Gallopierende Gänse und tiefe Schluchten

Colorado als Paradies voll historischer Eisenbahnen

Text und Fotos: Axel Scheibe

Donald Tallman freut sich über den Besuch aus Deutschland. Sicher, als Direktor des Colorado Railroad Museums in Golden (1) freut er sich über jeden Besucher, doch über die Deutschen ganz besonders. Nicht zuletzt, weil auch in ihm deutsche Wurzeln ruhen und er sogar mit einigen deutschen Sätzen glänzen kann. „Es ist nicht all zu oft, dass sich deutschen Eisenbahnfans hierher verirren“, verrät er bei der Begrüßung. „Zwar zieht es immer mehr Freunde historischer Bahnen über en großen Teich, doch ein paar mehr könnten es schon noch sein.“ Dabei gehört das Museum von Donald Tallman zu den besonderen Anziehungspunkten für Liebhaber stählerner Ungeheuer auf Schienen. Unter Fachleuten wird es als größtes seiner Art auf dem Gebiet der Rocky Mountains eingestuft. Nur eine halbe Stunde von Denver entfernt kann es auf eine strategisch günstige Lage verweisen. Rund 70 ausgestellte Fahrzeuge auf dem über 60.000 Quadratmeter großen Gelände bieten reichlich Möglichkeiten zu dem einen oder anderen Exkurs in die Eisenbahngeschichte des „Wilden Westen“. Und gerade der „Wild Westen“ ist es, der mehr und mehr Touristen nach Colorado lockt. Die wilden Berge der Rocky Mountains und die wilden Geschichten, die man sich aus den Zeiten erzählt, als die ersten Siedler in den Westen zogen. Kamen die Europäer über Jahrzehnte vor allem in die Oststaaten, den sonnigen Süden und an die Pazifikküste, hat Denver mächtig aufgeholt.

USA - Colorado - Kelvin Harr ist Chef der über 100 freiwilligen Helfer im Eisenbahnmuseum Golden und selbst seit Jahren ehrenamtlich im Museum „zuhause“

Kelvin Harr ist Chef der über 100 freiwilligen Helfer im Eisenbahnmuseum Golden und selbst seit Jahren ehrenamtlich im Museum „zuhause“

„Da unser Fahrzeugpark natürlich zum größten Teil von eingestellten Strecken aus der Region kommt, sind auch die meisten unserer Gleise als Schmalspurnetz verlegt.“ Mächtige Dampfloks stehen neben nicht minder eindrucksvollen Dieselloks. Zu den besonderen Schmuckstücken gehört ein Direktionswagen der Denver & Rio Grande Railroad, in dem die Chefs sich durch die Lande chauffieren ließen. All das wäre, typisch für die USA, ohne die über 100 Volontäre nicht möglich, die teils seit Jahrzehnten den größten Teil ihrer Freizeit im Museum verbringen. Kelvin Harr, der als Chef der freiwilligen Helfer für deren Planung und Koordination zuständig ist, entführt seine Gäste am liebsten zu einem ganz besonderen Exponat, das man in voller Aktion kaum noch sonst irgendwo finden kann. „Von den so genannten „Gallopierenden Gänsen“ (Galloping Geese) wurden überhaupt nur zwei Handvoll gebaut“, erläutert er das eigentümliche Schienenfahrzeug. „Wir haben drei davon und eins steht jetzt für eine Probefahrt bereit.“ Die handbetriebene Drehscheibe wird in die richtige Position gebracht und das putzige Gerät fährt vor. Als sich nach 1930 auf einem Teil des Streckennetzes der Rio Grande Southern Railway der Einsatz kompletter Dampfzüge nicht mehr lohnte, ersetze man sie durch eine Art LKW auf Schienen. „Gebaut wurden sie aus Teilen der Marke Buik und damit beförderte man dann bis 1951 Passagiere, Post und anderes Gepäck.“ Auf einer Rundtour durchs Museum glaubt man Al Blount gern, wie das Gefährt zu seinem Namen kam. „Diese relativ leichten Maschinen sind auf dem recht unebenen Gleisbett gehüpft wie gallopierende Gänse und auch der Ton des grellen Signalhorns war gewöhnungsbedürftig.“ Nach drei Runden durchs Museumsgelände „entlässt“ Al lachend seine durchgeschüttelten Fahrgäste. Die ersten Fahreindrücke auf amerikanischen Schienen sind durchwachsen, doch was will man an Bord einer gallopierenden Gans erwarten?

USA - Colorado - "Gallopierende Gans"

"Gallopierende Gans"

Auf den Pikes Peak

Völlig anders sieht es am nächsten Nachmittag aus. Nach einem kleinen Zwischenstopp im Transportmuseum in Denver, wo es mehr vierrädrige Oldtimer sind, die das Herzstück der Ausstellung bilden, ist es nun Schweizer Technik, der man sich anvertrauen muss. Im Gegensatz zu vielen anderen Museumsbahnen in Colorado war die Pikes Peak Cog Railway wohl von Anfang an stark auf Touristen zugeschnitten. Nachdem die 1891 eingeweihte Bahn in den ersten Jahrzehnten ihre Zahnrad getriebene Reise mit kleinen aber starken Dampfloks absolvierte, sind es heute moderne Dieseltriebwagen, die auf die beschwerliche Reise gehen. Immerhin endet die Tour in einer Höhe von 14.110 Fuß über dem Meeresspiegel. Das sind rund 4.300 Meter. Vom Gipfel des Pikes Peak (2) bietet sich ein unvergesslicher Panoramablick über die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains. Selbst im Mai kann es passieren, dass noch vor dem Gipfel Schluss ist, denn drei bis vier Meter Schnee im Winter sind keine Seltenheit. Das stellt selbst modernste Schneeräumtechnik vor ungeahnte Probleme. Dave Donatto, Manager der Bahn, weiß ein Lied davon zu singen: „Dem großen Andrang folgend, fahren wir seit einigen Jahren ohne Winterpause, doch dass dabei nicht immer der Gipfel erreicht werden kann, ist leider nicht zu vermeiden.“ Seine Gäste sehen es ihm und der Bahn nach. Die Tour büßt dabei nur wenig von ihren überwältigenden Eindrücken ein.

USA - Colorado - Der kleine Bahnhof der Cripple Creek & Victor Narrow Gauge Railroad

Der kleine Bahnhof der Cripple Creek & Victor Narrow Gauge Railroad

Dieser kleine Ausflug abseits der eigentlichen historischen Bahnen sei erlaubt. Immerhin ist Colorado nicht zuletzt das Land der Berge und höher kommt der „normale“ Tourist nirgendwo. Doch auch die anderen Bahnen geizen nicht mit Höhe. Zumeist spielt sich eine Tour durch die Bergwelt zwischen 2.000 und 3.00 Meter Höhe ab. Eigentlich schon ein Bereich, wo die Luft knapp werden kann, doch der Gewöhnungseffekt setzt schnell ein. So fällt es nicht mehr auf, dass auch die Weiterfahrt von Colorado Springs hinüber ins kleine Goldgräberstädtchen Cripple Creek (3) nicht nur einmal über hohe Pässe führt. Zwar steht die schmucke Lok der Museumsbahn schon unter Dampf, doch bleibt bis zur Abfahrt noch Zeit. Eine gute Gelegenheit für die Bahnfans auch mal abseits der Bahn Geschichte zu schnuppern. In Crepple Creek schein die Zeit still zu stehen. Die Mainstreet sieht aus wie vor 100 Jahren und das Gefängnismuseum macht den Eindruck der alten Goldgräberstadt komplett. Eine Goldminentour lädt ein und die Casinos sorgen dafür, dass das vielleicht gefundene Gold gleich wieder den Besitzer wechselt. Auch die kleine Tour der schnuckeligen Kleinbahn führt entlang zahlreicher Goldminen, die vor über 100 Jahren ungezählte Glückritter in die Region gelockt haben. Zwischen 1890 und 1910 war Cripple Creek die wichtigste Goldgräberstadt der Welt. Sie hatte über 50.000 Einwohner und in den 500 Minen der Region wurde Gold im (heutigen) Wert von über 12 Milliarden Dollar gewonnen. Ohne Eisenbahn unmöglich.

Am Arkansas River

USA - Colorado - Als höchste Hängebrücke der Welt gehört die Royal Gorge Brigde zu den meiste besuchten Sehenswürdigkeiten Colorados

Als höchste Hängebrücke der Welt gehört die Royal Gorge Brigde zu den meist besuchten Sehenswürdigkeiten Colorados

Nicht geringer war die Bedeutung der Royal Gorge Railroad, die sich entlang des Arkansas River durch die engen Schluchten der wildromantischen Bergwelt unweit von Cañon City (4) schlängelt. Schon von oben, vom Royal Gorge Bridgepark, bietet sich von der höchsten Hängebrücke der Welt, aus 473 Metern Höhe ein faszinierender Blick hinunter in die Schlucht und auf die Spielzeug gleich dahinrollenden Züge. Besonders toll ist eine Fahrt im Dome Car, dem verglasten Aussichtwagen bzw. in den offenen Waggons, die den Blick frei geben auf die gewaltige Natur, die den Zug auf seiner gesamten Reise begleitet. Wer das richtige Ticket gebucht hat, wird mit einem Gourmet Lunch verwöhnt. Ein Luxus, den sich in den Anfangsjahren der Bahn nur wirklich gut betuchte Passagiere leisten konnten. Während die Zugpassagiere genüsslich ihr Dessert in Angriff nehmen, nehmen andere Touristen per Schlauchboot auf dem Arkansas ihren Weg. Ab und an grüßen vom gegenüberliegenden Ufer Goldwäscher. Ihre Ausbeute ist zwar gering, doch die Hoffnung auf den einmaligen Fund, ein richt großes Nugget, hält einige von ihnen über Jahre bei der Stange. Lebten viele Regionen Colorados über Jahrzehnte vom großen Goldrausch, so sind es heute Touristen, die, wenn nicht Gold, so doch zumindest reichlich Dollars mitbringen sollen. So erlebt manch kleines Städtchen einen zweiten Frühling.

USA - Colorado - Luxus pur im Dome-Car

Luxus pur im Dome-Car

Das trifft nicht zuletzt auch auf Durango (5) zu. Die Kleinstadt lebte zwar nur indirekt vom Gold, sie war ein wichtiger Knotenpunkt zahlreicher Eisenbahnlinien, doch mit dem Ende der großen Goldfunde verschwanden auch die Eisenbahnen. Heute ist Durango der Ausgangspunkt für die wohl attraktivste Bahnreise in die Vergangenheit, die Colorado zu bieten hat. Der Tagestrip mit der Dampf betriebenen Kleinbahn führt ins ehemalige Goldminenstädtchen Silverton (6). Dass hier vor langer Zeit der „Bär gesteppt“ haben soll, sieht man ihr zumindest entlang der Hauptstraße noch an.

Immer dann, wenn der Zug aus Durango kommend (bis zu drei Zugpaare täglich) seine lebende Fracht mitten im Zentrum „ausspuckt“ kommt neues Leben ins Städtchen. Dann heißt es für die ansässigen Händler und Gastronomen Umsatz zu machen. Sind die Züge wieder weg, kehrt Ruhe ein. Es gibt nur wenige ganz kleine Hotels und einige Ferienhäuschen. Böse Zungen sagen, zwischen November und Mai, wenn der Zugbetrieb bis auf einige Sonderfahrten ruht, würden sich in Silverton nicht einmal Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

USA - Colorado - Bei der Durango Silverton Railroad ist das Dampfzeitalter bis heute lebendig

Bei der Durango Silverton Railroad ist das Dampfzeitalter bis heute lebendig

Das ist den Passagieren, die für zwei drei Stunden den kleinen Ort erobern egal. Sie haben die erste Hälfte einer grandiosen Erlebnisreise durch eine Natur, die ihres gleichen sucht hinter und die nicht minder beeindruckende Rückfahrt durch atemberaubende Schluchten noch vor sich. Da sitzt das Geld locker für ein rustikales Mahl und so manch mehr oder minder sinnvolles Souvenir. Sie sind die neuen Goldminen für die Handvoll Einwohner, die in Silverton geblieben sind. Goldminen, die vielleicht nicht so schnell versiegen wie ihre Vorgänger vor rund 100 Jahren.

USA - Colorado - Silverton war früher eine lebendige Goldsuchersiedlung, heute lebt der Ort ausschließlich von den Touristen, die die Bahn bringt

Silverton war früher eine lebendige Goldsuchersiedlung, heute lebt der Ort ausschließlich von den Touristen, die die Bahn bringt

Wer auf den Spuren des Wilden Westen unterwegs ist, kommt um die stählernen Rösser nicht herum. Die Eisenbahn war es, die nach den großen Trecks mit Planwagen, die die ersten Siedler in den Westen brachten, die Erschließung dieser fernen Landesteile erst möglich machte. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts begann ein wahres Wettrennen zwischen verschiedenen Eisenahngesellschaften über die besten und lukrativsten Strecken. Dabei griff man besonders in den engen Tälern der Rockys zumeist auf die 36zöllige Schmalspur zurück. Mit dem Aufschwung der Automobilindustrie begann die Bedeutung der Bahn rapide zu sinken. Besonders in den 50-er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam für zahlreiche kleine Strecken das Aus. Für manche von ihnen fanden sich später Eisenbahn interessierte Privatleute und Vereine, die sich der Strecken annahmen und begannen, einen mehr oder minder regelmäßigen Museumsbetrieb einzurichten. Besonders so manch landschaftliches Juwel in den Rockys erhielt dadurch ein zweites Leben eingehaucht. Andere verlegten sich aufs Sammeln und kümmern sich mit viel Liebe in sehenswerten Museen um ihre Schätze.

Reiseinformationen zu Colorado

Fremdenverkehrsamt für Colorado
Colorado Tourism Office, c/o Get It Across Marketing & PR
Neumarkt 33
50667 Köln
Fon:  +49 - (0)221 233 64 07
Fax:  +49 - (0)221 233 64 50
E-Mail: colorado@getitacross.de
www.colorado.com

Denver wird von verschiedenen Fluggesellschaften angeflogen, die günstigsten Tarife für Direktflüge von Deutschland aus bietet zumeist United Airlines. www.unitedairlines.de

 

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