Ohne Prunk und Präsidenten

Block Island ist Neuengland im Mini-Format

Text und Fotos: Adrienne Friedlaender

Die Kennedys wählten Cape Cod als Sommerresidenz, Barack Obama vergnügte sich mit seiner Familie am Strand von Martha´s Vineyard. Schauspieler, Modedesigner, Reiche und Berühmte, zieht es im Sommer auf die Promi-Inseln Neuenglands. Nur wenige aber verschlägt es ein paar Seelmeilen westlich nach Block Island. Auf der kleinen und wenig bekannten Insel vor der Küste Rhode Islands ist die VIP-Dichte gering und das Glücksgefühl groß.

Die Luft schmeckt nach Meer und der salzige Wind peitscht über das Deck. Etwa dreißig Minuten durchpflügt die High-Speed-Fähre die in der Sonne glitzernden Wellen. Rund 20 Kilometer Ocean liegen zwischen Point Judith an der Südspitze von Rhode Island und Block Island. Entlang der Steilküste gleitet die Fähre auf den Hafen zu. Ein dutzend Möwen kreisen am hellblauen Himmel über dem Schiff. Ihr Kreischen kündigt die neuen Gäste an im „Old Harbour“ von New Shoreham.

USA - Neuengland - Block Island

Die Ankunft auf Block Island fühlt sich an wie die Zeitreise in ein vergangenes Jahrhundert: Wie ein viktorianisches Schlösschen thront das berühmte „Old Harbour´s Nation Hotel“ über dem Örtchen. Die weißen Türme und Erker leuchten im strahlenden Sonnenschein. Daneben reihen sich entlang der einzigen Straße ein paar kleinere graue Schindelhäuschen mit kleinen Souvenirshops, einer Galerie, Cafés und einer Töpferei. Für die Einheimischen gibt es dann noch den „Red Bird Liquor Store“, der im Gegensatz zu den Touristenläden auch im Winter geöffnet hat. Er versorgt die Inselbewohner mit Getränken, die von innen wärmen, wenn der Sturm über die Insel und durch die leere Einkaufstraße fegt.

Die Gäste kommen hierher, weil sie wissen, was sie erwartet, oder besser nicht erwartet: Shoppingcenter, Designerläden, Fast-Food-Ketten oder Pommesbuden.

USA - Neuengland - Block Island

Gerade mal elf Kilometer lang und knapp fünf Kilometer breit ist die Insel im Atlantik. Aber sie bietet alles, was Neuenglands Charme ausmacht - im Miniaturformat: An den steilen Klippen und Felsküsten bricht sich die tosende Brandung, im wilden Buschland und an den hunderten von Frischwasserseen brüten seltene Vögel und Kilometer feinsandige Badestrände erstrecken sich entlang des türkisblaues Meeres. Liebhaber nennen Block Island das „Bermuda des Nordens“ und die „Nature Conversancy“, Amerikas bedeutende Naturschutzorganisation bezeichnete die kleine Insel als „einen der letzten zwölf großen Orte in der westlichen Hemisphäre“.

Am besten erkundet man Block Island zu Fuß oder mit dem Rad. Rund 50 Kilometer Wander- und Radwege führen auf den schönsten Routen kreuz und quer über die Insel. Wer es bequemer mag, mietet sich einen Motorroller oder lässt sich mit dem Taxi über die Insel chauffieren. Zum Beispiel von Dave Cahill. Der 65 jährige hagere Fahrer trägt ein lila-farbendes T-Shirt mit der Empfehlung „Eat Fish“. Und in einer Tasche am Gürtel trägt er sein Handy. Dave ist immer im Einsatz. Denn um auf der kleinen Insel seinen Lebensunterhalt zu verdienen, muss man schon etwas flexibel sein.

USA - Neuengland - Block Island

Vor rund dreißig Jahren verschlug es Dave nach Block Island. Als Handwerker und Tagelöhner schlug er sich durch, um auf der Insel bleiben zu können. Heute ist er Chef der „Yellow Kitten Bar“, kümmert sich im Winter um verwaiste Ferienhäuser und fährt Taxi. Block Island verlässt Dave nur im Notfall. „Ich liebe das Rauschen der Wellen und den Geruch des Ozeans“, schwärmt er und fügt lachend hinzu: „Aber hinein möchte ich für nichts in der Welt.“ Dave hat nie einen Zeh ins kalte Nass gesteckt. Ganz im Gegenteil zu den Badegästen, die sich im Sommer an den feinsandigen Stränden aalen und im türkisfarbenen Wasser tummeln.

Nur etwa 900 Bewohnern leben rund ums Jahr auf der kleinen Insel im stürmischen Atlantik. Die meisten von ihnen kennt Dave beim Namen. Das Schönste für ihn ist das Gefühl auf Block Island in einer großen Familie zu leben. Die Inselbewohner sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die vor allem das Gefühl verbindet, an einem besonderen Ort zu leben.

USA - Neuengland - Block Island

Das Block Island noch immer ein besonderer Ort ist, liegt nicht zuletzt an Adrian Mitchell. Der wohlbeleibte 70jährige Mann mit grauen gekräuselten Haaren, grauem Schnurrbart und fröhlichen Augen sieht aus wie ein Märchenonkel. Und er hat ein kleines Märchen wahr gemacht, ein Märchen von einer Welt, in der Geld und Profit keine Rolle spielen. Vor einigen Jahren erbte Adrian als letztes Mitglied der Farmer-Familie Mitchell auf Block Island ein gewaltiges Stück Land: Wälder, Wiesen, Strand und Ackerland. Investoren und Immobilienhändler bauten im Geiste schon Hotels und Helikopter-Landplätze und boten ihm ein Vermögen. Adrian wurde zum Held der Insel, als er alle Angebote ausschlug und das gesamte Land der Block Island Conservancy vermachte und unter Naturschutz stellen ließ. „Geld ist nicht alles“, sagt er lächelnd. „Ich liebe die Menschen hier, die Natur und die Stille. Und ich wünsche mir, dass dieser Flecken Erde auch nach meinem Tod genau so erhalten bleibt.“

USA - Neuengland - Block Island - Leuchtturm

Adrian hat nicht nur sein Land verschenkt, sondern arbeitet auch für die Nature Conservancy für den Erhalt der zahlreichen Wege durch das Naturschutzgebiet. Heute hat er am Clay Head Trail zu tun, einem der schönsten Wanderpfade der Insel. Er führt durch das Buschland, entlang der Steilküste bis hinunter zum Strand. Ein paar Hundert Meter weiter durch die raue Dünenlandschaft vorbei am historischen North-Light-Leuchtturm aus dem Jahre 1829 steht man am äußersten Zipfel Block Islands. Nur ein paar eifrige Möwen, die im Seetang nach Nahrung suchen, laufen über den Sand, sonst ist der Strand leer. Von Westen und Osten krachen hier die Wellen aufeinander und umspülen die Spitze der kleinen Insel.

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Am Memorial Day, Ende Mai, beginnt die etwa 100 tägige Saison auf Block Island. Dann flüchten die Erholungssuchenden aus New York, Connecticut, New Jersey und anderen US-Staaten in die kleine Atlantik-Oase. Sie kommen zum Surfen, Wandern und Radfahren, Baden und Faulenzen. Und Adrian, der Insel-Retter, freut sich auf die Abwechslung und ist immer für ein Schwätzchen zu haben. Er erzählt den Fremden Geschichten über seine Heimat. Er kennt nicht nur die schönsten Plätze auf der Insel, sondern weiß auch, wo es den leckersten Fisch gibt, oder die beste Clam Chowder, die berühmte amerikanische Muschel-Suppe.

USA - Neuengland - Block Island - Restaurant

Luxusressorts und Wellnesstempel gibt es nicht auf der Insel. Die Gäste wohnen in einem der kleinen viktorianischen Hotels. Man sieht sie im Schaukelstuhl auf der Veranda eines Gästehauses dösen, oder im Garten eines der kleinen grauen mit Steinmauern umrandeten Schindelhäuschen. Am Abend treffen sich die entspannten Urlauber in einem der Strandrestaurants. Natürlich auch ganz lässig in Flip-Flops, Jeans oder Shorts. Zum Sonnenuntergang genießen sie bunte Cocktails und Wein, Pasta, Muscheln und Meeresfrüchte. Sie lauschen den Wellen, die sanft an den Strand plätschern, während die Butter auf den dampfenden Hummern schmilzt.

 

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