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Constantin-Meunier-Museum Brüssel
Bergleute, Dockarbeiter und ...

Obgleich dieses Museum Teil des Königlichen Museums der Schönen Künste auf dem Kunstberg ist, ist es weitgehend unbekannt. Unweit der ehemaligen Klosteranlage Ter Kameren, wo seit Generationen bildende Künstler ausgebildet werden, befindet sich das ehemalige Atelierwohnhaus des wohl bekanntesten belgischen sozialen Realisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Der Bestand des Hauses umfasst 759 Werke, darunter 211 Skulpturen. Etwa 150 Arbeiten werden ständig präsentiert.


Industrielandschaft von Charleroi foto:fdp

Begonnen hat die künstlerische Karriere des in Brüssel (Etterbeek) geborenen Meunier mit einer Ausbildung als Bildhauer im Alter von 14 Jahren. Zu seinen damaligen Lehrern zählte der bekannte belgische Bildhauer Charles Fraikin. Besonders Jean François Millet und Gustave Courbet, dessen „Steinklopfer“ auf dem Brüsseler Salon für Aufsehen sorgte, beeinflussten den weiteren künstlerischen Werdegang Meuniers. Neben seinen bildhauerischen Arbeiten malte und zeichnete Meunier seit 1875 vornehmlich die Bergleute und Arbeiter der Borinage, dem damals boomenden wirtschaftlichen Zentrum im Süden Belgiens.

Schmied, Schnitter, Hüttenarbeiter
Seine bekannten Bronzen wie der „Schnitter“, der „Hafenarbeiter“, der „Hüttenarbeiter“ und der „Schmied“ finden sich nicht nur in der Museumssammlung, sondern auch im öffentlichen Raum. Man denke nur an die monumentalen Plastiken vor der ehemaligen Orangerie des alten Botanischen Gartens in Brüssel.

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Der Schmied foto:fdp

Seine Darstellung der schwer arbeitenden Kumpel im Süden Belgiens oder der Bauern ist fern jeden Pathos und jeder Überhöhung. Wer den von Meunier gemalten und gezeichneten heimkehrenden Bergleuten ins Gesicht schaut, verspürt das Elend, die Verzweiflung und Ausweglosigkeit. Ausgiebig hatte sich Meunier auf einer gemeinsamen Reise mit Camille Lemonnier und Daniel de Groux im Industrierevier Belgiens mit dem Alltag der einfachen Leute befasst, hatte den Glasbläsern von Val-Saint-Lambert bei der Arbeit ebenso zugeschaut wie den schwer schuftenden Antwerpener Hafenarbeitern und den Arbeitern in den Ziegeleien von Boom.

Seit 1896 konzentrierte sich Meunier in seinem Schaffen mehr und mehr auf die Kumpel der Zechen im belgischen Süden. Zugleich gelang Meunier damals auch der internationale Durchbruch, vor allem dank der Präsentation seiner durchaus sozialkritischen Arbeiten in Siegfried Bings Pariser Galerie „L'art nouveau“. Aufgrund dieses Erfolges war der Künstler in der Lage, sich sein im Stil des Eklektizismus gestaltetes Atelierhaus erbauen zu lassen, wo er bis zum seinem Tod im Jahr 1905 lebte.


Die Ährenleserinnen foto:fdp

In Meuniers Atelier
Neben dem Atelier mit den lebensgroßen Abgüssen und großformatigen Gemälden sind auch das Wohn- und Esszimmer sowie der lange Flur zum Atelier für die Besucher zugänglich. Zu sehen sind Kohlezeichnungen wie auch Kreidearbeiten, aber auch Skulpturen wie das „Monument für Emil Zola“. Bis auf den Gang, der vornehmlich die Zeichnungen Meuniers aufnimmt, zeigt man im übrigen Haus Ölgemälde sowie kleine und lebensgroße Bronzeplastiken, so auch die Darstellung einer trauernden Frau, die sich über ihren toten Geliebten beugt. Dichtbei entdeckt man das tonig gehaltene Gemälde „Der geborstene Schmelztiegel“: Einige Hüttenarbeiter machen sich im Schein des Hochofenfeuers am Ofen zu schaffen – eine schweißtreibende Arbeit. Selbstbewusst, die Hände in die Hüfte gestemmt, so stellt sich der lebensgroße bronzene „Hafenarbeiter“ dem Besucher in den Weg. Bleich und eingefallen sind die Gesichter der heimkehrenden Bergleute, die Meunier in einem Ölgemälde festgehalten hat: Mit schwerem Schritt, den Henkelmann in der Hand und das Werkzeug geschultert, ziehen sie an rauchenden Schloten und an den Abraumhalden vorbei nach Hause.


Monument der Arbeit: Das Bergwerk foto:fdp

Meuniers sensiblen Umgang mit menschlichen Regungen erkennt man nicht nur in derartigen szenischen Darstellungen, sondern auch in seinen Bronzen wie „Der Schmerz“: Geneigt ist der Kopf der Trauernden, der Blick ist gesenkt und leer, die Hände haben sich in die Falten des Kleides versteckt. Beeindruckend ist außerdem die Büste einer Minenarbeiterin, die 1896 entstand. Als hätte Cézanne Anweisungen für die Farbnuancierungen und den Pinselschlag erteilt, so erscheint das Gemälde „Die Dächer der Bergarbeitersiedlung“: Unter grauem Himmel dominiert das Rot der Dächer, auf die hier und da der Regen niedergeht. Oberhalb der Siedlung scheinen einige Kumpel ins Gespräch vertieft.

Während Rodin Honoré de Balzac lebensgroß modellierte– zu sehen im Park Middelheim (Antwerpen) –, schuf Meunier eine Kleinplastik eines anderen französischen Schriftstellers, von Emile Zola (1904), der in seinem Roman „Germinal“ den Alltag der Bergleute Nordfrankreichs beschreibt. Zugleich ist Meunier auch ein Modell für das Denkmal für Zola (1905) zu verdanken, das gleichfalls zum Bestand des Museums gehört. Meuniers Zola erscheint als ein vornehmer Herr im adretten Anzug und langen Mantel, distinguiert und so gar nicht dandyhaft und exaltiert wie Rodins Balzac.

Keine Helden der Arbeit
Die Bronzen „Schnitter“ und „Schmied“ zeigen keine Helden der Arbeit und auch keine „arischen Athleten“, denen Meunier ein Denkmal setzte, sondern kräftig gebaute Männergestalten, die körperlich schwere Arbeit zu bewältigen haben. Dass die Arbeit nur bedingt mechanisiert und vor allem auf körperliche Arbeit beschränkt war, unterstreicht das Gemälde „Hafen“ (1886): Auf den Schultern schleppen Arbeiter das Stückgut auf schwankenden Planken von den Frachtschiffen.


Eine Frau aus dem Volk (1893) foto:fdp

Dass nicht nur die lebensgroßen Plastiken, sondern auch die kleinschaligen in ihrem Ausdruck bestechend sind, unterstreicht „Die Tränke“: Ein Reiter, der ohne Sattel auf dem Rücken des Pferdes sitzt und sich an dessen Mähne festhält, führt seinen Gaul zur Tränke. Doch derartige Sujets sind eher die Seltenheit, konzentriert sich Meunier doch auf die Industrie- und Minenarbeiter, die er malte und modellierte, so auch für das Relief „Die Industrie“. Dieses Relief ist Teil des mehrteiligen „Monuments der Arbeit“, zu dem auch „Die Ernte“ und „Das Bergwerk“ gehören. Die Industrielandschaft von Charleroi – die rauchenden Schlote, die die Silhouette der Stadt bestimmen – hat Meunier ebenso dokumentiert wie in einer Zeichnung den „Garnelenfischer von Oostduinkerke“ und in einem Ölgemälde die Frauen beim Lesen der Ähren. (text und fotos: ferdinand dupuis-panther)

Constantin-Meunier-Museum
Abdijstraat 59
1050 Brussel/Elsene
Tel 0032/(0)2/648 44 49
info@fine-arts-museum.be
http://www.fine-arts-museum.be
http://www.fine-arts-museum.be/site/EN/frames/F_meunier.html
Öffnungszeiten Di-Fr 10-12 und 13-17 Uhr
Eintritt frei

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