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Die Seele eines Landes offenbart sich in der Musik

Musik aus aller Welt

Winfried Dulisch präsentiert

Musikalische Souvenirs aus Innsbruck / Tirol

 


Weitere Hör- und Reisetipps für Musikfreunde sind zu finden unter

Musik aus aller Welt.

 

Die Tiroler sind lustig, die Tiroler sind … ganz anders, als viele Musikfreunde denken. Vor allem Innsbruck, die Landeshauptstadt von Tirol, hat mehr zu bieten als Musikantenstadl-Shows und folkloristisches Schenkelklopfen.



Immer wieder neue Töne liefert seit 2012 zum Beispiel das Audioversum. Dieses Museum überrascht mit akustischen Sinnestäuschungen und führt seine Besucher in ständig wechselnden Ausstellungen bis an die Grenzen der Wahrnehmungsfähigkeit. Deshalb tragen die Audioversum-Guides auf ihren T-Shirts die Einladung: „Folgen Sie mir ins Abenteuer Hören“.

Dieser Abenteuer-Trip kann zum Beispiel mit einem Jodel-Schnellkurs beginnen. Ebenfalls ein beliebter Einstieg in das Hör-Abenteuer ist das einschmeichelnd sanfte Brummen eines Jumbo-Jets; nirgendwo sonst kann der Besucher solch ein sonores Düsentrieb-Geräusch in seiner reinsten Form genießen.


Keine fünf Minuten zu Fuß entfernt vom Audioversum steht auf einem musikhistorisch bedeutsamen Boden das heutige Kongress- und Konzerthaus. 1630 war an dieser Stelle ein Saaltheater eingeweiht worden – für die damalige Zeit das größte seiner Art in Europa. Allein schon die Erinnerung an dieses erste feste Opernhaus im deutschsprachigen Raum macht Innsbruck zu einer Top-Adresse für die Liebhaber von Musik des vorklassischen Zeitalters.

Jedes Jahr im Sommer treffen sich die Fans der Alten Musik – neudeutsch: Early Music – in der Tiroler Landeshauptstadt. Die Bläser, die bei diesem Early Music Festival auftreten, spielen auf altertümlichen Naturtrompeten und Naturhörnern – also auf Instrumenten, die nicht mit Ventilen oder Klappen ausgestattet sind. Die Streicher verwenden bewusst keine modernen Stahlsaiten, sie spielen auf Instrumenten mit lieblich klingenden Darmsaiten.


Konzertsaal im Schloss Andras

Markus Korselt, Geschäftsführer der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, zählt außerdem noch auf: „Barock-Pauken mit Naturfellen. Und natürlich Sängerinnen und Sänger, die sich auf die historische Aufführungspraxis spezialisiert haben.“

Bei diesem Festival ist das Publikum ganz nah dran an Mittelalter, Renaissance und Barock. Wenn im Juli oder August ein Harley-Biker mit wallendem Haupthaar durch Innsbruck fährt, flüstern sich die Innsbruckerinnen zu: Ist das nicht dieser charmante Countertenor, der gestern Abend im Schloss Andras gesungen hat?

Mindestens ebenso so stolz wie auf die Gastspiele der Early Music-Stars ist Markus Korselt auf diesen Teil des Festivals: „Neben den Innsbrucker Festwochen veranstalten wir auch den weltweit wichtigsten Wettbewerb für Alte Musik. 2014 nahmen 98 Sängerinnen und Sänger aus 31 Nationen teil bei unserem Cesti-Wettbewerb.“

Casting-Show

Die Casting-Show wurde benannt nach dem Komponisten Pietro Antonio Cesti (1623-1669). Innsbruck verdankt diesem Italiener, dass die Stadt in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu einem Zentrum der italienischen Oper nördlich der Alpen wurde.

Das Tiroler Volksliedwerk pflegt jene musikalischen Traditionen, deren Wurzeln auf den Bergen und in den Tälern Tirols zu finden sind. Schon seit 1905 sammelt diese Institution – ähnlich wie auch die Volksliedwerke in den anderen österreichischen Bundesländern – das Liedgut der jeweiligen Region. Im Archiv des Tiroler Volksliedwerks lagern mehr als 10.000 Tonaufnahmen.

Volksmusikforscher

Einige dieser Forschungsobjekte lieferte Prof. Dr. Thomas Nussbaumer. Seine Spezialgebiete sind die Tiroler Fas(t)nacht sowie die folkloristischen Wurzeln des Walzer-Tanzens. Außerdem forscht er über Volksmusik in der Zeit des Nationalsozialismus. „Manche Politiker missbrauchen die Volksmusik heute noch als Transportmittel für tendenziös nationalistisches Gedankengut“, hat er beobachtet. „Oder sie schauen tatenlos dabei zu, wenn Volksmusik von Volksverhetzern missbraucht wird“.

Die behutsame Arbeit von Thomas Nussbaumer wird inzwischen auch außerhalb von Tirol geschätzt. Die Old Order Amish, eine zurückgezogen lebende Religionsgemeinschaft in den USA, luden ihn ein nach Kalona, Iowa. Thomas Nussbaumer konnte dort Tonaufnahmen von ihren Gottesdienstgesängen produzieren. Nicht einmal der Musik-Ethnologe Alan Lomax, der in den 1940er Jahren die US-amerikanische Volkskultur im Auftrag der Washingtoner Library of Congress dokumentiert hatte, konnte mit einer ähnlich großen amischen Sängergruppe arbeiten.


Und wo möchte Thomas Nussbaumer am liebsten fotografiert werden? – „Treffen wir uns unter dem Goldenen Dachl.“ Für Musiker aus aller Welt ist dieser spätgotische Erker eine Kultstätte. Vor allem Chöre und Jazz-Bands bitten vor ihrem Tirol-Besuch die Innsbrucker Stadtverwaltung um die Erlaubnis, ein Ständchen intonieren zu dürfen unter den 2.657 feuervergoldeten Kupferschindeln.

Anschließend kaufen die Innsbruck-Besucher als Souvenir gerne ein Designer-Schmuckstück von Svarovski. Die Kristallglas-Schleiferei mit dem Promi-Image residiert seit 1985 vor den Toren von Innsbruck.

Kleidungsstil

Ebenfalls ein beliebtes Mitbringsel ist ein Dirndlkleid aus dem Innsbrucker Heimatwerk-Laden. Das Tiroler Heimatwerk versteht sich überhaupt nicht als Lieferant für Oktoberfest-Fashion. Seit 1934 engagiert sich diese Kunsthandwerk-Vertriebsorganisation laut Selbstverpflichtung „für einen Kleidungsstil, der einen wichtigen Beitrag leistet zur Erhaltung regionaler Identität und kultureller Vielfalt einer Region“.

Jene Musik-Liebhaber, die ein ganz besonderes Erinnerungsstück aus Innsbruck mitbringen wollen, besuchen den Shop am Eingang zur Glockengießerei Grassmayr. Der älteste noch aktive Familienbetrieb von ganz Österreich produziert Glocken aller Größen und Klangfarben. „Diese Glocke – eigentlich ist es eine Klangschale – hat ein Münchner Schlaginstrumente-Verleiher bei uns bestellt“, erklärt Peter Grassmayr, der heutige Chef der Glockengießerei.


„Seit 1599 gießen wir Glocken und andere Kunstwerke aus Bronze. Aber dieser Auftrag war eine handwerkliche Herausforderung, die wir in unserer Firmengeschichte noch nicht erlebt hatten.“ Nun wird diese Glocke – pardon: Klangschale – regelmäßig ausgeliehen an Opernhäuser, die möglichst im Sinne des Komponisten den „Parsival“ aufführen wollen.

Der Gigantomane Richard Wagner hatte in dieses Werk den Klang einer Glocke hineinkomponiert, die eigentlich 30 Tonnen schwer sein müsste. „Solch ein Monstrum würde in keinen Orchestergraben passen. Also konstruierten wir für den ‚Parsival’ eine 80 Kilogramm schwere Klangschale, sie erzielt genau diesen vom Komponisten gewünschten Effekt.“

Klangschöpfungen

Für solche pompösen Klangschöpfungen wie die Orchesterwerke eines Hector Berlioz hat die Glockengießerei Grassmayr schon ebenfalls die passenden Zutaten geliefert. Oder für das „Credo“ von Arvo Pärt. Oder für die Verdi-Oper „Nabucco“.

Die Firma Grassmayr gießt aber keine Lautsprechergehäuse mehr. „Dabei sprachen gute Argumente für dieses Material: Es hat bei 20 Grad Celcius die gleichen Klangeigenschaften wie die Knochen eines Menschen bei der gesunden Körpertemperatur von 37 Grad. Aber die Boxen aus Glockenbronze war nicht markttauglich, wir hätten dafür mindestens 20.000 Euro verlangen müssen.“

Abgehakt hat Peter Grassmayr inzwischen auch dieses Thema: „Wir wollten immer schon mal wenigstens eine Glocke für den Kölner Dom gießen. Wir bekamen bislang aber bloß den Auftrag, den Klöppel für eine Glocke zu liefern.“

Tierquäler

Produzieren Sie auch Kuhglocken? – „Selbstverständlich. Die sind überhaupt nicht teuer. Eine Kuhglocke ist eigentlich keine aufwändig gegossene Glocke, sondern eine Schelle, die aus mehreren Teilen zusammengefügt wird.“

Trotz des geringen Preises stehlen Bergwanderer immer wieder den Kühen diese Signalgeber vom Hals weg. „Das ist eine Tierquälerei“, mahnt der Glockengießer. „Wenn sich eine Kuh anschließend verirrt, findet der Bauer sie nicht wieder.“

Philharmoniker

Peter Grassmayr blättert weiter in den Auftragsbüchern: „Die Wiener Philharmoniker und das Staatsorchester vom Emirat Katar sind bei uns Stammkunden. Das Leipziger Gewandhaus benötigte für Gustav Mahlers neunte Sinfonie schon mal eine Glocke mit 46 Zentimeter Durchmesser, 38 Kilogramm, das machte 2.000 Euro.“

Geht es auch preiswerter? – „Ab und zu haben wir mal einen Fehlguss. Das ist wie ein Fehlwurf beim Hundezüchter. Solch eine Glocke klingt ebenso hochwertig wie jedes andere Produkt auf unserer Glockengießerei. Weil ihre Tonhöhe aber nicht genau mit den übrigen Instrumenten übereinstimmt, kann sie bei keinem Orchester mitspielen. Wir empfehlen diese Glocken für den Einsatz im Partykeller.“


Reise-Informationen

Allgemeine Informationen über Innsbruck

www.innsbruck.info

Hotel-Tipp: Grand Hotel Europa

Diese Adresse verbindet zwei scheinbare Widersprüche miteinander. Das angenehm ruhige und zeitlos gediegen wirkende Fünf-Sterne-Hotel liegt gleich gegenüber dem Innsbrucker Hauptbahnhof. Vor hier aus können die Oper, viele Museen und andere Sehenswürdigkeiten der Stadt zu Fuß in wenigen Minuten erreicht werden.

www.grandhoteleuropa.at

Weitere Tipps für Musikfreunde

Glockengießerei www.grassmayr.at

Tiroler Volksliedwerk www.volkslied.at

Innsbrucker Festwochen www.altemusik.at

Abenteuer Hören www.audioversum.at

CD-Tipps:

http://www.amazon.de/Alte-Musik/lm/RH1LJ8VHJDX1F



Text & Fotos: Winfried Dulisch

 

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