Kilometer 6.300
Ulan-Bator, die Hauptstadt der Mongolei, empfängt uns mit strahlend blauem Himmel. Sie liegt 1.350 Meter hoch am Fuß des über 2.200 Meter hohen Bogd Khan Uul. Vom Zaisan-Denkmal, das an den zweiten Weltkrieg erinnern soll, hat man den besten Überblick über die Metropole zwischen Moderne und Tradition. Zwar gibt es immer noch Jurtencamps in und vor der Stadt, aber in den letzten 18 Jahren entstanden viele Hochhäuser, in die zahlreiche Nomaden-Familien umzogen. Auf dem Suche-Bator-Platz sind den beiden mongolischen Helden Dschingis Khan und Suche Bator riesige Denkmäler gewidmet. Zeugnisse des Lamaismus sind der Bogd Khan Palast und das Gandan-Kloster. Hier fasziniert die Andächtigkeit der jungen Lamas und blendet das Gold der Buddha-Figuren. Die größte ist 24 Meter hoch und 19 Tonnen schwer. Auf europäisches Bier muss in Ulan-Bator niemand verzichten. Es gibt zwei deutsche und eine schweizerische Brauerei nebst Biergärten, in denen sich gestylte Mongolen zur After-Work-Club-Party treffen. Wer stattdessen lieber traditionellen Kehlkopfgesang und Pferdekopfgeigen hören oder einen Maskentanz sehen möchte, der geht ins Folkloretheater nebenan. Oder man durchstöbert ein paar Kaufhäuser nach Kaschmir-Produkten, die hier viermal günstiger als zu Hause sind.
Suche-Bator-Platz in Ulan Bator
Am nächsten Morgen sind nicht nur die Berggipfel schneebedeckt. Das gesamte Land, das viermal so groß wie Deutschland ist, wurde über Nacht mit Puderzucker bestäubt. Noch vor wenigen Tagen waren es 25 Grad in der mongolischen Steppe. Jetzt zeigt das Thermometer minus 5 Grad. „Sajn bajn uu? - Guten Tag“, begrüßt uns Purevdorj vor seiner Jurte, die auf Mongolisch „Ger“ heißt. 80 Kilometer vor der Hauptstadt hat er mit weiteren Familienmitgliedern vor zwei Wochen sein Frühjahrslager aufgeschlagen. Er trägt dicke Lederstiefel, deren Spitze sich nach oben neigt. So sollen Pflanzen und Tiere auf dem Boden geschützt werden. Purvedorjs Frau Enkhtuya lässt uns eintreten. Mit ihrem im Nacken geknoteten Kopftuch und den roten Wangen wirkt sie wie eine bayerische Bäuerin. Bevor sie uns Milchtee mit Salz anbietet, reicht uns ihr Mann sein Schnupftabakfläschchen als Willkommensgruß. Wir riechen nur daran. Das muss reichen. Schwarztee mit Salz statt mit Zucker ist mal etwas anderes. Auf jeden Fall angenehmer im Geschmack als das Schälchen Airag, die vergorene Stutenmilch, die wir dann doch nicht auf unseren täglichen Speiseplan setzen wollen, auch wenn sie gesund sein soll.
Purevdorj in seiner Jurte
„Überwintert haben wir an einem geschützteren Ort tiefer in den Bergen“, erzählt Purevdorj: „Mindestens viermal im Jahr ziehen wir um. Der Aufbau einer Jurte dauert ja nur zwei Stunden.“ Während wir unsere kalten Hände am kleinen Bollerofen, auf dem auch gekocht wird, wärmen, berichtet Purevdorj, dass er in Kürze 70 Jahre alt wird und zwölf Kinder und 20 Enkel hat. Zwei Töchter leben mit ihren Familien in einer Nachbarjurte. Einige sind aber auch ausgewandert - nach Korea, in die Tschechische Republik und sogar in die USA. Seine Frau reicht unterdessen eine Schale mit Boorzog (gebackenem Brot) und getrocknetem Quark. Vorsicht beim Draufbeißen ist geboten. Beides erweist sich als ziemlich hart.
In der Jurte
Draußen wird es laut. Einer der Schwiegersöhne treibt eine Herde Pferde ins Gatter. „Außer Kamelen haben wir alle wichtigen Nutztiere“, sagt: Purevdorj: „70 Pferde, 40 Rinder, 70 Schafe und 20 Ziegen.“ Aber auch mit Touristen verdient der Viehhirte inzwischen sein Geld. Nur wenige Kilometer entfernt betreiben mongolische Tourismusunternehmen Jurtencamps. Dort werden während der Sommermonate bei Hammel und Airag die drei traditionellen mongolischen Volkssportarten Reiten, Ringen, Bogenschießen aufgeführt. „Meinen Enkeln macht das viel Spaß“, meint der Nomade. Und dann verrät er uns noch, dass er seit drei Jahren nicht mehr in Ulan-Bator gewesen ist: „Die Stadt ist zu laut. Es gibt zu viele Menschen und Autos.“
Jurtencamp von Purevdorj
Kilometer 7.000
Der „Zarengold“ rollt weiter durch die mongolische Steppe, die allmählich in die Wüste Gobi übergeht. Mal ist sie ganz eben, mal türmen sich hohe ockergelbe Sanddünen. Erste Ginsterbüsche blühen. Das Zugpersonal ist damit beschäftigt, Tür- und Fensterritzen abzukleben. Es wird ein Sandsturm erwartet. Doch wir haben Glück, der Sturm ist bereits vorüber gezogen. Es weht nur noch eine leichte Brise. In Erlian an der chinesischen Grenze endet unser Sonderzug. Er wird andere Gäste, die in entgegengesetzter Richtung reisen, nach Moskau zurückbringen. Aufgrund der unterschiedlichen Spurweiten in Russland und China steigen wir in einen chinesischen Zug um, der uns in 16 Stunden durch die innere Mongolei nach Peking bringt. Als uns der Weckruf zum Aufstehen auffordert, ragen zu beiden Seiten der Bahntrasse nackte Felswände empor. Bald folgen grüne Wälder bis die ersten Hochhäuser auftauchen. Wie eine Krake schlängeln sie sich um das Stadtzentrum.
Der „Zarengold“ rollt weiter durch die mongolische Steppe,
die allmählich in die Wüste Gobi übergeht
Kilometer 7.838
Punkt sechs Uhr läuft der Zug nach 7.838 Kilometern im Pekinger Westbahnhof ein. Die Reise endet mit drei Tagen Sightseeing in Boomtown-Peking. Bereits kurz nach sieben Uhr geht nichts mehr. Moskaus Verkehrschaos wirkt harmlos im Vergleich zum chinesischen. In westlichen und japanischen Familienkutschen bahnen sich männliche Einzelkämpfer ihren Weg ins Büro. Er habe zwar einen Führerschein, sagt Herr Wang, unser chinesischer Reiseleiter, sei aber noch nie in Peking gefahren. Er benutze meistens die U-Bahn oder auch mal das Fahrrad. “In Peking gibt es fünf Sehenswürdigkeiten, die man gesehen haben muss“, meint Herr Wang: „Die verbotene Stadt, den Himmelstempel, den Sommerpalast, die Ming-Gräber und natürlich – die Große Mauer.“ Nach einem steilen Anstieg durch Souvenirstände entdecken wir zu unserer Freude eine Seilbahn. 50 Yuan (5 Euro) kosten die Auf- und Abfahrt. Sie lohnen sich, denn die Mauer schlängelt sich an dieser Stelle 800 Meter hoch durch Wald.
Der Himmelstempel in Peking
Per Bus geht es zurück in die 90 Kilometer entfernte Hauptstadt. „Augen auf und durch“, scheint sich unser Fahrer zu sagen. Er überholt mal links, mal rechts. Aber nur so kommen wir rechtzeitig zum Schluss-Akkord, dem Peking-Enten-Essen.
Auf der Großen Mauer
Der Traum, einmal mit der Transsibrischen Eisenbahn zu reisen, ist zu Ende. Mit dem Jumbo heben wir am nächsten Mittag vom gigantischen Pekinger Flughafen Richtung Frankfurt ab. Im Zeitraffer sehen wir noch einmal von oben, was wir in den letzten elf Tagen durchfahren haben: die Große Mauer, die Wüste Gobi, die bepuderten Berge der Mongolei. Schon überfliegen wir den Baikalsee. Und irgendwo 11.000 Meter tiefer rollt auch er zurück von Asien nach Europa: der „Zarengold“. Rattatadong, Rattatadong.
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