Karten oder Kanu – Strand und Sand

Von Dublin nach Cork mit dem Fahrrad

Text und Fotos: Judith Weibrecht

 

Irland - Die Strände und Buchten von Youghal

Es mag überraschen, doch auf der 393 Kilometer langen Route von Dublin bzw. Greystones bis Cork radelt man außer an grünen Hügeln, Schafen und Kühen immer wieder an weißen Sandstränden mit Palmen entlang.

Wie scheinbar alle anderen flanieren wir von Stout zu Ale und Lager und probieren. Die Reihe der Zapfhähne scheint endlos, die Biere sind eine Wissenschaft für sich – nicht nur die Whiskeys. Wir stehen vor einem der angeblich 600 Dubliner Pubs und kommen schnell ins Gespräch mit den Menschen. Fahrräder flitzen auf Radwegen vorbei. Im „Merchant‘s Arch“ ist heute Live-Musik. Eine Gruppe wechselt sich mit der nächsten ab und rockt los. Auf den Barhockern Ältere und Jüngere bunt gemischt, manche tanzen, aber singen tun sie alle. Das sind Bars edel wie Kathedralen: Im „Grand Central“ blickt man in einen Himmel aus Eisenstreben und Glas, daran hängt ein Messingleuchter mit Ballonlampen. Polierte Holztresen sind fast überall selbstverständlich, doch hier ziert auch noch Marmor den Boden. Das soll einem mal ein Dubliner erklären!

Irland - Temple Bar in Dublin

Temple Bar

Keine Sorge, das wird er. Hugh von „Lazy Bike Tours“, der uns auf E-Fahrrädern durch die Stadt führt, meint: „Wir reden alle zu viel. Also sagt mir, wenn es genug ist.“ Schon wenn man einfach nur „Guten Tag“ sage, folge meist eine halbstündige Konversation. Vor Abfahrt stellt er außerdem klar: „Wir fahren auf der falschen Seite der Straße. Das basiert auf dem britischen System. Die sind dafür verantwortlich.“ Später wird er uns mehr über alte Feindschaften und den irischen Unabhängigkeitskrieg erklären. Doch zunächst geht‘s zum Dublin Castle, das eigentlich gar keine Burg ist, sondern ein Schloss aus einem Stilmix der ursprünglichen ab 1220 erbauten Normannenburg, Elementen aus dem 18. Jahrhundert und der neogotischen Royal Chapel. Einst diente es als Gefängnis und war noch bis 1922 Sitz der britischen Verwaltung. Heute ist es der Öffentlichkeit zugänglich und ab und an finden in den Repräsentationsräumen zeremonielle Feiern statt.

Irland - Hugh von „Lazy Bike Tours“ in Dublin

Hugh von „Lazy Bike Tours“ in Dublin

Überhaupt, die Sprache. „Wer weiß, wie Dublin auf Gälisch heißt?“, fragt Hugh. „Baila Átha Cliath“, probiert eine. Richtig. Irisch wird heute wieder gelehrt und in einer so genannten Gaeltacht-Region ist es die vorherrschende Sprache. Straßen- und Ortsschilder sind zweisprachig, Englisch und Irisch/Gälisch. Gut, dass ich mir eine App aufgespielt habe, um wenigstens bitte und danke richtig aussprechen zu können. Leithreas, Toilette, ist noch dazu ein Wort, das jeder lesen können sollte, denn manchmal steht es nur so angeschrieben. Der Name Dublin komme aber von den Briten, die die Iren nicht verstehen und auch die gälischen Namen nicht aussprechen konnten. „Also machten sie aus Dubh Linn, schwarzer Teich, wie die Wikinger und die Normannen es nannten, Dublin“, erklärt Hugh.

Irland - Post mit englischer und gälischer/irischer Beschriftung, Dublin

Post mit englischer und gälischer/irischer Beschriftung

Die mehrmals umgestaltete St. Patrick‘s Kathedrale wird auch Guinness-Kathedrale genannt, denn vier Glasfenster erzählen die Geschichte der Familie und von den Zutaten, die man zum Bierbrauen braucht. Bekanntester Dekan der Kirche ist der Autor Jonathan Swift, der 1713 bis 1745 das Amt innehatte. In der Marsh Library nebenan lasen er und auch James Joyce regelmäßig. Und Bram Stoker forschte hier für seinen „Dracula“-Roman, denn er war nie in Transsylvanien. Damit aus der ältesten öffentlichen Bibliothek Irlands nichts gestohlen wurde, sperrte man die Leser übrigens in so genannte „reading cages“, Lesekäfige, ein.

Wir radeln noch zur Teeling Distillery, der ersten, die vor 125 Jahren in Dublin eine Whiskey-Brennerei eröffnet hat. „Der muss bei uns drei Jahre und einen Tag reifen. In Schottland sind es nur drei Jahre“, betont Hugh stolz, „also ist unserer einen Tag besser!“ Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal: Der Whiskey muss hier mit E geschrieben werden, denn das Wort kommt vom irisch-gälischen Wort für Wasser und Leben.

Irland - Pub in Dublin

Pub in Dublin

Am Guinness Storehouse, wo 850.000 Pints (ein Pint sind 0,5683 Liter) des „black stuff“ pro Tag produziert werden, erfahren wir, dass die Firma 1759 gegründet wurde. Die „schwarze Seele Irlands“ mit weißer Krone ist eindeutig das Lieblingsbier der Einheimischen. „Das ist auch so, weil Arthur Guinness einfach ein guter Typ und stark sozial engagiert war“, weiß Hugh. Heutzutage gibt es den „Arthur Guinness Fund“, der sozial schwache Familien unterstützt. Und außerdem ist der Gerstensaft gesund: „Er ist gut für dich! Er macht dich stark! Er killt die Bakterien!“, versucht sich Hugh an alten Slogans und meint, dass Guinness einer der ersten war, der die Mechanismen des Marketing verstanden hatte und zu nutzen wusste. „Nach dem Blutspenden bekam man ein Pint Guinness, und es wurde auch jungen Müttern verschrieben.“

Irland - Statue von Molly Malone, Dublin

Statue von Molly Malone

Es war eine mächtige Familie. Gegenspieler war die Whiskey-Familie Roe, die natürlich nicht auf sich sitzen lassen konnte, dass die Guinness eigene Fenster in der Kathedrale hatten. Also ließen sie welche für die Christ Church Kathedrale anfertigen und spendeten überhaupt einen zweistelligen Millionenbetrag für deren Wiederaufbau, als sie zu verfallen drohte.

Die Skulptur „The Proclamtion“ von Rowan Gillespie verdeutlicht eindrücklich die Geschichte: 14 Figuren mit verbundenen Augen und Einschusslöchern im Körper erinnern an die Exekutionen von 1916 an den Teilnehmern der Osteraufstände und den Autoren der irischen Unabhängigkeitserklärung, die gegenüber im Gefängnis Kilmainham Gaol stattfanden.

Irland - Wandmalerei, Dublin

Wandmalerei in Dublin

Schafgarben zählen

Im Trinity College bzw. im so genannten Long Room der Bibliothek befindet sich das vor über 1.000 Jahren geschriebene und gezeichnete Book of Kells, eine Abschrift der vier Evangelien und Irlands größter Schatz. Die verschlungenen, feinen Linien und Knoten erinnern an Symbole aus der Natur. Kaum sind wir raus aus Dublin meine ich, sie immer wieder in der Landschaft zu sehen. Aus der Stadt hinaus allerdings, sollten wir unbedingt bis Greystones die DART nehmen, hatte Hugh geraten. DART hat hier nichts zu tun mit dem gleichnamigen Lieblingsspiel der Iren, sondern steht für die S-Bahn namens Dublin Area Rapid Transit. Ein guter Rat. Wir fahren bis Greystones und umgehen so einiges an Autoverkehr.

Zwar sind die ersten fünf Kilometer auch nicht ohne, doch dann wird es lovely: In Wicklow gönnen wir uns einen Cappu in der Sonne. Ein älterer Herr kommt vorbei und hält ein Schwätzchen mit uns. Woher? Wohin? Fünf Minuten später ein jüngerer. Das wird uns in Irland noch öfter passieren. Es sind ehrlich interessierte Menschen, die sich über Besuch freuen.

Der Brexit ist natürlich ein Thema. Wollte in Großbritannien niemand darüber sprechen, werden wir hier immer wieder darauf gestoßen. Die Iren finden unsere Idee interessant. Von „Brexitania“ nach „Eire“, Irland, und somit „Europa“ überzusetzen und einfach weiter zu radeln.

Irland - Britta Bay, eine hübsche Bucht mit feinem Sandstrand südlich von Dublin

Brittas Bay, eine hübsche Bucht mit feinem Sandstrand südlich von Dublin

An den kleinen Straßen heißt es: Schafgarben zählen, Rhododendren bewundern, Fuchsien hängen sehen, Schafe und Kühe grüßen. Das milde Klima bewirkt auch, dass kurz vor Brittas Bay blühende, palmenartige Drachenbäume den Weg säumen. Wenn es so weiter geht mit dem Klimawandel, wird dieser Strand genauso wie viele andere sowieso der Hit: Weißer Sand, türkisfarben glitzerndes Wasser, Sonne satt. Allerdings pfeift momentan ein eiskalter Wind darüber. Der Baywatch neben der blauen Flagge hat also nichts zu tun und langweilt sich in seinem Häuschen. In der Bucht zählen wir ganze drei Menschen.

Irland - Britta Bay, eine hübsche Bucht mit feinem Sandstrand südlich von Dublin

Brittas Bay

Die großen Sehenswürdigkeiten sucht man hier vergeblich, weswegen man die wundervollen Buchten und Hügel auch ganz für sich hat. Die Natur ist die Sehenswürdigkeit, und ich denke an meine Freundin Edi, die mir vor Abfahrt erklärt hatte: „Ich bin 1989 da geradelt, und da war keine alte Sau!“ Auch heute entdecken wir keine Touristen.

 

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