Wuppertal
Skulpturenpark Waldfrieden
Vitaler Rhythmus, Mann mit Fahne, Dancing Column und … - ein Besuch im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden
zurzeit
Peter Buggenhout bis 10. August 2025
Tony Cragg Caldera, 2013, Bronze
Hügelig ist das Gelände, das von zahlreichen Wegen mit unterschiedlichen Belägen durchzogen wird. Festes Schuhwerk sollte man für den Besuch vorsehen, für den man auch gut zu Fuß sein sollte. Dann steht dem Kunstvergnügen nichts mehr im Weg. Bereits links und rechts der Serpentinenzufahrt finden sich Kunstwerke, die Tony Cragg geschaffen hat, ob nun „Bulb“, „Ferryman“ oder „To the Knee“. Rund um das Café Podest stoßen wir auf weitere sehenswerte Arbeiten. Zunächst lenkt „Wild Relatives“ die Aufmerksamkeit auf sich. Muss man nicht bei dieser Arbeit von Tony Cragg an eine Gesteinsauffaltung denken oder säulenartige erkaltete Lava? Zugleich gucken uns aber Gesichter an, teilweise mit spitzer Nase. Es ist nur eine Frage, aus welchem Winkel man sich der Bronze nähert.
Vor der Villa - Heinz Mack trifft Joan Miró
Zwischen dem Café und der Villa Waldfrieden stehen wir vor dem aus Granit gearbeiteten Werk „Vitaler Rhythmus“ von Heinz Mack, einer der Künstler der legendären Gruppe „ZERO“. Wie eine stilisierte züngelnde Flamme aus Stein erscheint die Arbeit, die im Gegensatz zu anderen Arbeiten von Heinz Mack sehr massiv ausgeformt ist. Eher die Beschäftigung mit Licht und mit filigranen Skulpturen sind sonst die Felder der Kunst, mit denen sich Mack auseinandersetzt. Seine Arbeiten findet man im öffentlichen Raum u.a. die an einen Schachtelhalm formal anknüpfende Wasserplastik (1977) in Münster oder den Lichtpfeiler] (1983–1987) am Berliner Europa-Center. Im Dialog mit Mack stehen zwei Arbeiten von Joan Miró: Sie tragen die Titel „Femme“ und „Personnage“. Gestalterisch scheinen die beiden Figuren aus der Welt skurriler Comics, des DADA und des Surrealismus entsprungen zu sein. Man sieht u.a. volle Brüste einer Frau, die verkümmerte Ärmchen und einen klobigen rechteckigen Kopf hat.
Blick auf die Villa Waldfrieden
Mit Blick in die Ferne steht Thomas Schüttes überlebensgroßer „Mann mit Fahne“ auf der Rasenfläche vor der Villa. Marionette oder was? – das fragt sich der Betrachter. Oder doch ein Revoluzzer mit roter Fahne? Auf einem Hang entdecken wir unweit davon Henry Moores Sitzende. Offiziell lautet der Titel der Bronze „Draped Seated Women“. Gegenüber seinen späteren Arbeiten ist diese noch mit Zügen von Realismus versehen – man betrachte den Faltenwurf der Kleidung. Die Stilisierungen zu reinen organischen Formen und zu dem Konzept von umschlossenen Leerräumen sind spätere Entwicklungen des britischen Bildhauers.
H. Moore Draped seated Woman, 1957/58, Bronze
Übrigens, wer denn annimmt Cragg zeige im Skulpturenpark vor allem Kunst seiner bildhauernden Kollegen von den britischen Inseln, so von Barbara Hepworth, Eduardo Paolozzi, David Nash oder Amish Kapoor, der wird beim Besuch gänzlich anderes erleben, nämlich vielfältige Aspekte der Bildhauerkunst des 20. und 21. Jahrhunderts, selbstverständlich auch immer wieder Werke von Cragg.
Heinz Mack Vitaler Rhythmus, 1988, Granit
Eine Steinarbeit von Ulrich Rückriem befindet sich am Rand der ausgedehnten Rasenfläche vor der Villa. Verlassen wir dieses Areal und bewegen uns in Richtung Café, dann fällt unser Blick auf Jonathan Monks Bronze eines abgedeckten Motorrades, so jedenfalls lautet der Titel. Doch ob sich unter der Plane nicht doch ein Zündapp-Moped oder ein E-Bike befinden, können wir nicht wirklich wissen, aber eben auch nicht, ob eine Yamaha oder BMW für den „Winterschlaf“ abgedeckt wurde. Unterdessen sind wir bereits am Unteren Ausstellungsbau angekommen. Vor ihm steht eine fahrbare, funktionstüchtige Bahnhofsuhr auf Schienen. Der Titel für dieses Werk von Klaus Rinke ist sehr umfänglich und lautet „Albert Einstein! Wann hält Baden-Baden an diesem Zug?“ Nur was hat Einstein mit der Bahnhofsuhr und mit Baden-Baden zu tun?
Jonathan Monk Covered Motorbike. 2013, Bronze
Nur wenige Schritte sind es vom mittleren Ausstellungsbau bis zur „Tanzenden Säule“ aus Sandstein. Hat Cragg nicht mit der Säule auch eine Ansammlung von übereinander stehenden Menschen mit breitkrempigen Hüten geschaffen, also einen „Menschenturm“, wenn man so will? Und ganz unten, gleichsam als Fundament, ist ein kleiner Dicker zu sehen – oder doch nicht. Giftig grün ist der „Trashstone 533“ aus Polyester und Fiberglas, den Wilhelm Mundt erdacht und ausgeformt hat. Mit viel Fantasie kann man in dem „Abfallstein“ obendrein eine unreife, überdimensionierte Kaktusfeige erkennen.
Wilhelm Mundt Trashstone 533, 2011.Abfall, Polyester, Fiberglas
Ein wenig erinnert die Skulptur an eine ähnliche Arbeit des Wiener Künstlers Franz West, die sich in der Sammlung von Park Middelheim befindet. „Freie Form“ ist der Titel der Arbeit von West, die formale Ähnlichkeiten mit Mundts „Abfallstein“ hat. Edelstahl verwendete der britische Künstler Richard Deacon für seine „geometrische Konstruktion“. Dieser gab er den Namen „Artemis“. Aus der griechischen Mythologie kennen wir diese Dame als Göttin der Jagd. Doch das Edelstahlgerüst unter anderem mit einem Drachenmodul lässt den Bezug zur griechischen Antike kaum aufkommen.
Eva Hild Wave 2017, Aluminium
Eva Hild formte aus Aluminium eine ganz eigenwillige weiße Welle, die so in der Natur nicht vorkommen kann, es sei denn bestimmte Strömungen verursachen Wellenversetzungen. Geht man auf die nächste Skulptur zu, so denkt man unwillkürlich an die Formen ohne Rundungen und Plastizität, wie sie Alberto Giacometti einst schuf. Doch es ist der dänische Künstler Per Kirkeby der eine flache, scheibenförmige „Figur“ aus Bronze erschuf. Einsam steht er da: Paris, Sohn des trojanischen Königs Priamos und der Hekabe, Bruder des Hektor und der Kassandra. Er war es, der Helena entführte und damit den Trojanischen Krieg auslöste. In der Adaptation durch Markus Lüpertz ist der antike Held ein Torso gänzlich fern der Formensprache antiker Skulpturen.
Per Kirkeby Figur, 1983, Bronze
Aus Cortenstahl und Bronze gestaltete Andreas Schmitten eine ausgehöhlte Stele mit Kopf für einen Standort nahe der oberen Ausstellungshalle. In die Welt der Mythen entführt uns Bernhard Luginbühl mit seinem langhalsigen Pegasus, bei dem man zwar die Flügel erkennen kann, aber die Gestaltung ganz fern von einem fliegenden Pferd. Pegasus oder Pegasos war das Kind des Meeresgottes Poseidon und der Gorgone Medusa. Die Überlieferungen über seine Geburt variieren: Eine Version berichtet, er sei aus Medusas Nacken entsprungen, als diese von Perseus geköpft wurde.
Bernhard Luginbül Pegasus 1967, Eisen
Auf dem weiteren Rundweg sehen wir neben „Caldera“ noch „Migrant“ von Tony Cragg, ehe wir auf ein riesiges rotes „Schachtelhalmgebilde“ stoßen, das Bogomir Ecker verantwortet. Durch das Dickicht sehen wir des weiteren eine Figur, die uns ihr Hinterteil entgegenstreckt – jedenfalls aus unserer Laufrichtung. Erwin Wurm ist der Name des Schöpfers von „Big Psycho 10“, eine Arbeit aus Messing. Damit beenden wir unsere Skulpturenexkursion. Wiederkommen ist angesagt, oder?
Tony Cragg Stroke, 2014, Bronze
© text und fotos ferdinand dupuis-panther – Die Kunstwerke sind urheberrechtlich geschützt. Die Künstler selbst oder Verwertungsgesellschaften nehmen die Urheberrechte für die Kunstwerke wahr. Ohne Zustimmung des Fotografen Ferdinand Dupuis-Panther und ohne Lizenz zur Nutzung der veröffentlichten Fotos ist die Nutzung illegal und ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz. Die diesbezüglichen Interessen nimmt Copytrack im Auftrag des genannten Fotografen wahr.
William Tucker Eve, 2001, Bronze
Info
Skulpturenpark Waldfrieden
Hirschstr. 12
42285 Wuppertal
mail@skulpturenpark-waldfrieden.de
https://skulpturenpark-waldfrieden.de
https://bit.ly/wfdigimap
Tony Cragg
https://www.deutschlandfunkkultur.de/bildhauer-tony-cragg-mein-vater-war-bitterenttaeuscht-100.html
"Die Materialien, die ich benutze, haben alle eines gemeinsam: Ich habe sie nicht gewählt, weil mir ihre Form oder ihr Aussehen gefallen. Allen Gegenständen, die ich finde, ist gemein, dass sie von ihrer formalen Identität her nicht wirklich auf eine Bedeutung verweisen. Ich kann zum Beispiel statt eines alten Stuhls ein Stück vom Stuhl so verwenden, dass man nicht merkt, was für ein Gegenstand es vorher war. Das ist sozusagen die Qualität von Abfall. Auch Staub besitzt diese Qualität. All meine Arbeitsmaterialien sind "abjekt", also verworfen bzw. ekelhaft … aus ihrem ursprünglichen Zustand gebracht, haben ihre Form und Bedeutung verloren." Peter Buggenhout
Skulpturenparlk Waldfrieden/Wuppertal
https://skulpturenpark-waldfrieden.de
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