Reiseführer Nordzypern
Nitovikla
Die spärlichen Überreste der Festungsanlage sind erst ein Mal und dann auch nur für drei Wochen unter die Lupe genommen worden. Das liegt schon länger zurück: 1929 war es, als die Swedish Cyprus Expedition ihre schon legendären Forschungen auf Zypern betrieb. Nicht weniger als achtzehn archäologische Stätten wurden damals entdeckt oder zum ersten Mal systematisch untersucht. Das Ausgrabungsteam in Nitovikla stand unter der Leitung des gerade erst 26jährigen Erik Sjöqvist. Man kampierte am Strand unterhalb der Ausgrabungsstätte, deutete Schichten, analysierte Fundstücke, trug an die 11.000 Scherben zusammen, die in 150 Kisten verstaut wurden und rätselte ausgiebig über die Chronologie und Funktion des Ortes.
Eine Fluchtburg?
Die
Größe der Anlage rief Erstaunen hervor. Immerhin
erreicht das umwallte Areal eine Breite von etwa 400 m und eine
Tiefe von 100 bis zu 200 m. Es zieht sich parallel zur kaum hundert
Meter entfernten Küstenlinie über einen Felsabsatz, der
vielleicht 25 m über dem Meer liegt. In seiner Südwestecke,
dem höchsten Punkt im Gelände, lag das Fort. Seine zeichnerische
Rekonstruktion zeigt einen starken, gedrungenen Bau von 40 x 35
m Ausdehnung mit Wachtürmen an drei Ecken, einem massiv gesicherten,
nur 2 m breiten Eingang, der in einen weiträumigen Innenhof
führte. Ein Altar war hier aufgerichtet, es existierte eine
Feuerstelle und eine Zisterne lag innerhalb der über 5 m langen,
tunnelartigen Eingangspassage. Im Hofinnern, angelehnt an die Umfassungsmauer,
hatte man Unterkünfte und Stauräume errichtet. Die Mauern
mit einem gewaltigen Durchmesser von 2 bis 5 m waren ohne Mörtel
aus Bruchsteinen errichtet worden, nur die äußeren Ecken
der Türme hatte man aus sorgfältig bearbeiteten Quadersteinen
gefügt.
Archäologen sehen in der Anlage eine Fluchtburg für die
Bevölkerung benachbarter Ortschaften für den Fall einer
Invasion feindlicher Kräfte. Das würde auch die ungewöhnlichen
Dimensionen der Gesamtanlage erklären, ihre großen,
weiten Flächen, die vermutlich nicht bebaut waren. Für
diese These spricht noch eine weitere Beobachtung: Im südöstlichen
Gelände wurde eine ungewöhnlich kleine Nekropole untersucht
mit nicht mehr als fünfzehn Gräbern, alle armselig ausgestattet
und offenbar die letzte Ruhestätte von Soldaten und hier verstorbenen
Flüchtlingen.
Offene Fragen
Nach
neuerer Einschätzung entstand Nitovikla um 1500 v. Chr.
in der Epoche der Späten Bronzezeit. Gegen 1400 v. Chr. wurde
die Anlage zerstört. Man denkt an Piraten als Täter und
verwirft damit die These vom Überfall der ägyptischen
Hyksos oder anderer Völkerschaften. Nitovikla wurde wiederaufgebaut
und endgültig wohl gegen Mitte des 14. vorchristlichen Jahrhunderts
aufgegeben, ohne dass es dabei zu kriegerischen Verwicklungen gekommen
war. Nicht alle, die mit dem Thema vertraut sind, teilen diese
Einschätzung.
Auch die Vermutung, die Anlage sei mit Hilfe syrischer "Architekten"
entstanden, ist nicht gesichert. Nicht ausschließen lässt
sich, dass die Verteidigungsanlage nicht nur gegen Fremde, die übers
Meer kamen, schützen sollte, sondern auch gegen Inselbewohner,
die mit Schiffen die Region attackierten. Diente Nitovikla auch
dem Schutz der wichtigen Handelsroute nach Ugarit an der syrischen
Küste? Versuchte man sich gegen Invasionen der ägyptischen
Pharaonen und der Hethiter zu wappnen?
So etwas wie eine partielle "Nachnutzung" hat es, wie die Funde belegen, in späterer Zeit gegeben. So war die Zisterne in hellenistischer Zeit noch oder wieder in Gebrauch und der Zugang zum Fort zeigt Spuren gleich mehrerer Epochen, von der ausgehenden Bronzezeit über die archaische bis zur hellenistischen Periode.
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