Wie eine schöne Geisha

Für Teeliebhaber ist Taiwan das ideale Urlaubsland

Text und Fotos: Rainer Heubeck

 

Taiwan - Tee

Es gibt Hauptstädte, beispielsweise Wien oder Prag, in denen Wein angebaut wird. Eine Metropole, in der Tee angepflanzt wird, das hingegen ist eher selten. Am Rande der 2,7-Millionen-Einwohner-Stadt Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, kann man genau das erleben.

Um zu einer der Teeplantagen zu kommen, nimmt man vom Stadtzentrum aus einfach die U-Bahn, die in Taipeh MRT genannt wird. Mit der Wenhu-Linie, gekennzeichnet mit der Farbe braun, geht es bis zum Zoo – von dort sind es nur wenige Minuten zur Talstation der Maokong Gondola. Knapp eine halbe Stunde schweben die Seilbahnkabinen, einige davon haben sogar Glasfußböden, bergauf und gelegentlich auch bergab. Etwa vier Kilometer bzw. knapp 300 Höhenmeter sind es bis zur Endstation, der Maokong-Station.

Taiwan - Teeplantage

Die Großstadt Taipeh, die Hauptstadt des Hightech-Landes Taiwan, wirkt nun gefühlt unendlich weit entfernt – und ist doch deutlich zu sehen. An diesem Tag freilich ist der Himmel grau in grau, die Silhouette des Taipeh 101, eines über 500 Meter hohen Wolkenkratzers, der von 2002 bis 2007 das höchste Gebäude der Welt war, ist nur hinter einem leichten Regenschleier zu erkennen. Viel deutlicher zu sehen sind die Teesträucher, die direkt neben einer schmalen Straße angepflanzt sind, und die sich den Hügel entlang terrassenförmig nach unten ziehen. Die kleine Plantage, die wir besuchen, gehören Shin-Shun Chang. Er ist Teemacher in vierter Generation, seine Vorfahren, so versichert er, brachten Teepflanzen einst aus China mit nach Taiwan, und begründete hier die Tradition. „Es gibt zehn Teemeister hier auf dem Maokong-Hügel, ich bin ihr Vorsitzender“, berichtet der 61-jährige stolz.

Taiwan - Maokong-Hügel - Shin-Shun Chang

Ob Tee schwarz wird oder grün, das hängt davon ab, wie die Teeblätter behandelt werden, ob sie unfermentiert genutzt werden oder ob sie fermentiert werden. In Taiwan freilich setzt man vor allem auf einen Tee, der das Beste aus beiden Welten verbindet – den halbfermentierten, in Glas bernsteinfarben schimmernden Oolong-Tee. Etwa 45 Tage dauert es, die Teeblätter nach der Ernte zu verarbeiten. Erst werden sie getrocknet, danach mehrere Dutzend Mal von Hand gerollt und geformt. Dadurch tritt Zellsaft aus, so dass die Blätter besser mit dem Sauerstoff reagieren können. Dabei kommen keine Mikroorganismen zum Einsatz, das heißt, genau genommen geht es eher um Oxydation als um Fermentation. Ein erfahrener Teemacher weiß natürlich, wann er den Tee anschließend in den Backofen steckt, um die Oxydation zum richtigen Zeitpunkt zu stoppen. Neun verschiedene Arten von Oolong-Tee, so berichtet Pi Hsia Hsu, die Ehefrau von Herrn Chang, werden von den verschiedenen Teemachern am Maokong hergestellt. In der eigenen Teeplantage konzentriert man sich auf nur drei Teesorten. „Wir erzeugen pro Jahr nur etwa 600 Kilogramm, aber dafür ist es extrem hochwertiger Tee“, versichert sie.

Taiwan - Maokong-Hügel - Teegeschäft

Eine Spezialität des Hauses ist der Guanyin-Tee, ein besonders dunkler und starker Oolongtee. Guanyin ist eine heilige Figur im Mahayana-Buddhismus, sie gilt als Bodhisattwa des Mitgefühls, zuweilen wird sie sogar als Göttin des Mitgefühls verehrt. Ein Teebauer, der ihr einst täglich Tee als Opfergabe vorbeibrachte, entdeckte am Rock der Heiligen eine Teepflanze, deren Farbe sehr dunkel war, fast wie Eisen. Aus dieser Pflanze, so sagt die Legende, ist die Guanyin-Sorte hervorgegangen. Ob das stimmt, lässt sich natürlich nicht nachprüfen, sicher hingegen ist, Herrn Changs Guanyin-Tee schmeckt vorzüglich.

Taiwan - Maokong-Hügel - Tee in Dosen

Wie man denn Tee richtig kocht, will ich wissen, und ernte von Pi Hisa Hsu einen vernichtenden Blick. Tee kocht man nicht, Tee brüht man, antwortet sie geduldig und verweist für nähere Erläuterungen zuerst an ihren Mann. Nach einigem hin und her wird das Geheimnis entschlüsselt: Die Teekanne sollte mit heißem Wasser vorgewärmt werden und wird danach zu etwa einem Viertel mit Teeblättern gefüllt. Der erste Aufguss dauert etwa sechzig Sekunden, dann wird der Tee ausgeschenkt und kurz darauf wird ein zweites Mal aufgegossen, diesmal etwa zehn Sekunden länger. Das Wasser, das auf den Oolong-Tee gegeben wird, sollte relativ heiß sein, etwa achtzig bis neunzig Grad, aber keinesfalls kochend.

Wohlschmeckender und hochwertiger Tee wird in Taiwan nicht nur am Rande der Hauptstadt angebaut, sondern auch im Bergland an der Ostküste des Landes. Eine besondere Spezialität der dortigen Teefarmen ist der Oriental Beauty Tee, der zu den Lieblingstees von Königin Victoria gehört haben soll. Ein Tee, dessen Blätter durch Zikaden angeknabbert bzw. ausgesaugt werden – was die Pflanze dazu veranlasst, mehr Geschmacksstoffe und Tannine zu entwickeln, die dem Tee ein honig- und muskatähnliches Aroma geben. Die Tea Leafhoppers, die zuweilen sogar als vegetarische Vampire bezeichnet werden, erreichen sogar, dass die Oxydation der Blätter bereits am Teestrauch beginnt. „Angeblich wurde dies zufällig entdeckt, als ein Bauer Tee aus angefressenen Blättern auf dem Markt aufbrühte und verkaufte, und die Leute genau von diesem Tee besonders begeistert waren“, berichtet Reiseleiterin Michelle Chiu, mit der wir die Lin Tea-Plantage besuchen, die einem vielfach ausgezeichneten Teebauern gehört.

Taiwan - Lin Tea-Plantage - Teeblätter

A-Cheng, der seit zwei Jahren auf der Plantage arbeitet, ist selbst ein begeisterter Teeliebhaber. Er führt uns durch den Teegarten und demonstriert auch, wie der Tee verarbeitet wird. „Je jünger und kleiner die Blätter, desto besser wird der Tee“, versichert A-Cheng, und berichtet, dass eine Teepflanze mehr als zehn Jahre lang genutzt werden kann. Die frisch gezupften Blätter sind meist zu feucht, um gerollt zu werden. Sie würden zerbrechen, deshalb kommen sie zuerst in eine Vorrichtung, in der sie Wasser verlieren. Dort bleiben sie etwa acht Stunden, erst danach sind die Blätter weich und können gerührt und gerollt werden – und das gleich mehrere Stunden lang. Im Gegensatz zum Kleinbetrieb von Herrn Chang am Maokong erfolgt das Rollen, Pressen und Walken hier nicht von Hand, sondern in einem eigens dafür konstruierten Gerät.

Taiwan - Lin Tea-Plantage - Teeverarbeitung

Beim Rollen fangen die Teeblätter bereits an zu oxydieren, dies wird später in einem Rotlicht-Raum fortgesetzt. Um die Oxydation zu stoppen, kommt der Tee anschließend in den Backofen. „Jede Temperatur ergibt einen anderen Geschmack, einen leichten Tee erzeugt man, wenn man ihn bei niedriger Temperatur sehr lange backt, für einen starken Tee braucht man eine höhere Temperatur“, erläutert A-Cheng, der am liebsten schwarzen Tee trinkt. Die Plantage von Herrn Lin ist spezialisiert auf besonders hochwertigen Tee. „Wir verkaufen nicht in Kilo, wir verkaufen in Gramm. 600 Gramm Tee kosten zwischen 2000 und 20000 taiwanesische Dollar“, berichtet A-Cheng – das sind zwischen 57 und 570 Euro.

Taiwan - Lin Tea-Plantage - Limettentee

Den Besuchern der Plantage zeigt der 31-jährige auch, wie man einen Limettentee der besonderen Art macht – er füllt schwarzen Tee in eine Limettenschale und drückt diese mit Schnüren kräftig zusammen. Diesen Vorgang wiederholt er mehrmals, erst dann ist er sicher, dass der dicht zusammengepresste Tee den Geschmack angenommen hat. Eine Prozedur, die einfach aussieht, die sich jedoch, als wir es selbst versuchen, als durchaus knifflig erweist.

Taiwan - Teeaufguss

Dieser Tee wirkt ganz hervorragen gegen Erkältung, erläutert A-Cheng, dessen Großvater ebenfalls Tee hergestellt hat. Wenn er für die Gäste des Teehauses der Plantage Tee aufbrüht, überlässt er nichts dem Zufall. Mit einem Thermometer kontrolliert er die Wassertemperatur, mit der Eieruhr überwacht er die Brühzeit. „Für einen Oriental Beauty Tea sollte das Wasser achtzig bis neunzig Grad heiß sein“, erläutert A-Cheng, und verrät zum Schluss, welcher Tee bei den Kunden der Plantage von Herrn Lin am beliebtesten ist. Es ist nicht der Oriental Beauty, aber ein ihm verwandter Tee, der länger fermentiert wurde, aber ebenfalls durch angeknabberte Blätter einen besonderen Geschmack erhält. Er nennt ihn Honey Black Tea. Auch dessen Geschmack erinnert A-Cheng an eine orientalische Schönheit. „Wenn dieser Tee durch meine Kehle rinnt“, verrät A-Cheng, „verbinde ich seinen Geschmack stets mit dem Bild einer schönen Geisha, die langsam davonläuft.“ Aus diesem Grund wird der Hakka wohl noch länger auf der ländlich gelegenen Teeplantage bleiben. “Ich liebe Tee und ich mag den Lebensstil hier, deshalb möchte ich hier bleiben. Irgendwo im Büro zu arbeiten, das würde mich umbringen“, versichert A-Cheng, und gießt seinen Honey Black Tea ein weiteres Mal auf.

Taiwan - Tee

 

Reiseinformationen

Anreise

Taiwan liegt im West-Pazifik, 160 Kilometer vom chinesischen Festland entfernt. China Airlines fliegt mehrmals pro Woche nonstop ab Frankfurt nach Taipeh (China Airlines, Gutleutstraße 80, 60329 Frankfurt, Tel. 069/2970580, Fax 069-294193, E-Mail: info@china-airlines.de, Internet www.china-airlines.com/de/de). Eva Air bietet Direktflüge ab Paris. Umsteigeverbindungen in die taiwanesische Hauptstadt bieten u. a. Cathay und Emirates.

Einreise

Deutsche Staatsbürger benötigen für einen Aufenthalt von bis zu neunzig Tagen kein Visum. Der Reisepass muss bei der Einreise noch mindestens sechs Monate gültig sein.

Transport im Land

Der Hochgeschwindigkeitszug „Taiwan Highspeed Railway“ durchquert Taiwan von Nord nach Süd in neunzig Minuten, die Busverbindungen im Land sind gut und vergleichsweise günstig.

Reisezeit/Klima

Im Norden Taiwans herrscht subtropisches Klima, im Süden tropisches. Taiwan ist ein Reiseziel, das ganzjährig besucht werden kann; die angenehmsten Reisezeiten sind das Frühjahr (etwa März bis Mai) und der Herbst (September bis November). Von Mai bis Oktober wird die Insel gelegentlich von Taifunen heimgesucht.

Sprache und Verständigung

Die offizielle Amtssprache im Land ist Hochchinesisch, auch Taiwanesisch und verschiedene chinesische Dialekte sind verbreitet. In vielen Hotels und einigen Restaurants und Geschäften versteht und spricht man auch ein einfaches Englisch. Außerhalb der Großstädte und Touristikzentren fällt die Verständigung ohne Chinesisch schwerer, doch die meisten Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit.

Geld

In Taiwan zahlt man mit New Taiwan Dollar (NT$). Ein Euro entspricht etwa 35 NT$. Die gängigen Kreditkarten werden weithin akzeptiert.

Übernachten

In Taipei empfiehlt sich eine Übernachtung im Ausgehviertel Ximending, beispielsweise im amba Taipei Ximending, 77 Section 2 Wuchang Street, Taipei 10843, Tel. +886 2 2375 5111, www.amba-hotels.com/en/ximending/

In der Nähe des East Rift Valley bietet das Moon Water Bay Hill nicht nur komfortable Zimmer, sondern auch heiße Quellen: Moon Water Bay Hill, No.41-8 Wenquan Rd., Lehe Village, Yuli Township, Hualien, Tel. +886-38-883299 od. +886-988-339347

In der Provinz finden sich stilvolle und freundliche familiäre Frühstückspensionen: Lin Tea B&B No. 74-8, Section 2, Zhong Zheng S. Road, 97842 Ruisui, Tel. +886 38872722, E-Mail lin92765k@yahoo.com.tw

Teebauern

Exzellente Tees in traditioneller Umgebung und direkt vom Erzeuger, aber auch traditionelle Küche gibt es bei Chang, Chin-Chung, Maokong, Taipei, Tel. +886 2-29364371, E-Mail tea1895@yahoo.com.tw

Jilin Tea Plantation, Nr.169 Jianana 2nd Rd., Wuhe Village, Ruisui Township, Hualien, Tel +886-928-085309.

Auskünfte und Broschüren

Taipei Tourism Office, Friedrichstr. 2 - 6, 60323 Frankfurt, 069/610743, E-Mail info@taiwantourismus.de, www.taiwantourismus.de

 

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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