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Die Seele eines Landes offenbart sich in der Musik

Musik aus aller Welt

Winfried Dulisch präsentiert

Edinburgh und Glasgow

 


Weitere Hör- und Reisetipps für Musikfreunde sind zu finden unter

Musik aus aller Welt.

 


Edinburgh ist die Hauptstadt von Schottland. Glasgow ist die größte Stadt in diesem nördlichen Teil des Vereinigten Königreichs. Die Musik spielt in beiden schottischen Metropolen.



Harfe der Königin Maria Stuart (1542-87)
National Museum of Scotland, Edinburgh

Und wo ist heute Abend was los in Glasgow? – Die besten Antworten auf diese Frage bekommt der Glasgow-Tourist im Scottish Music Center. Dieser Dachverband ist vergleichbar dem Deutschen Musikrat und fördert eigentlich das Chöre- und Laienorchester-Wesen in Schottland. Aber der Mitarbeiter am Empfangsschalter dieser nationalen Musikpflege-Institution hilft gerne bei akuten Notfällen.

„Was hören Sie lieber? Ein Kammermusik-Ensemble mit Originalklang-Instrumenten der Barockzeit? Oder Independent-Rock mit anspruchsvollen Texten?“ – Kann es auch was Folkloristisches sein? – Kein Problem. Der schottische Musik-Ratgeber kennt mindestens einen Pub in Glasgow, auf dessen Bühne heute Abend eine Session mit Folk-Musikanten stattfindet.

Hauptberuflich kümmert sich der Mitarbeiter im Scottish Music Center um das Schallarchiv. Hier lagern Schallaufzeichnungen mit Liedern und Tänzen, die von schottischen Auswanderern in die Neue Welt und später von deren Nachkommen zurück in die alte Heimat gebracht worden sind.


Vorbildliches Verhalten

Außerdem dokumentiert das Scottish Music Center in seinem Archiv die Entwicklung der schottischen Komponisten-Avantgarde. „Aber besonders stolz sind wir auf unsere Sammlung von Hooligan-Songs. Schließlich wurden die Fans der schottischen Nationalmannschaft 1992 von der UEFA für ihr vorbildliches Verhalten während der Fußball-Europameisterschaft ausgezeichnet.“

Die schottischen Fan-Gesänge werden von Fußball-Connaisseuren höher bewertet als das künstlerisch ebenfalls anspruchsvolle Gegröle der englischen und irischen Stadion-Besucher. Kein Wunder bei der langen Fußball-Tradition der Schotten. Die Scottish Football Association wurde 1873 gegründet, nur der englische Fußballverband ist älter.


Schrei vor Glück

Die ganz große Kicker-Oper wird jedes Jahr im Hampden Park Stadion aufgeführt: das Pokalfinale. Dann wird in dieser guten Stube der schottischen Balltreterei 90 Minuten lang – vielleicht sogar plus Verlängerung und Elfmeterschießen – ein musikalisches Feuerwerk abgebrannt, das weit über dem Niveau von „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ liegt. Wer kein Endspiel-Ticket bekommen hat, kann sich nach einem Rundgang durch die Stadion-Katakomben eine Kopie des ältesten noch erhaltenen Fußball-Pokals der Welt ausleihen und lauthals schreien vor Glück.



Intimer als im Hampden Park, aber ebenso ausgelassen fröhlich ist die Atmosphäre im Sloans. Keine zwei Minuten entfernt von der Glasgow Central Railway Station scheint hier die Zeit vor mindestens einem Jahrhundert stehen geblieben zu sein – und bewegt sich gleichzeitig mit temperamentvollen Tanzschritten vorwärts.

Der Tanzschuppen steht hier seit 1702. Noch in den Sixties trafen sich in einem Hinterzimmer des Sloan die heimlich Liebenden. Heute kommen die Stiletto-Girls und Schottenrock-Träger nur noch, um zu tanzen. Beim Anblick der wilden Hüpfer glaubt der ortsfremde Besucher, auf einer Heavymetal-Party oder einem Rock’n’Roll-Dancefloor gelandet zu sein.



Aber die Tanzwut wird hier befeuert von Fiddle, Gitarre, Harmonika und vor allem von einer Bodran-Handtrommel. Ein singender Zeremonienmeister gibt dazu seine Anweisungen. Kein Tanzmuffel steht hier lange unbehelligt am Rand. Spätestens wenn die vierte oder fünfte Welle vorbeigerollt kommt, wird der Besucher mitgerissen. Denn die Menschen in Glasgow – die so genannten Glaswegians – sind bekannt für ihre Gastfreundlichkeit.

Den Einwohnern des knapp eine Autostunde entfernten Edinburgh wird dagegen nachgesagt, sie seien zurückhaltender, vielleicht sogar ein wenig britisch cool. Dabei werden die Schotten doch erst seit 1707 von London aus regiert. Und seit 1999 steht in Edinburgh sogar ein modernes Parlamentsgebäude, das die immer wieder beschworene Unabhängigkeit Schottlands dokumentiert. Entsprechend distinguierter als in Glasgow ist das allgemeine Tempo in den Straßen der schottischen Hauptstadt.

Die Stadt profiliert sich als Bühne für zarte Zwischentöne und lädt die Musikfreunde aus aller Welt jedes Jahr im Spätsommer ein zum Edinburgh International Festival. Als ehemalige Industriestadt mausert sich Glasgow eher zu einer Nightlife-Adresse für die Weekend-Laufkundschaft. Eigentlich muss es heißen: Flugkundschaft. Mehrere Airlines bieten von Deutschland aus preiswerte Wochenend-Verbindungen nach Glasgow an.


Keltische Verbindungen

Als wichtigste musikalische Veranstaltungsreihe in Glasgow findet jedes Jahr im Januar das Festival „Celtic Connections“ statt. Die Organisatoren dieses Pflichttermins im weltweiten Folklore-Kalender speisen ihr Publikum keineswegs mit keltisch angehauchten Nostalgie-Sounds ab. Immer wieder laden sie Musiker aus aller Welt dazu ein, gemeinsam mit einheimischen Kräften die schottischen und irischen Wurzeln der heutigen Pop-Musik auszugraben und neu zu hinterfragen.

Edinburgh ist ein Mekka für die Fans einer anderen keltischen Tradition. Im Scottish Storytelling Centre wird die Kunst des freien Erzählens bewahrt und weiterentwickelt. Hier steht auch ein Storyteller-Chair, der speziell für den legendären Autor und Erzähler Duncan Williamson (1928-2007) angefertigt worden war.



„Der Stuhl hat nur eine einzige Lehne. Das genügt als Standfläche für ein Glas Whisky. Mehr benötigt ein Storyteller nicht, um seine Arbeit erledigen zu können“, erklärt Donald Smith, Direktor des schottischen Geschichtenerzähler-Zentrums. Diese nationale Kultstätte residiert an einer piekfeinen Adresse: 43-45 High Street.

Die Straße in Edinburgh ist auch bekannt als „Royal Mile“. Auf dieser königlichen Meile treffen sich in der Silvesternacht die Schotten. Und hier begrüßen sie noch ausgelassener und lautstärker als die Germans am Brandenburger Tor das Neue Jahr.


Lärmintensiv

In Glasgow ist das National Piping Centre angesiedelt. Darin bietet die Royal Scottish Academy of Music and Drama auch den lärmintensiven Studiengang “Dudelsackspielen” an. Zu den Schirmherren dieses Bildungszentrums gehört Prince Charles. – Wie bitte? Hatten die Briten das Dudelsack-Spielen im 18. Jahrhunderts nicht als terroristischen Akt geächtet und durch ein „Entwaffnungsgesetz“ (Disarming Act) verboten?

Alles nur Mythos! Diese immer wieder gern von den Schotten verbreitete Geschichte stützt sich darauf, dass 1745 nach einem Aufstand gegen die Briten fünf Pipers angeklagt und ihre Dudelsäcke vom Richter zu Kriegsgeräten erklärt wurden. Nur einer aus diesem Quintett wurde hingerichtet – und zwar nicht wegen seiner musikalischen Qualitäten, sondern wegen anderer krimineller Verfehlungen.


Schnupperkurs

Heute lässt sich der Nachwuchs von derartigen Schauergeschichten nicht mehr abschrecken. Die Dudelsack-Dozenten im National Piping Centre in Glasgow bieten ungestraft gut besuchte Anfänger-Kurse an – sogar für Ausländer. Roddy MacLeod, einer der besten Dudelsack-Solisten und Direktor dieses nationalen Dudelsackpfeifer-Zentrums in Glasgow, warnt aber vor falschen Erwartungen: „Es dauert mindestens einen Monat, bis du die benötigte Luft perfekt dosieren kannst. Nach einem Jahr wirst du vier oder fünf Melodien spielen können.“

In welchem Alter sollte man mit dem Dudelsack-Spielen beginnen? – „Wir haben bereits Schüler zwischen drei und 83 Jahren unterrichtet.“ – Und was kostet ein ordentlicher Dudelsack? – „ Knapp 1.000 Euro. Für wertvolle Stücke werden bis zum 10.000 geboten. Die Dudelsack-Stars benutzen Instrumente, die mehr als 20.000 Euro wert sind.“

Roddy MacLeod kann aber den Anfänger beruhigen: „Wir können dir für die Dauer eines Schnupperkurses ein Instrument leihweise zur Verfügung stellen. Für einen möglichst schalldichten Proberaum musst du nach deiner Rückkehr in die Heimat aber schon selbst sorgen.“





Allgemeine Informationen (deutsch)

über Edinburgh, Glasgow und Schottland
www.visitscotland.com

Englischsprachige Websites

Edinburgh www.thisisedinburgh.com
Glasgow www.peoplemakeglasgow.com

Empfehlenswerte Flugverbindungen:

  • Lufthansa fliegt ab Frankfurt direkt nach Edinburgh und Aberdeen (ab Mai auch von München nach Glasgow)

  • Easyjet fliegt ab Berlin, Hamburg und München nach Edinburgh

  • Easyjet fliegt ab Berlin nach Glasgow

  • Germanwings fliegt ab Köln/Bonn nach Edinburgh

  • KLM fliegt ab 10 deutschen Flughäfen über Amsterdam nach Edinburgh, Glasgow und Aberdeen

Hotel-Tipps

Grand Central Hotel
99 Gordon Street, Glasgow
www.thegrandcentralhotel.com

Hotel Missoni
Royal Mile, Edinburgh
www.hotelmissoni.com



Text und Fotos: Winfried Dulisch


 

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