In den Ruinen eines Weltwunders

Zu Besuch im türkischen Bodrum, dem antiken Halikarnassos

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Türkei - Bodrum

Bodrum gilt bei Touristen als „Saint-Tropez der Türkei“. Früher stand hier das Mausoleion, eines der sieben Weltwunder der Antike. Heute locken Discos, falsche Levis und bunte Gemüsemärkte.

Berührungsängste darf man hier keine haben! In einem Dolmus (Foto unten), einer Art Sammeltaxi eingepfercht, fahre ich von einem Vorort aus hinein nach Bodrum, einstmals das kleinasiatische Halikarnassos. Dolmus heißt voll, und dieser Peugeot-Kleinbus hier fährt auch erst ab, wenn er voll ist. Fahrpläne gibt es deshalb nicht. Gehäkelte Spitzen und ein blaues, gläsernes Amulett, das ein Auge symbolisiert, baumeln von der Windschutzscheibe herab. Die Ablage schützt etwas, das aussieht wie ein weinroter Badezimmerteppich aus den fünfziger Jahren.

Bodrum

Auf zum Gemüsemarkt

Der Dolmus fährt und fährt. Inzwischen ist allerdings die Anzahl der Fahrgäste auf 21 angestiegen, zwei Frauen kauern neben der Tür und sammeln das Fahrgeld der Passagiere ein, wechseln auch gegebenenfalls und reichen das Retourgeld an den Betreffenden weiter. Türkische Lira natürlich. „Müsait yerde!“ schreit plötzlich eine der beiden, auf deutsch hieße das etwa: „Am geeigneten Platz!“ Der Fahrer bremst, sie steigt aus. Einsteigen ist übrigens genauso einfach: man stoppt den Dolmus per Handzeichen und auf geht`s.

Ich fahre mit bis zur Endstation Busbahnhof an der Cevat Sakir, wo es auch eine Markthalle gibt. Freitags ist dort Gemüsemarkt: leuchtend rote Tomaten, frische, weißliche Knoblauchzwiebeln, goldgelber Honig, zwölf verschiedene Sorten Oliven in Farben von schwarz über violett bis grün lassen mir im Farbenrausch die Augen überquellen.

Türkei Bodrum Schwämme

Weiter die Einkaufsmeile entlang begegnet er mir überall: der Boncuk, das komische, stilisierte Auge, das ich schon im Dolmus bewundert habe. Es gibt ihn von Miniaturformat bis Handtellergroß und er schützt vor dem „bösen Blick“. Weiter vorne die Stände der Schwammtaucher (Foto links) aus Yalikavak. Aus Hauseingängen treten schnieke Jungs hervor, die mir unbedingt das wirklich echte Parfüm zum Vorzugspreis verkaufen wollen. Andere sind ehrlicher und haben an ihren Ständen ein Schild angebracht „Faked watches“. Es gibt Silberschmuck, Teppiche, Strandfummel, „Designer“-Klamotten und immer wieder Boncuks.

In den kleinen Bars und Tavernen die Strandpromenade entlang lässt es sich herrlich am Meer rasten bei einem Glas Ayran (Joghurt mit Salz und Wasser verdünnt) oder einem Efes-Pilsen. Dazu eine der herrlichen Mezeler-Häppchen der türkischen Küche, zum Beispiel ein Börek (Blätterteig, gefüllt mit Hackfleisch, Schafskäse oder ähnlichem) oder eine der vielfältigen Joghurt-Variationen, kalter Auberginenbrei, Kichererbsenpüree oder, oder. Eine Runde Männer am Nachbartisch trinkt ihre „Löwenmilch“, ihren Raki. Jährlich werden angeblich 60 Millionen Liter davon in der Türkei getrunken!

Türkei Bodrum Fernblick

Das Kastell St. Peter

Kinder angeln am Strand mittels einer um eine Blechdose gewickelten Nylonschnur und einem daran befestigten Stück Pide, dem türkischen Fladenbrot. Dahinter schimmert die türkisblaue Ägäis, und das Kastell St. Peter grüßt herüber.

Die Reste des 7. Weltwunders

Das Kastell St. Peter, um 1440 von den Johannitern erbaut, dient heute als das angeblich größte Unterwasser-Museum der Welt. Amphoren, eine prächtige Glassammlung, Münzen, Waffen und Reste von einigen der ältesten Schiffe der Welt wurden dem Meer entrissen und werden heute in den verschiedenen Türmen der Burg ausgestellt. Der englische Turm ist auch heute noch originalgetreu eingerichtet mit Rittertafel und Wappen der Kreuzritter. Der gruseligste Ausstellungsraum aber ist der mit einer skelettierten karischen Prinzessin, der englische Gerichtsmediziner ihr vermeintliches Aussehen wiedergaben.

Vom Mausoleion, einem der 7 Weltwunder der Antike, sind leider nur noch einige Fundamente, eingefallene Mauern und umgestürzte Säulen zu besichtigen. Die Johanniter haben nämlich das weltberühmte Monument als Steinbruch für den Aufbau des ihres Kastells benutzt. Die übrig gebliebenen Ausschmückungen, wie zum Beispiel einige Friesplatten, befinden sich im Britischen Museum in London.

Türkei Bodrum Mausoleion

Die Überreste eines Weltwunders

Eine Statue des Königs Mausaolos und eine Friesplatte konnten gerettet werden und befinden sich heute in der Burg. So muss sich der Besucher hier mit einigen Modellen, Abdrücken und Resten der Grundmauern dessen begnügen, was einst ein imposanter, über vierzig Meter hoher Bau war - mit 36 ionischen Säulen und einer Dachpyramide, darauf die überlebensgroßen Statuen von Artemisia und Mausolos mit einem Viergespann von Pferden. Mausolos, der Herrscher über Karien mit Halikarnassos, dem heutigen Bodrum, als Hauptstadt, hatte das gigantische, prunkvolle Grabmal schon zu seinen Lebzeiten in Auftrag gegeben. Nach seinem Tod ließ es seine Gattin und Schwester Artemisia vollenden. Von diesem Bau her rührt übrigens auch unser Wort „Mausoleum“.

Auf dem Disko-Schiff durch die Nacht

Aber in Bodrum interessiert man sich heutzutage eher für das Leben und für „Fun“ als für den Tod oder die Geschichte. In der Diskothek “Halikarnas“ wird bis zum Morgen durchgetanzt. Ein Disko-Schiff segelt die ganze Nacht hindurch und legt erst frühmorgens um sieben Uhr wieder am Kai an. In den Bars und Tavernen in den Gassen gibt es Nightlife vom Feinsten.

Türkei Bodrum Wohnviertel

Weiter geht es eine enge Gasse (Foto) durch ein Wohnviertel hinauf, auf der Kinder gerade Fangen spielen. Am Wegesrand liegt eine der zahlreichen Kuppelzisternen, die als Wasserspeicher auch heute noch in Betrieb sind und hier eine lange Tradition haben. Oben an der Landstraße nach Izmir schließlich befindet sich das römische Amphitheater. Von dort aus hat man einen grandiosen Blick über die Stadt und das Kastell. Das Amphitheater selbst ist nur noch in Resten erhalten. Nach griechischer Art ist es an den Hang gebaut mit ehemals Platz für 12.000 Zuschauer und Blick auf die Bühne und die schöne Bucht Bodrums im Hintergrund.

Derweil erschallt vom Minarett der Moschee der Ruf des Muezzins zum Gebet, und die Männer eilen nach dem Füßewaschen hinein. Ich setze mich ins Teehaus neben der Tepcik Camii (Moschee) und sehe unter Schatten spendenden Eukalyptusbäumen dem Treiben zu. Man sitzt an kleinen Holztischen und schlürft seinen Cay, den Tee, aus kleinen Gläsern in Tulpenform.

Türkei Bodrum Teetrinker

Teegarten in Bodrum

Der Teemann beliefert mit seinem Henkeltablett die umliegenden Büros und Geschäfte mit dem schwarzen Gebräu, das aus einem konzentrierten Aufguss besteht, der mit heißem Wasser verdünnt wird. Aber es gibt auch Oralet, ein heißes Orangengetränk, oder Elma Cayi, Apfeltee.

Diogenes war auch schon hier

Türkei Bodrum Fischrestaurant

Wem das alles nicht genug ist, der kann von Bodrum aus Ausflüge unternehmen, im Dolmus natürlich: nach Gümüslük auf der Bodrum-Halbinsel, einem kleinen Fischerdorf, das mit seinen romantischen Fischrestaurants an der Strandpromenade lockt. Der fangfrische Fisch liegt in einem Holzkasten auf Eis drapiert auf einem vorhangähnlichen Stoff. Mit Blick auf die Kanincheninsel verspeise ich meine Calamares. Ein Fischer wirft im Wasser stehend geduldig immer wieder sein Netz aus. Auch die Tische des Restaurants stehen fast im Meer (Foto), und die Wellen schwappen gefährlich nah an die Füße heran. Besichtigen kann man hier auch die Reste des antiken Myndos, im vierten Jahrhundert als westliches Gegenstück zu Halikarnassos von Mausolos gegründet. Diese Stadt hatte eine unverhältnismäßig große Stadtmauer, und deshalb riet Diogenes den Myndosern seinerzeit, die Tore stets geschlossen zu halten, sonst komme ihnen ihre Stadt abhanden.

Türkei Bodrum gegrillter Fisch

Im Dolmus, der diesmal nicht ganz so voll besetzt ist, geht es auch nach Milas, einem ursprünglichen Städtchen mit einem lebhaften Wochenmarkt. Straßenhändler mit Essständen bieten Sesamkringel, Fleischspieße oder gegrillte Fische an (Foto). An den Marktständen wird „Sextee“, Henna und roter Pfeffer feilgeboten. Schnell will mir eine etwas dickliche Mutti noch einen Schmuck andrehen: „Garantiert echt Silber und Lapislazuli!“ Als ich nicht so recht will, wird das Teil plötzlich um die Hälfte billiger. Ich schlage zu und kaufe außerdem ein paar Boncuks. „Where do you come from, my friend?“ Ich flüchte mich in ein Teehaus auf drei bis vier Cay weg von dem Treiben und von den schmalen, mit Zeltplanen überdachten Basargassen. - Dort vorne kommt ein Dolmus! Ein Schild mit der Aufschrift „Bodrum“ hängt an seiner Windschutzscheibe und ein Boncuk gegen den bösen Blick. Ich rudere mit den Armen. Der Fahrer bremst scharf ab und nimmt mich mit.

Reiseinformationen zu Bodrum

Türkisches Generalkonsulat Berlin
Heerstr.21
14052 Berlin
E-Mail: konsulat.berlin@mfa.gov.tr
http://berlin.bk.mfa.gov.tr

Türkisches Kultur- und Tourismusbüro
Baseler Str. 35-37
60329 Frankfurt
Deutschland
Tel. 0049-69-233081
Fax 0049-69-232751

 

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