Venlo

Nicht nur Kunst und Poesie erleben (1/2)

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

 

Street Art in der Nieuwstraat in Venlo, Niederlande

Street Art in der Nieuwstraat

Eigentlich ist Venlo als Grenzstadt vor allem als Einkaufsstadt bekannt. Das rührt auch von dem schon legendären Venloer Supermarkt 2Brüder her. Ja, es waren zwei Brüder, die bereits in den 1960er Jahren die Idee hatten, vor allem deutsche „Grenzgänger“ als Kunden zufrieden zu stellen. Zunächst waren es die niedrigen Preise für Kaffee und Tee, die Kunden nach Venlo lockten. Hier musste keine Steuer auf Kaffee und Tee bezahlt werden, sodass die Preise für diese Genussgüter unschlagbar waren. Heute haben die 2Brüder ein reichhaltiges Angebot, das auch Fleisch, Käse, Wild, Drogerieartikel, Wein und Gebäck umfasst. Und noch etwas fällt in Venlo auf: kleine Modeläden jenseits von Ketten wie H&M oder C&A. Außerdem kann man sich nicht allein in der Keizerstraat in zahlreichen Bars, Bistros und Kneipen verlieren. Venlo ist aber auch eine Kulturstadt, auch dank des Museums Bommel van Dam. Mehr als 1000 Kunstwerke aus der Privatsammlung von Maarten und Reina van Bommel - van Dam sind in einem digitalen Depot zu sehen. Zu den Künstlern gehören u. a. Mark Brusse, Fons Schobers, Cyril Lixenberg, Corneille, Wil Bruin, Monique Camps, Jef Diederen und Marianne van der Heijden, um nur einige Künstler namentlich aufzuführen.

Supermarkt 2Brüder – eine Institution in Venlo, Niederlande

Supermarkt 2Brüder – eine Institution in Venlo

Beginnen wir unseren Stadtbummel am Bahnhof. Hier warten drei aus Muschelkalkstein gehauene Reisende, zumeist unbeachtet von denen, die in den Bahnhof eilen, um nach Nijmegen, Maastricht oder Roermond zu reisen. Zu verdanken ist diese Kunst im öffentlichen Raum dem Bildhauer Piet Killaars. Und noch etwas springt dem umsichtigen Venlo-Besucher ins Auge: Poesie in der Bahnhofshalle und am Dach über dem Wartebereich des Busbahnhofs: „de omgeving van de mens is de mitmens“ (dt. Das Umfeld des Menschen ist der Mitmensch.)

Jocus Haan am Keulse Poort in Venlo, Niederlande

„Jocus Haan“ am Keulse Poort

Gehen wir in Richtung Innenstadt dann steht vor dem Limburgs Museum, das sich mit der Geschichte und Gegenwart der Provinz Limburg befasst, eine Skulptur mit einem filigranen Hahn. Wir befinden uns am Keulse Poort; allerdings ist das Stadttor längst verschwunden. Nun was hat es mit dem Hahn eigentlich auf sich? Es handelt sich um das Symbol der örtlichen Karnevalsgesellschaft Jocus, die in der Stadt auch ein Museum unterhält. Dieses widmet sich der Geschichte des Venloer Karnevals und ist nur nach vorheriger Anmeldung zu besuchen.

Eine Architekturikone der 1930er Jahre - die Tankstelle von Venlo, Niederlande

Eine Architekturikone der 1930er Jahre – die Tankstelle von Venlo

Über „Jocus Haan“ – so die korrekte Bezeichnung des Kunstwerks – sagte dessen künstlerischer Schöpfer Rik Van Rijswick bei der Enthüllung: “Ich habe das Gefühl und die Symbolik verstanden, die dieses Kunstwerk vermitteln sollte. Ein großer, stolzer Hahn auf einem Zepter. Eine Skulptur, die zu Jocus passt, einer Vereinigung, in der Traditionen hochgehalten werden”.

Der Quadratische Knoten, Venlo, Niederlande

Kunst im Stadtbild: Der „Quadratische Knoten“

Vor dem modernen Museumsgebäude zur Geschichte Limburgs stoßen wir auf ein architektonisches Kleinod, in dem heute ein Café untergebracht ist. Es handelt sich um die Tankstelle aus dem Jahr 1933. Charakteristisch ist das halbrunde Kiosk-Gebäude mit kleinteiliger Fensterfront mit feuerroten Rahmungen. An der Stelle, an der die Tankstelle erbaut wurde, fuhr 1893 das erste Auto der Niederlande in Richtung Parade. Bei dem Auto handelte es sich um einen Benz Patentwagen Nr.3. Und am Steuer saß der Herr Richard Freudenberg, wie wir einer Infotafel vor Ort entnehmen können. Werfen wir einen Blick auf das in einem ehemaligen Posthauptamt untergebrachte Museum Bommel van Dam so sehen wir ein Kunstwerk des japanisch-amerikanischen Künstlers Shinkichi Tajiri. Er schuf den sogenannten „Quadratischen Knoten“, der einem Seemansknoten gleicht und vertikal ausgerichtet ist. Unweit davon stoßen wir auf eine weitere Skulptur im öffentlichen Raum, bei der es sich um die legendären Gründer von Venlo handelt.

Gelehrte schmücken die Fassade des Museums Bommel van Dam, Venlo, Niederlande

Gelehrte schmücken die Fassade des Museums Bommel van Dam

Valuas und Guntrud stehen am Ort des geschleiften Keulse Poort und scheinen eine Art Wächterfiguren zu sein. Die beiden Stadtgründer wurden im Mittelalter in Form von Riesenpuppen verewigt. Bei Umzügen der Akkermansgilde durch Venlo sieht man diese Riesen gelegentlich auch heute noch. Die Bronzeskulptur wurde im Jahr 2000 von Hay Mansvelders geschaffen. Der heutige Museumsbau, in dem die Schönen Künste ihren Platz haben, wurde als Ziegelbau mit reichem Fassadenschmuck zwischen 1934 und 1941 erbaut. Als Kunst am Bau entdecken wir in Reliefform die Porträts von dem Numismatiker, Kupferstecher, Drucker und Maler Hubrecht Goltzius, von dem Kartographen Michael Mercator und von Erycius Puteranus, ein aus Venlo stammender niederländischer Humanist und Lateinprofessor. Zudem sehen wir auch ein Posthorn als Gebäudeschmuck, untrügliches Zeichen der einstigen Gebäudenutzung. Auch das einstige Hauptportal des Gebäudes ist mit reichem Bauschmuck versehen. Unter anderem sieht man ein Relief mit wohl römischen Lanzenträgern und der Inschrift Venlona.

Im Festsaal vom Hotel American, Venlo, Niederlande

Im Festsaal vom Hotel American

Ein Schmuckstück ist auch das Hotel American, wenn man das auch von außen nicht vermutet. Das 1917 gegründete Hotel verfügt über einen „Festsaal“ mit Glaskunst im Jugendstil aus den 1920er Jahren. Zugänglich ist dieser Saal allerdings nur für Hotelgäste, die hier ihr Frühstück einnehmen.

Lesende Mädchen im Julianapark sind in ihrer Lektüre vertieft, Venlo, Niederlande

Lesende Mädchen im Julianapark sind in ihrer Lektüre vertieft

Hinter dem Limburgischen Museum Venlo erstreckt sich der Julianapark, wohl einst Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung und heute eine grüne Oase, in der zahlreiche Kunstwerke zu finden sind. In unmittelbarer Nähe zum Museum steht die sogenannte Friedensflamme auf einem kreisrunden Areal und umgeben von einem Heckenkranz. Das Kunstwerk besteht aus einer Natursteinsäule, einem gläsernen Aufsatz und der Friedensflamme. Man könnte meinen, sie mahne angesichts der weltweiten Kriege zum Frieden. So kann man es auch interpretieren. Gedacht wird mit dem Mahnmal aber des Todes von René Steegmans, der 2002 von zwei jungen Leuten derart verprügelt wurde, dass er an den Folgen seiner Verletzung zu Tode kam. Er hatte sich mit den beiden Tätern angelegt, da diese mit ihrem Roller beinahe eine ältere Frau überfahren hätten.

Vertikales als Landmarke im Julianapark, Venlo, Niederlande

Vertikales als Landmarke im Julianapark

Beim Spaziergang durch den Park stoßen wir auf die Skulptur von zwei lesenden Mädchen, die miteinander zu verschmelzen scheinen, während sie in ihre Lektüre vertieft sind. Wir finden eine Art Säule, die von einer Steinaxt gespalten wird. „Bijlslag“ ist der Originaltitel der Skulptur, die den Zusatz „Verwundete Seele“ trägt. Die Gewalt, die Menschen Menschen antun, war für Cor van Noorden Anlass diese mahnende Skulptur zu schaffen. „Vertikale Säulen“ stehen als Kunst im öffentlichen Raum im Park und scheinen Landmarken zu gleichen. Unweit davon sehen wir eine Anzahl von unbehauenen Steinen nebst einem glänzend polierten: „ZWERFKEIEN KEIHARDE STILTE“ oder „Geröllstille“ lautet der Werkstitel. Wir werfen noch einen Blick auf einen sprudelnden Brunnen mit Fischköpfen und Wasser speienden Fischen, ehe wir uns dann zum Rosarienpark aufmachen. Zuvor sind wir an einer Halfpipe und einem Kinderspielplatz am Rande des Julianaparks vorbeigekommen. Im heutigen Rosarienpark befand sich einst eine Husarenkaserne. Der Teich am Rande des Parks ist ein Überbleibsel jener Zeit und diente als Pferdetränke und Waschplatz der Husaren.

Im Rosarienpark, Venlo, Niederlande

Im Rosarienpark

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Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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