Text und Fotos: Rainer Heubeck
Kreischende Schimpansen und mampfende Gorillas: Die Regenwälder Ugandas bieten ein spektakuläres Affentheater
Wilde Schreie, die zuweilen wie ein Bellen klingen, dann wieder wie das Quieken junger Welpen. Rascheln in den Blättern, Bewegung in den Baumwipfeln, huschende Schatten. Schwarze Punkte springen aufeinander zu, das Gezeter wird lauter – und schwillt plötzlich wieder ab. Offensichtlich gab es Streit in der Schimpansengruppe, auf deren Spuren wir im Kibale-Nationalpark unterwegs sind.
"Es sind meist die weiblichen Schimpansen, vor allem die Mütter, die in Streit geraten", berichtet Rangerin Sarah Nemigisha. In Tarnfarben gekleidet und mit hohen hohen schwarzen Gummistiefeln an den Füßen führt sie uns durch den Kibale-Wald. Auch wenn sie gut zu hören sind: zu sehen bekommen wir die weiblichen Schimpansen vorerst kaum. "Sie sind sehr scheu, am ehesten trauen sie sich weiter nach unten, wenn Männchen in der Nähe sind", berichtet Sarah, die seit vier Jahren hier im Westen Ugandas arbeitet. Vorher hat sie Trackingtouren zu den Berggorillas im Süden Ugandas durchgeführt. "Ich finde alle Affenarten interessant", versichert sie. Doch eines hat sie festgestellt, seit sie tagtäglich mit Schimpansen auf Tuchfühlung geht: "Schimpansen sind intelligenter als Gorillas." Das merke man beispielsweise, wenn Schimpansen eine Zuckerrohrplantage in der Nähe entdeckt haben. "Dort, außerhalb des Waldes, halten sie sich nie lange auf, sie gehen nur kurz hin und holen sich etwas Süßes", berichtet Sarah.
Im Kibale-Wald ist es mittlerweile ruhiger geworden. Auch wir verhalten uns still, warten ab, was sich in den Baumwipfeln tut. In aller Gemütsruhe klettert ein größerer Schimpanse nach unten, beäugt uns etwas – und legt sich dann entspannt auf den Rücken. Auf dem Waldboden liegend, schaut er ab und an zu uns her, blickt dann wieder hoch zu den Baumkronen. Wirkte das Geschrei und Gewirbel in den Bäumen anfangs wie eine regelrechte Schimpanseninvasion, mutet die Situation jetzt eher an wie ein Waldboden-Wellnessprogramm für Primaten. Bald hüpft ein weiterer Schimpanse nach unten und legt sich ebenfalls hin. Dass wir in der Nähe sind, stört die beiden Affen kaum, schließlich bekommt die Gruppe regelmäßig Besuche von Touristen –- und sie wurde an den Kontakt mit Menschen langsam herangeführt. Die Tiere wurden gewissermaßen habituiert.
"Hier im Kibale-Wald leben ungefähr 1450 Schimpansen, die sich auf 13 Gruppen aufteilen. Fünf dieser dreizehn Gruppen sind an den Kontakt mit Menschen gewöhnt. Drei davon können nur zu Forschungszwecken besucht werden, die anderen beiden werden auch von Touristen besucht, die zum Schimpansentracking kommen", berichtet Sarah Nemigisha. Zu der Gruppe, die wir mit ihr heute besuchen, gehören etwa 120 Menschenaffen, von denen wir jedoch nur einen Teil zu Gesicht bekommen. Viele der Tiere bleiben in den Baumwipfeln, andere befinden sich irgendwo in der weiteren Umgebung. Die Tiere halten sich normalerweise in einem festen Territorium auf, das etwa 35 Quadratkilometer umfasst. Dass wir sie gleich gefunden haben, verdanken wir der Erfahrung der Ranger, die regelmäßig hier unterwegs sind und die Tiere gut kennen. Sarah, unsere Führerin, hält in ihrer linken Hand meist ein Funkgerät. Darüber wird sie informiert, falls sich die Affenbande in eine bestimmt Richtung bewegt. Die rechte Hand unserer Dschungel-Führerin ruht auf ihrer AK 47, die sie umgehängt hat. Diese Kalaschnikow hat sie bei Trackingtouren stets dabei, um die Besucher schützen zu können – vor Waldelefanten und wild gewordenen Büffeln, aber auch vor aggressiven Schimpansen. Wird die Situation brenzlig, reicht es meist aus, einen Warnschuss abzugeben.
Während wir mit Sarah durch den Wald stapfen, setzt Regen ein, der mit der Zeit heftiger wird. Für die Schimpansenbeobachtung erweist sich das als Glücksfall. "Die Tiere wollen nicht gern nass werden und kommen deswegen nach unten", erläutert Sarah – und folgt der Schimpansengruppe, die gerade ihren Standort wechselt. Nach ein paar Minuten stoßen wir auf eine Forststraße, die von einigen Schimpansen bereits überquert worden war. Andere Tiere folgen. Normalerweise sollen wir zu den Schimpansen mindestens zehn Meter Abstand halten. Doch während wir auf dem Waldweg stehen, entscheiden sich etliche Affen dafür, ganz in unserer Nähe zu kreuzen.
Szenenwechsel: Der Bwindi Impenetrable Nationalpark ist ein Bergnebelwald fast 2000 Meter über Meereshöhe im Südwesten Ugandas. Hier sind wir auf der Suche nach Menschenaffen, die noch deutlich seltener und gefährdeter sind als die Schimpansen: die Berggorillas. "Die Berggorillas können nur im natürlichen Habitat überleben, niemals im Zoo", erläutert Rangerin Florence Mbabazi. Der Grund dafür: Im Zoo finden sie nicht genügend Nahrung, insbesondere nicht die notwendigen Nährstoffe.
"Diese Gorillas sind zu 99 Prozent Vegetarier und essen vor allem Blätter, zu etwa einem Prozent essen sie aber auch Ameisen, vermutlich wegen der Eiweißversorgung", erläutert Florence. Sie ist in der Nähe des Nationalparks aufgewachsen und träumte schon als Kind davon, Rangerin zu werden. Auch Florence führt uns in den Dschungel, allerdings ist das Gelände diesmal deutlich herausfordernder. Oftmals muss die Rangerin ihre Machete einsetzen, um durchs dichte Gebüsch eine Schneise zu schlagen. Auf rutschigen Pfaden geht es bergauf und bergab – und nach etwa dreißig Minuten hat niemand mehr aus unserer Gruppe trockene Füße.
"Manchmal brauchen wir bis zu fünf Stunden, um zu den Gorillas zukommen", verrät Florence – doch wir haben Glück, bereits nach vierzig Minuten haben wir die Bweza-Gruppe erreicht. Sie ist eine von achtzehn Gorillagruppen, die im Bwindi-Nationalpark an die Besuche von Menschen gewöhnt sind. "Sie ist meine Lieblingsgruppe, weil zu ihr auch mehrere Babys und Jungtiere gehören", verrät uns Florence. Und die kleinen Gorillas sind, das merken wir schnell, ganz besonders neugierig. Während die Mutter mit Abstand und beständig Blätter mampfend am Waldboden sitzen bleibt, spaziert ein Gorillakind kurzerhand an uns vorbei, überquert den kleinen Pfad, auf dem wir unterwegs waren, und platziert sich an einem Busch auf der anderen Wegseite. Dort setzt es sich sich aufrecht hin. Dadurch hat es Arme und Hände frei, um nach Blättern zu greifen. Immer wieder wirft uns der Heranwachsende einen kurzen Blick zu, fast scheint er für die Fotoaufnahmen zu posieren. "Gorillababys werden von ihrer Mutter bis zum Alter von vier Jahren an der Brust gefüttert, danach ernähren sie sich selbst. Anfangs können sie nur weiche Blätter kauen, später auch härtere", erläutert Florence. Die Jungtiere leben gefährlich. Zwar werden sie im Schutzgebiet nicht gejagt, aber sie können sich erkälten, eine Lungenentzündung bekommen und sterben. Manchmal fallen sie beim Spielen vom Baum. Und selbst die eigene Gorillagruppe kann eine Gefahr für sie darstellen. "Wenn ein Silberrücken ein Baby findet, das nicht von ihm ist, kann er es töten", berichtet Florence.
Bei dem Jungtier,das wir beobachten, ist das glücklicherweise nicht in der Fall. Ein Silberrücken, der zweit-dominanteste der Gruppe, ist ganz in der Nähe. Während er Blätter mampft, schaut er immer wieder zu uns und zu dem Jungtier. "Ein Gorilla kann pro Tag bis zu zehn Prozent seines Körpergewichts fressen, der hier dürfte durchaus 25 Kilo am Tag zu sich nehmen", berichtet Florence. Eine Stunden lang dürfen wir bei den gefräßigen und äußerst friedlichen Menschenaffen bleiben, danach ist die Beobachtungszeit vorbei – und die Tiere sollen wieder ungestört sein. Vermutlich hätten wir durchaus ein paar Minuten überzogen. Doch nach exakt 64 Minuten zwingt uns ein aggressiver Wespenschwarm zum Rückzug im Eiltempo. Die Kalaschnikows der Ranger mögen vor Angriffen durch Großtiere schützen – doch bei Schwarzen Wespen, die nicht nur stechen, sondern auch beißen, sind sie machtlos. Und so rennen wir los, als wären wir vom wilden Affen gebissen.
Anreise: Umsteigeflüge nach Entebbe bieten unter anderem Emirates, KLM, Brussels Airlines, Ehtiopian Airlines und Turkish Airlines.
Einreise: Deutsche Staatsangehörige benötigen für die Einreise ein Visum, das im vorab online zu beantragen ist (https://visas.immigration.go.ug/). Hochzuladen sind eingescannte Passkopien, ein Passbild, ein Gelbfieberimpfnachweis und evtl. andere Nachweise.
Derzeit kostet ein Touristenvisum 50 US$, die Gebühr wird online bezahlt.
Klima/beste Reisezeit: Aufgrund der Höhenlage ist es angenehm mild. Die durchschnittliche Temperatur in Kampala liegt ganzjährig bei 22 °C. Die Hauptniederschläge fallen während der Regenzeiten im April/Mai und im November. Gut bereisbar ist das Land insbesondere von Dezember bis März und von Juni bis Oktober.
Gesundheit: Eine Gelbfieberimpfung ist erforderlich, wegen weiteren Vorsichtsmaßnahmen (Malariaprophylaxe etc.) kontaktieren Reisende am besten einen Tropenmediziner.
Aktivitäten: Wer Angebote wie Schimpansen- oder Gorillatracking individuell wahrnehmen will, muss sich vorher beim Ugandan Wildlife Authority (reservations@wildlife.go.ug, www.ungandawildlife.org) oder über einen Touroperator (verschiedenen Anbieter werden hier angeführt: https://www.bwindiforestnationalpark.com/gorilla-safari-companies.html) ein Permit besorgen. Die Kosten für Goriallatracking liegen derzeit bei 700 US$, für Schimpansentracking im Kibale-Wald sind es 200 US$. Wer Batwa-Communities besuchen will, findet Angebote dazu unter www.batwaactivities.com.
Pauschalangebote: Ein reichhaltiges Angebot an Uganda-Rundreisen bieten Afrikaspezialisten wie Abendsonne Afrika (https://abendsonneafrika.de), AST African Special Tours GmbH (www.ast-reisen.de), Akwaba Afrika (akwaba-afrika.de), Habari Travel (www.habaritravel.de), Karibu Safaris (www.karibu-safaris.de) oder Diamir (www.diamir.de).
Übernachten:
Zehn liebevoll gestaltete Chalets und einen grandiosen Blick über den Lake Mutanda bietet die Chameleon Hill Lodge, Bwindi National Park South
Lake Mutanda, Tel. +256 781 514 700, E-Mail welcome@chameleonhill.com, www.chameleonhill.com. Die Lodge ist ein guter Ausgangspunkt für das Gorillatracking.
Herliche Ausblicke und charmanter Luxus sowie gediegener Kolonialstil begeistern Urlauber in der Ndali Lodge P.O. Box 70, Fort Portal, Tel. +256772221309, E-Mail info@ndalilodge.com, www.ndalilodge.com. Von hier aus hat man es nicht weit zum Schimpansentracking im Kibale Forest.
Infos: Über die touristischen Highlights des Landes informiert die Website https://exploreuganda.de. Über Nationalparks www.ugandawildlife.org
Suchen bei schwarzaufweiss
„Uganda is a fairy-tale . . . there is a wonderful new world . . . truly the pearl of Africa“ . . . ein Märchen sei Uganda, eine wundervolle neue Welt, wahrlich die Perle Afrikas – der so schwärmte war Winston Churchill, damals 33jähriger Parlamentsabgeordneter und frisch gekürter Staatssekretär für die Kolonien. 1907 war er im britischen Protektorat Uganda unterwegs mit der legendären Uganda-Bahn und an Bord eines Victoria-See-Dampfers, mit der Kutsche nach Kampala und im Kanu auf dem Weißen Nil, zu Fuß und selbst auf dem Fahrrad. Sein geflügeltes Wort von der „Perle Afrikas“ hat die Zeiten überdauert. Es gehört zum Zitatenschatz unzähliger Reisebroschüren und prangt auf den Plakaten der Reiseveranstalter.
Traditionelle Boote am Lake Bunyonyi
© Palenque, Fotolia.com
Mehr lesen ...