sich geistig verwirrt das Leben nahm, wurde auf dem Friedhof  der Liebfrauenkirche von Laeken, der 1784 außerhalb der Stadt angelegt worden war, beigesetzt. Hier ruhen im übrigen eine Vielzahl begüterter Brüsseler, die sich durch namhafte belgische Bildhauer des späten 18. und frühen 19. Jhs. wie Ernest Salu und August Fraikin beeindruckende Grabmäler fertigen ließen. Der Tod Poelaerts, so sagt der Volksmund, soll übrigens das Werk einer Hexe aus dem Marollen-Viertel gewesen sein, die den Baumeister des Justizpalastes verwünscht und verhext haben soll.  Auf dem Galgenberg bedeckt seit 1883  die »Gerechtigkeit« eine Fläche von 26 000 qm. Angeklagte, Kläger und Rechtsbeistände betreten den Justizpalast, der sich - einem Mayatempel gleich - Stufe um Stufe 104 m in den Brüsseler Himmel reckt und von einer riesigen Kuppel abgeschlossen wird,  durch ein 10 m großes Eingangsportal. Ausladende Freitreppen sind von riesigen Skulpturen römischer und griechischer Gelehrter wie Cicero und Demosthenes geschmückt. Die Architektur des Palastes in seiner Gigantomanie mit 27 Gerichtssälen und acht Innenhöfen sowie einer Eingangshalle, in denen der Mensch zum Beiwerk versteinerter Ideen wird, ist eine Mischung aus Byzantinischem und Anleihen aus der antiken Klassik. Poelaert konnte die Vollendung seines Werkes nicht mehr miterleben, da er sich Jahre vor der feierlichen Eröffnung das Leben nahm.

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