Ungarn im Überblick
Von den Werbeslogans her müssen sich Ungarns Tourismusmanager eigentlich nicht allzuviel Gedanken machen, ist das Land der Magyaren doch mit reichlich Klischees besetzt. Dafür hat ein Kinoerfolg wie "Ich denke oft an Piroschka" gesorgt, Zarah Leander sang "Von der Puszta will ich träumen...", Ziehbrunnen kommen einem in den Sinn, Pferdehirten und -herden, bunteste Folklore und Zigeunermusik. Und dann wären da noch Paprika und Gulasch, natürlich die Gänse - Ungarn ist Gänseleber-Exporteur Nr. eins in der Welt -, berühmte Tropfen wie der Rotwein "Erlauer Stierblut" und selbstverständlich die Metropole Budapest.

Gyula - auch für sein Thermalbad bekannt
Die 1,886 Mio. Einwohner zählende an der Donau trägt nach wie vor den Beinamen "Paris des Ostens". Ungarn galt noch zu Ostblock-Zeiten als am meisten westlich orientierter Warschauer Pakt-Staat, insofern war der Tourismus insbesondere nach Budapest damals bereits lebhaft. Die Stadt ist tatsächlich ausserordentlich sehenswert. Auf Budaer Seite rechts der Donau befindet sich das historische Zentrum, die Burg, das Burgviertel, die Matthiaskirche und die Fischerbastei; die Budaer Burg zählt ebenso wie das Stadtpanorama am Donauufer zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ein weiterer Blickfang ist der Gellértberg mit Zitadelle, von den Österreichern nach der Niederschlagung des ungarischen Freiheitskampfes 1848/49 errichtet, der Freiheitsstatue von 1947 und dem St.Gellért-Denkmal. Den Rotarmisten auf dem Denkmalsockel hat man 1992 entfernt, er wanderte wie fast alle anderen Monumente der KP-Ära in den Statuenpark von Budatétíny (es blieb allein, gegenüber der US-Botschaft, das sowjetische Ehrenmal am Szabadság tér, weil darunter russische Soldaten bestattet sind).
So wie in Wien und Prag spiegeln auch zahlreiche in Pest die Zeit der Habsburger Monarchie wider. Es gibt grosszügige Ringstrassen, dem Parlament sieht man das Vorbild Westminster in London an, imposante Brücken überqueren die Donau, geschäftige Einkaufsstrassen verlaufen durch die Stadt, Kaffeehäuser wie das "Café New York" und das "Gerbeaud" haben eine lange Tradition. Alle wichtigen kulturellen Institutionen sind in Budapest beheimatet und zusätzliches Plus der Stadt sind die 80 Thermalquellen, die 20 Heil- und Freibäder speisen. Unvergesslich ein Aufenthalt im Gellért Gyógyfürdö, dem Grand Hotel Gellért angeschlossen, den Thermalbädern der Margareteninsel (Margitsziget) in der Donau oder dem neobarocken Széchenyi-Bad.
Etwas außerhalb liegt der Hösek tere, der monumentale Heldenplatz, an den sich das Stadtwäldchen (Városliget) anschliesst. Dort findet man den Vergnügungspark (Vidám Park) samt hölzerner Achterbahn, historisierende Bauwerke und das berühmte Restaurant Gundel. Abgesehen von der antiquierten Achterbahn kann man in Budapest auch sonst auf ungewöhnliche Weise reisen: Die U-Bahn ist die älteste Europas, zum Burgviertel verkehrt eine Standseilbahn, zum Széchenyi-Berg eine Zahnradbahn, auf den Jánoshegy der Sessellift und die Kindereisenbahn, ehemals Pionier-Eisenbahn, führt durch die Budaer Berge.

Segelwetter am Plattensee
Nicht weit ist's von der Hauptstadt hinauf zum Donauknie, wohin man auch per Schiff reisen kann. Szentendre hat den Beinamen "Künstlerkleinstadt", über dem malerischen Visegrád thront die Ruine der Hochburg, und Esztergom, erster ungarischer Königssitz und Zentrum der Katholiken, besitzt in der größten Basilika des Landes sein herausragendes Bauwerk.
Budapest hin, Donauknie her, das Zentrum des Tourismus ist der , der Plattensee, mit fast 600 qkm Wasserfläche der größte Süßwassersee West- und Mitteleuropas. Die Wassertemperaturen dort betragen im Sommer zwischen 21 und 27 Grad Celsius. Entsprechend ist von Mitte Juni bis Ende September der Andrang: Um ein Ferienquartier sollte man sich beizeiten kümmern. Auf der Südseite fallen die Sandstrände sehr flach ab, insofern ein geeignetes Terrain für Familienurlaub. Der Massentourismus hat die Szenerie verändert: Beschaulich sind nach wie vor die Halbinsel Tihany samt Abteikirche und die Barockstadt Veszprém unweit des Sees, Balatonfüred dagegen gilt als eine Art "magyarisches Ibiza" und auch in Siófok, der grössten Stadt am Südufer, bestimmen Discos, Bars und "Erotik-Shows" das Bild.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die Schätze der Natur, auf die das Land stolz ist; neun Nationalparks, 37 Landschaftsschutzgebiete und 145 Naturschutzgebiete lassen sich anführen. Zum Weltnaturerbe zählen das Höhlensystem von Aggtelek im Grenzgebiet zur Slowakei und der Nationalpark Hortobágy, der Zentrum der Alföld genannten Großen Tiefebene ist, einer Steppenlandschaft, in der für Touristengruppen Pußtaromantik inszeniert wird.

Das Schloss von Fertod
Die Gegend westlich der Donau heisst Transdanubien, dort liegt weit im mit Pécs eine der schönsten Städte des Landes, bekannt für ihr mediterranes Flair. An die Zeit der türkischen Besatzung erinnern in Pécs Moscheen, darunter die einzige im Land erhaltene mit einem Minarett. Nahe der Grenze zu Österreich findet man Györ, dessen Altstadt sehenswert ist, Sopron mit 250 denkmalgeschützten Bauten und die Bischofsstadt Szombathely. 20 Kilometer von Györ entfernt liegt Pannonhalma, die berühmte Erzabtei der Benediktiner, wie das Dorf Holókö Teil des Weltkulturerbes.
Dass Ungarn im Bestreben, Urlauber zu gewinnen, eine reiche Historie, vielfältige Kultur (man denke an Franz Liszt und Béla Bartok, an Operettenhäuser und Volksmusik) und die Reize der Natur einsetzen kann, ist das Eine. Ebenso beliebt ist die Küche des Landes. Hinter der Bezeichnungf Gulyás verbirgt sich allerdings die Gulaschsuppe, das Nationalgericht Kesselgulasch heisst Pörkött. Paprikahuhn in Rahmsoße mit Nockerln, Krautwickel, Fischsuppe, Süsswasserfische, Gänseleber und allerlei Nachspeisen wie Palatschinken Marke "Gundel", Strudel, Kastanienpüree und diverse Mehlspeisen sind andere Köstlichkeiten. Das Land produziert jährlich 4.2 Mio. Hektoliter , bekannt wie das erwähnte "Erlauer Stierblut" ist der Tokajer.
Ungarn offeriert über Sehenswürdigkeiten und Erholung hinaus unterschiedlichste Formen des Tourismus: Dorfurlaub ist ebenso ein Thema wie Heilkuren (Héviz besitzt den grössten europäischen Thermalsee); man kann in Schloßhotels und Herrenhäusern übernachten; im Mittelpunkt des Aktivurlaubs stehen vor allem Reitferien, ausserdem sind Angeln, und Wanderungen möglich.
Für Deutsche mögen die Ortsnamen eine Art Zungenbrecher bedeuten - Ungarisch gehört zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie und ähnelt insofern der finnischen Sprache (eine Folge der Völkerwanderung). Man sollte also vorab ruhig schon einmal etwas üben: Székesfehérvár, zu deutschen Zeiten noch Stuhlweissenburg genannt, spricht sich: "Schekesfehärwor" aus, Szombathely lautet "Schombatthei" und Veszprém "Wäschschprämm".
Werner Skrentny
Fotos: © Ungarisches Tourismusamt
Mehr zu Ungarn
Reportagen
- Kunstvolle und kuriose Architektur-Attraktionen in Budapest
- Durch die Budapester Josefstadt
- Budapest. Perle an der Donau im Advent
- Entdeckungen im Süden Ungarns
- Villány: Ein Gläschen Wein in der Kirche
- Zala: Jenseits von Paprika und Puszta
- Puszta, Post und Paprika. Mit dem Fahrrad um den Theiß-See in Ungarn
- Urlaub am Nordufer des Balaton
- Heiße Quellen und guter Wein. Heviz betet mehr als sein Seebad