Schlossgeist trifft Weingeist

Südmähren, der Weingarten Tschechiens

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Was für eine Burg - außen geprägt von Gotik und Renaissance, innen dominieren Barock und Biedermeier. Die Burg Pernstein (1) in Südmähren atmet nicht nur Geschichte, in ihr, davon ist die Führerin überzeugt, spukt es auch gelegentlich. Der Geist einer weißen Frau streift nachts durch die mittelalterlichen Mauern. Eine Kammerzofe, die häufig den Gottesdienst versäumte, weil sie sich selbstverliebt im Spiegel bewunderte, findet, so heißt es, nun keinen Seelenfrieden – und erscheint deshalb gelegentlich des nächtens in der vor mehr als 800 Jahren gegründeten südmährischen Burg.

Tschechien - Burg Pernstein  in Südmähren

Weil die niemals eingenommene Festung so schaurig-schön über die mährischen Wälder ragt, hat Werner Herzog Ende der 70er Jahre, noch zu Zeiten der Tschechoslowakei, hier einen grandiosen Vampirfilm gedreht – Nosferatu, das Phantom der Nacht. Diese Version von Bram Stokers Dracula-Geschichte ist einer von rund vierzig Spiel- und Märchenfilmen, die in der verzaubert wirkenden Burg bereits gedreht wurden.

Tschechien - Burg Perstein in Südmähren - Weinhändler Milan Veteska

Geister ganz anderer Art präsentiert Milan Veteska gleich unterhalb der Burg. In seinem Ladengeschäft dreht sich alles um den Wein-Geist. Denn im Gegensatz zu Böhmen, einer klassischen Bierregion, ist der Süden der Tschechischen Republik, insbesondere die mährische Grenzregion zu Österreich, ein klassisches Weinland. Und auch wenn Milan Veteskas persönlicher Lieblingswein ein 2008er Sauvignon ist – richtig lohnend ist es, die traditionellen einheimischen mährischen Sorten zu probieren: Pálava, Moravian Muscat und Aurelius. Diese Weine erleben derzeit eine Renaissance – nachdem sie in kommunistischer Zeit eher ein Schattendasein fristeten. „Die Kommunisten haben eher auf Sorten wie Chardonnay und Merlot gesetzt – aber die eignen sich nicht gut für unsere Region, die brauchen eine andere Bodenbeschaffenheit“, erklärt Weinexperte Milan Veteska, während er seinen Besuchern einen halbtrockenen Pálava ins Glas gießt. „Der Pálava hat einen sehr eigenen Geschmack, er lässt sich überhaupt nicht mit einem Chardonnay oder einem Riesling vergleichen. Am ehesten ähnelt er einigen eher unbekannten spanischen oder italienischen Weißweinsorten“, erläutert Veteska.

Tschechien - Südmähren - Weinprobe

Der Pálava wird vor allem südlich der Stadt Brünn angebaut – in einer der wärmsten und regenärmsten Gegenden der Tschechischen Republik. In einer Landschaft, die äußerst sehenswert ist. Denn an den Hängen der Pollauer Berge ist Mähren nahezu mediterran. Wer Zeit mitbringt, für den lohnt es sich, die sanfte Hügellandschaft Südmährens mit dem Fahrrad zu entdecken. Rund um die Städte Mikulov (2), ehemals Nikolsburg, und Znojmo (3), ehemals Znajm, führen Weinrouten unterschiedlichster Länge durch das größte Weinanbaugebiet Mährens – auf kleinen Landstraßen, asphaltierten Radwegen oder unbefestigten Feldwegen.

Tschechien - Südmähren - Weinreben bei Znojmo

Insgesamt 18.500 Hektar Weingärten gibt es derzeit in der Tschechischen Republik – mehr als neunzig Prozent davon finden sich in der Region Südmähren. Doch die einheimische Weinproduktion ist für den Verbrauch im eigenen Land keinesfalls ausreichend. Vor dem dreißigjährigen Krieg war der Weinbau deutlich bedeutsamer. Damals war nicht nur Mähren ein Weinland, mit etwa 20.000 Hektar Rebfläche, auch in Böhmen wurde seinerzeit auf rund 10.000 Hektaren Wein angebaut. Karl IV., der bedeutendste König und Kaiser des Spätmittelalters, förderte den Weinbau – und gab den mährischen Weinbauern im 14. Jahrhundert das Privileg, ihren Wein im ganzen Reich zu verkaufen. Mit Ausnahme von Prag. Aber auf die Hauptstadt im fernen Böhmen ist man im Südmähren ohnehin nicht gut zu sprechen – und man traut den Prager Bürgern eher Bier-Geschmack als Weingeschmack zu. „Wir unterscheiden hier drei Arten von Wein: guten Wein, mittelmäßigen Wein und Wein für Prag“, versichert ein Mitarbeiter einer Winzergenossenschaft im Raum Znojmo. Karl IV. freilich hätten die mährischen Winzer sicherlich keinen schlechten Wein andrehen können – der König und Kaiser war in Frankreich erzogen wurden und galt als ausgewiesener Weinkenner.

Tschechien - Südmähren - Tschechien - Südmähren - Weinreben bei Znojmo

Nicht an Karl IV., sondern an dessen Vater Johann von Luxemburg, erinnert ein Historienspiel, das alljährlich während des Weinfestes in Znojmo aufgeführt wird. „Jan von Luxemburg hat Elisabeth geheiratet, eine tschechische Prinzessin. Abgesehen davon, dass er der Vater von Karl IV war, hat er nicht viel für das Land getan. Er kam nach Znojmo, wenn er Geld brauchte oder wenn er feiern wollte – und fast jeder seiner Besuche hat die Stadt nahezu komplett zerstört“, erläutert Reiseführerin Martina Kaderová – doch sie stammt aus Prag, und ist deshalb möglicherweise voreingenommen.

Tschechien - Südmähren - Weinfest in Znojmo

Die Znojmer jedenfalls feiern den Einzug Jan von Luxemburgs, denn auf ihn geht ein erstes Weinbauprivileg der Znojmer Bürger zurück, das später von Karl IV. noch erweitert wurde. Und da ein König allein noch keinen Festzug ausmacht, sind beim Weinfest auch viele andere mittelalterlich gekleidete Darsteller vertreten: Ritter und Landsknechte, Fahnenschwenker und Trommler, Jongleure und Hofdamen, Gefangene und Henker.

Tschechien - Südmähren - Frauen mit Burčák

Der eigentliche Star des Weinlesefests jedoch findet sich am Rande der Umzugs, nicht hoch zu Ross, sondern in Plastikbottichen und Plastikflaschen – und im Gegensatz zu Jan von Luxemburg plündert er die Stadt und ihre Bürger auch nicht aus: Denn ein Gläschen Burčák kostet an vielen Ständen nur um die 10 Kronen, das sind etwa 40 Cent. Burčák, das ist ein junger, nur teilweise gegorener Wein – ein Getränk, das man in Österreich Sturm und in Deutschland Federweißer nennt. Burčák wird auf den Weinfesten in Znojmo und in Mikulov, die beide im September stattfinden, an jeder Ecke ausgeschenkt. Es gibt ihn in rot und in weiß, an manchen Ständen schmeckt er pappsüß, an anderen etwas herber.

Tschechien - Südmähren - Burčák in Znojmo

Die Weinfeste in Znojmo und Mikulov, die Radwege entlang der südmährischen Weinstraßen und Burg Pernstein sind längst nicht die einzigen Orte, die sich im Süden Mährens zu besichtigen lohnen. „Südmähren ist eines der schönsten Gebiete in der Tschechischen Republik, man sollte auf jeden Fall eine Woche für den Aufenthalt einplanen“, rät Reiseleiterin Martina Kaderová – und gibt dazu gleich einige Tipps: Die Wallfahrtskirche von Zelena Hora (4), die dem heiligen Johannes von Nepomuk gewidmet ist und seit 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, ist ebenso eine Besichtigung wert die die Stadt Trebic (5). Denn Trebic, eine Stadt, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, beherbergte früher eine größten jüdischen Gemeinden Tschechiens. Das ehemalige Ghetto, in dem noch über 100 Häuser erhalten sind, und zwei Synagogen können heute noch besichtigt werden.

Und wem Schloss Pernstein, das Nosferatu-Schloss mit der spukenden Kammerzofe, zu gruselig ist, für den empfiehlt sich ein Besuch im UNESCO-Weltkulturerbe von Lednice-Valtice (6), einem Gebiet, das Jahrhunderte lang den Liechtensteiner Fürsten gehörte. Dort findet sich ein neugotisches Schloss, das von einem weitläufigen Parkgelände mit zahlreichen Teichen und künstlichen Inseln umgeben ist.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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