Fado in Lissabon

 

Gemälde "Fado" von José Malhoa (1855-1933), im Museo do Fado, Lissabon

Gemälde "Fado" von José Malhoa (1855-1933), im Museo do Fado

„Der Fado befindet sich in einer guten Dynamik“, sagt Sara Pereira. Die Direktorin des Fado-Museums betrachtet ihn als Kunstform, die neben der klassischen Interpretation kreativen Musikern ein Spielfeld für Experimente und Cross-over zu anderen Genres liefert. Pereira hat an der Vorbereitung des Unesco-Antrags, den Fado zum immateriellen Welterbe zu erklären, maßgeblich mitgewirkt. Inzwischen sind auch seine Ursprünge besser erforscht. Mit einiger Sicherheit rührt der Fado vom afro-brasilianischen Tanz her, so die Historikerin. Als der portugiesische Hof 1821 aus dem Exil in Brasilien zurückkehrte, kommt die Kunstform in Schiffsbäuchen mit nach Lissabon. Zunächst erobert sie die Armenviertel und das Rotlichtmilieu der Hafenstadt. „Bis 1840 war Fado eng mit der Prostitution verbunden“, sagt Pereira. Bald fand er aber auch Eingang in bürgerliche Kreise. ‚Fadista‘ galt trotzdem lange als Schimpfwort.

Während der Diktatur unter António Salazar landeten zahlreiche Texte auf dem Index. „Der Geheimdienst erkannte in im Fado einen Protestsong, ein Lied des inneren Aufstandes“, sagt Pereira. Schließlich klagten die Lieder auch das soziale Elend und die gewaltigen Klassenunterschiede im damaligen Armenhaus Europas an. Kritische Passagen verschwanden. Die typischen Lokale wurden in der Oberstadt, dem Bairro Alto, konzentriert, um das Milieu zu kontrollieren und gleichzeitig zu erhalten.

Salazar war selbst ein Fado-Fan, liebte besonders den von Amália Rodrigues. „Weil sie und andere Fadistas für das Regime sangen, kam der Fado in Verruf“, sagt Pereira. Die Intellektuellen verdammten die Lieder als Volksverdummung. Erst als der populäre kommunistische Dichter Ary dos Santos 1977 anfing, Verse dafür zu schreiben, wendete sich das Blatt. Am Ende überlebte der Fado, weil er trotz aller Beschränkungen Identifikation für breite Bevölkerungsschichten bot.

Bild der Amália in der Casa Museu da Amália Rodrigues, Lissabon Portugal

Bild der Amália in der Casa Museu da Amália Rodrigues

Der Bairro Alto ist heute eher ein Ort, an dem Fado für Touristen geboten wird. Doch auch in den ursprünglichen Vierteln Alfama und Madragoa blieb das Schicksalslied lebendig. „Ausgerechnet in der Mouraria fehlt es an den einfachen Kneipen“, klagt Nuno Vasco Franco. Für den Soziologen und Stadtteilchronisten ist nicht die Alfama die Wiege des Fado, sondern die Mouraria. Denn hier lebte Maria Severa, die berühmt für ihre Stimme, ihre Schönheit und ihre tragische Geschichte war. Sie war die schöne Tochter eines Zigeuners und eine stadtbekannte Prostituierte, die erste Sängerin, die den Fado offiziell personifizierte. In den düsteren Gassen des einstigen Maurenviertels gab es von allem viel: Dreck, Alkoholismus und Gewalt. Dennoch war es das Vergnügungsviertel der Stadt, in dem auch Adlige verkehrten, weit entfernt von den eigenen Wohnsitzen. Auch der Graf von Vimioso kam hierher – und verliebte sich in die junge Severa. Der verheiratete Ritter organisierte in seinem Palast ein Fest, auf dem seine Geliebte und andere Fadistas auftraten. Durch diese Liebesgeschichte gelang dem Fado der Aufstieg in die „bessere Gesellschaft“ und an den portugiesischen Hof. „Er wurde zum Verbindungsglied aller sozialer Klassen“, sagt Franco. Heute seien die meisten Portugiesen allerdings ausgeschlossen, weil sie die hohen Preise in den Restaurants nicht bezahlen könnten. Franco hofft, dass im Sog der Anerkennung zum Welterbe auch hier wieder mehr Lokale aufmachen werden. Damit der Lissabon-Blues von Portugiesen für Portugiesen gesungen wird.

Tatsächlich wurden viele berühmte Fadistas in der Mouraria geboren. Auch Amália, die unerreichte Diva. Wie Maria Severa wuchs sie in armen Verhältnissen auf. Dank ihrer starken Persönlichkeit und dem eindringlichen Gesang wurde sie weltberühmt. „Sie besaß nur Grundschulbildung, trug mit Fünfzehn aber schon mehr als 150 literarische Texte vor“, sagt Antonio Acciaioli Campos im Wohnhaus von Amália, das man heute besuchen kann. Alles sieht so aus, als würde die Sängerin gleich zur Tür hereinkommen. „Die Gunst Salazars hat ihrem Ansehen geschadet“, sagt der Museumschef. Das Regime habe sie benutzt. Wie mutig sie war, sei aber kaum bekannt. Amália sang verbotene Lieder, von denen die meisten sie selbst geschrieben hatte, und setzte sich für inhaftierte Oppositionelle beim Diktator persönlich ein. Erst kurz vor ihrem Tod wurde sie rehabilitiert.

Estrela Carvas (74) war 40 Jahre die Gouvernante und Vertraute von Amália Rodrigues bis zu deren Tod 1999, heute ist sie Museumsguide im Wohnhaus Casa Museu da Amália, Lissabon

Estrela Carvas war 40 Jahre die Gouvernante und Vertraute von Amália Rodrigues bis zu deren Tod 1999, heute ist sie Museumsguide im Wohnhaus Casa Museu da Amália, Lissabon

„Sie hatte viele Freunde und Bewunderer, fühlte sich aber allein“, erinnert sich Estrela Carvas, die vierzig Jahre lang die Gouvernante der berühmten Fadista war und heute Besucher durch das Haus führt. „Traurigkeit hielt sie für ihr Schicksal“, sagt die 75-Jährige in der Küche, wo Amálias Papagei Xico noch immer fröhlich plappert. Heiterkeit war ihr fremd. Doch sie hatte vier große Lieben: Fado, Blumen, Schuhe und Earl Grey.

 

Reiseinformationen

Anreise

Die TAP Air Portugal fliegt mehrmals wöchentlich nach Lissabon, www.tap.com.

Fado-Lokale

Clube de Fado
Rua São João da Praça 92-94
Tel. 218 8852 705
www.clube-de-fado.com
tgl. 20-2 Uhr

Maria da Mouraria
Rua do Capelão/Largo da Severa 2/2B
www.mariadamouraria.pt
Do-Fr ab 20 Uhr, Fado ab 21.30 Uhr.

Mesa de Frades
Rua dos Remédios 139A
https://de-de.facebook.com/mesadefradeslisboa/
tgl. 20-2.30 Uhr.

Tasca do Chico
Rua do Diário de Notícias 39
www.tascadochico.blogspot.de

Ansehen

Museu do Fado
Largo do Chafariz de Dentro 1
www.museudofado.pt
Di-So 10-18 Uhr
Auf der museumseigenen Konzertbühne finden monatlich Fado-Abende statt. Nettes Bistro-Café.

Casa Museu da Amália
Rua de São Bento 193
www.amaliarodrigues.pt
Di-Do 10-13 Uhr + 14-18 Uhr.

Wandmalereien zum Fado, Murral das Escadinhas de São Cristóvão.

Fado-Rundgang in der Mouraria, Startpunkt: Rua da Mouraria/Rua de Capelão.

Fado-Graffiti Mural das Escadinhas de Sã Cristóvão, im Stadtteil Mouraria, Lissabon

Fado-Graffiti Mural das Escadinhas de Sã Cristóvão, im Stadtteil Mouraria

Schlafen

Hotel Solar do Castelo
Rua das Cozinhas 2
www.solardocastelo.com
Das kleine Boutiquehotel liegt innerhalb der der Mauern des mittelalterlichen Castelo São Jorge und damit oberhalb der Alfama. Das Gebäude aus dem 18. Jh. wurde umfassend und das historische Erbe bewahrend restauriert. Schön gestaltete Zimmer auf zwei Etagen.

Hotel Valverde
Avenida da Liberdade 164
www.valverdehotel.com
Das Fünf-Sterne-Hotel ist eine Oase an der zentralen Hauptstraße. Frühstück gibt es im idyllisch grünen Innenhof unter Palmen. Kleine Zimmer, aber geschmackvoll gestaltet.

Residencial Florescente
Rua Portas de Santo Antão 99
www.residencialflorescente.com
Ein günstigeres Drei-Sterne-Hotel nahe der Mouraria, so dass man es nachts zu den Fadolokalen nicht weit hat.

Auskunft

Portugiesisches Fremdenverkehrsamt
Tel. 030-2541060
www.visitportugal.com, www.visitlisboa.com.

 

Website der Autorin: www.beate-schuemann.de

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Reiseveranstalter Portugal bei schwarzaufweiss

 

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